Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#newsletter    31 | 05 | 2012

Newsletter 05/12

Liebe Freundinnen und Freunde,

auch in der vergangenen Plenarsitzung ging es um die Euro- und Finanzkrise und um die weiteren Signale dafür, dass die Krise sich verschärft.

 

Um es vorwegzunehmen: Auch wir Grüne bekennen uns zu der Notwendigkeit, die öffentlichen Haushalte in Ordnung zu bringen. Schuldenabbau oder durchhaltbare, generationengerechte Politik wollen auch wir für die öffentlichen Finanzen.

 

Wir müssen aber entgegen der öffentlichen Mehrheitsmeinung der Deutschen auch feststellen, dass allein der Abbau der Schulden die Krisenentwicklung nicht bremst, sondern verschärft. Und wir kommen angesichts der Entwicklung nicht allein in Griechenland, sondern auch in großen EU-Ländern wie Spanien und Italien zu dem Schluss, dass vernünftige und rasche Investitionen in nachhaltige Entwicklung und gegen die Arbeitslosigkeit gerade auch der Jugend gebraucht werden. Wir haben uns vorgenommen, bei den Investitionsprogrammen, die auf dem informellen Gipfel ein wichtiges Thema waren, darauf zu achten, dass es tatsächlich um ökologisch und sozial nachhaltige Projekte geht. Das Label Nachhaltigkeit, das die EU-Kommission und auch Frau Merkel und Herr Schäuble gern verwenden, hat hier in Brüssel schon zu oft mehr versprochen, als dann mit den Förderentscheidungen gehalten wurde.

Am Beispiel Griechenland lässt sich einfach zeigen, dass die Abhängigkeit von teurem Importöl gerade in der Krise danach schreit, dass endlich ein ehrgeiziges Programm zum Ausbau der Erneuerbaren Energien gestartet wird. In Griechenland zeigt sich auch, dass die Sparmaßnahmen im Öffentlichen Sektor und die damit verbundenen Entlassungen katastrophale Folgen für den sozialen Sektor haben. In beiden Bereichen muss und kann die Europäischen Union jetzt für und mit den Griechen etwas tun.

Jedes Investitionsprogramm wäre sinnlos, wenn wir nicht darüber hinaus weitere Ziele parallel verfolgten. Die bisher sehr einseitig ausgelegte Fiskalpolitik muss mit mehr Engagement zur Verbesserung der Einnahmesituation aufgestockt werden. Die Finanztransaktionssteuer ist in aller Munde, aber noch lange nicht durchgesetzt. Die Steuerflucht ist nicht beendet. Und die Idee, den Faktor Arbeit zu entlasten, aber endlich den Verbrauch von Umwelt- und Ressourcen zu besteuern, wird durch die Erfahrungen der Finanz- und Wirtschaftskrise noch wichtiger denn je.

Vergessen werden darf auch nicht, dass die Mängel des Euro auch seine Konstruktionsmängel sind. Um diese Mängel in der Krise abzufangen, haben wir Krisenfonds beschlossen. Wir Grünen sind aber auch weiter unbedingt dafür, dass dem Rat der deutschen Wirtschaftsweisen gefolgt wird und wir, eingebettet in die Schuldenabbaustrategie, auch einen Schuldentilgungsfond schaffen. Anlässlich des informellen Gipfeltreffens haben wir ein Übersichtspapier zu den wichtigsten Schritten zur Bekämpfung der Krise beschlossen, die von unserer Fraktion im EP gefordert werden.

Unsere Währung zu stabilisieren ist nicht allein ein politisches Projekt europa- und wirtschaftsversessener Eliten. Wir halten es für ein populistisches Märchen, dass die Rückkehr zu den alten Währungen die Europäischen Länder krisenfest macht. Da nutzen auch Anti-Europäer die Gunst der Stunde und die Verunsicherung der Bürger. Sie scheuen vor keiner Allianz zurück.

Es zeigt sich aber am Stimmungswandel in Deutschland, dass es auch uns Grünen in der Krise bis jetzt nicht geglückt ist, die Politik, die wir für die EU und den Euro für richtig halten, für Mehrheiten wahrnehmbar und zustimmungsfähig darzustellen. Wir dringen nicht durch.

Der neue Erfolg schon allein der Ankündigung des Europabuches von Sarrazin zeigt: Die Auseinandersetzung mit Thilo Sarrazin und anderen muss gesucht und prominent organisiert werden. Nicht der Fiskalpakt, sondern die Frage, in welchem Europa und in welchem Deutschland in Europa wir leben wollen, ist die Frage, die in den Mittelpunkt der deutschen Debatte gehört. Seit zwei Wochen vertreten etliche grüne Europaabgeordnete mit deutschengrünen KollegInnen aus Bund und Ländern, dass die Partei einen Sonderparteitag braucht um der Lage in der EU und daheim in Deutschland gerecht zu werden. Ich hoffe, dass wir Grünen einen starken und mutigen Beitrag für einen erneuten Stimmungswechsel in Sachen Europa schaffen. Manches, was man leichtfertig für stabil und immerwährend genommen hat, ist in kurzer Zeit eingerissen. Selbst wenn es so groß ist wie die EU, selbst wenn es als Selbstverständlichkeit genommen wurde, selbst wenn Generationen daran gearbeitet haben.

 

Vive l'Europe.
Rebecca

PS: Ich hoffe, dass die vielen Deutschen, die in die Ukraine und nach Polen (auch in Polen kann man gegen Janukowitsch Flagge zeigen) zum Fußball fahren, jede Gelegenheit nutzen werden, um für Demokratie und Freiheit Zeichen zu setzen. Manchmal tut es schon ein bedrucktes T Shirt. Ich werde versuchen, in Charkiw zu sein.

 

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1. Eurokrise

 

Die beim letzten EU-Gipfel diskutierten Wachstumsinitiativen allein werden die Eurozone und die EU insgesamt nicht stabilisieren. Die Verschärfung der Finanz- und Schuldenkrise erfordert, dass die Europäer ihre gemeinsame Währung mit neuen Instrumenten sichern. Wir Grünen haben dazu anläßlich des EU-Gipfels ein Papier mit den wichtigsten Bausteinen für eine nachhaltige Haushalts- und Wirtschaftspolitik vorgestellt: den Grünen Investitionspakt.

 

Wachstum allein stabilisiert Eurozone nicht - EU braucht neue Instrumente gegen die Schuldenkrise (Pressemitteilung vom 24.05.12)
Grüne stellen Investitionspakt vor - neue Vorschläge zur Überwindung der Eurokrise (Pressemitteilung vom 23.05.12)
„Ein Grüner Investitionspakt für nachhaltige Wirtschafts- und Haushaltspolitik“ (vollständiger Text des Grünen Investitionspakts)
Interview mit Rebecca Harms zum EU-Gipfel (auf europa-gruene.de)

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2. EU-Fischereipolitik

 

Das Europäische Parlament hat ein neues Gesetz zur Umsetzung internationaler Regeln zum Fischen von Rotem Thunfisch verabschiedet. Wir Grünen bedauern, dass die Gesetzgebung sich allein an internationale Standards hält und keine ambitionierteren Maßnahmen zum Schutz der vom Aussterben bedrohten Fischart vorsieht, wie vom grünen Berichterstatter Raül Romeva gefordert.

 

Neue EU-Gesetzgebung verhindert nicht die Ausrottung des atlantischen Thunfischs (Pressemitteilung vom 23.05.12)

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3. Russland

 

Wladimir Putin hat mit seinem Wiedereinzug in den Kreml alle Gestaltungsmittel in der Hand, um seine Versprechen von der bevorstehenden Blüte Russlands in die Tat umzusetzen. Er muss das von tiefem Misstrauen zur Macht und Korruption gebeutelte Land reformieren.

 

Präsident Putin regiert wieder mit harter Hand (Pressemitteilung vom 07.05.12)

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4. Parteitag der European Green Party

Vom 11.-13.5.2012 fand in Kopenhagen der 16. Parteitag der Europäischen Grünen Partei statt. Die inhaltlichen Schwerpunkte des EGP Councils, zu dem sich über 250 Delegierte aufmachten, waren die demokratische Reform der EU, Landwirtschaftspolitik im Rahmen des Green New Deal und Sozialpolitik.

 

Alle Beschlüsse des Parteitags (zum Download)

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5. Europäisches Beamtenstatut

 

Der federführende Rechtsausschuss im Europäischen Parlament hat Ende April über die Vorschläge zur Reform des europäischen Beamtenstatuts abgestimmt. Wir Grünen stimmten gegen den Bericht, da die zentrale grüne Forderung, eine progressive Solidaritätsabgabe auf Spitzengehälter einzuführen, nicht aufgenommen wurde. Diese Maßnahme hätte die Bezahlung der EU-Beamten im Sinne der sozialen Gerechtigkeit an die aktuelle Krisensituation in Europa angepasst. Wir Grünen begrüßten aber, dass eine Reihe von anderen grünen Vorschlägen zur Vermeidung von Interessenkonflikten und zum Schutz von "Whistleblowern" in den Bericht aufgenommen wurde.

 

EU-Parlament will Spitzengehaelter nicht kappen - Gruene erreichen Fortschritte bei der Transparenz (Pressemitteilung vom 25.04.12)

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6. Ungarn

 

Die Europäische Kommission hat Ende April bekannt gegeben, dass sie Ungarn wegen der Bedrohung der Unabhängigkeit von Justiz und Datenschutzbehörde vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt. Wir Grünen begrüßen das. Mit ihrer Klage verteidigt die EU-Kommission die europäischen Grundwerte, die von der ungarischen Regierung mit ihren Gesetzen, die die Unabhängigkeit von Justiz und Datenschutzbehörde bedrohen, eklatant verletzt wurden.

 

EU-Kommission mit Klage gegen Ungarn auf dem richtigen Weg (Pressemitteilung vom 25.04.12)

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7. Japan

 

Zum Sicherheitscheck ist Anfang Mai der letzte japanische Atomreaktor Tomari-3 in Hokkaido vom Netz genommen worden. Seit dem letzten Sommer zeigen japanische Meinungsumfragen, dass eine stabile und große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger will, dass die Atomkraftwerke nicht nur überprüft, sondern stillgelegt werden. Für mich ist die politische Entwicklung in Japan nach Fukushima ein weiterer Beleg des unaufhaltsamen Endes der Atomindustrie.

 

Japan seit heute atomstromfrei: Mehrheit will, dass das so bleibt! (Pressemitteilung vom 05.05.12)

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8. Buch: "Ein Tag in Fukushima - eine Woche in Japan"

 

Im Januar 2012 war ich auf Einladung der japanischen NGOs Green Action und Peaceboat zusammen mit Gueorgui Kastchiev, dem ehemaligen Leiter der bulgarischen Atomaufsicht, eine Woche auf Vortragstour in Japan. Es ging um Fukushima und die Folgen. In meinen Reisenotizen, die jetzt als Buch erschienen sind, versuchte ich festzuhalten, wie und was sich in Japan durch die Erfahrung der dreifachen Katastrophe, durch Erdbeben, Tsunami und Atomunfall bewegt und verändert hat.

Das Buch „Ein Tag in Fukushima, eine Woche in Japan" ist im Verlag "Die Brotsuppe" erschienen und im Buchhandel erhältlich. Es werden Lesungen im Wendland (27. Mai), in der Schweiz (10. Juni), in Brüssel (26. Juni) und an anderen Orten in Deutschland stattfinden.

 

Lesung mit Rebecca Harms (Video vom 25.05.12)

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9. Anhörung Endlagersuchgesetzentwurf

 

Unter dem Titel "35 Jahre nach der Standortentscheidung Gorleben: Wie viel Neuanfang steckt im Entwurf für ein Standortauswahlgesetz?" luden Stefan Wenzel und ich am 29. Mai zu einer Anhörung über die wichtigsten Streitfragen des Endlagersuchgesetzentwurfs nach Hannover ein.

Auf der Veranstaltung wurde sehr ernstzunehmende Kritik am bisher vom BMU veröffentlichten Gesetzentwurf für ein Standortauswahlgesetz vorgetragen. Das Misstrauen der Bevölkerung und der Umweltverbände an der Ernsthaftigkeit eines tatsächlichen Neuanfangs bei der Suche ist groß und wurde durch die Position, die das niedersächsische Umweltministerium zu Gorleben am vergangenen Freitag eingenommen hat (Das Bergwerk wird offen gehalten, es wird ein Untertagelabor eingerichtet, in dem "nur noch" generische Forschung stattfindet, in Lüneburg wird das Bundesinstitut für Endlagerung angesiedelt, die Vorläufige Sicherheitsanalyse wird zu einem qualifizierten Abschluss gebracht) noch verstärkt. Die Ergebnisse der Anhörung werden wir aufbereitet in den nächsten Wochen auf der Homepage zur Verfügung stellen. Schon am 11. Juni wird die Debatte auf dem Fachgespräch der Bundestagsfraktion „Neustart bei der Endlagersuche: Wie kommt die Öffentlichkeit zu ihrem Recht?“ fortgesetzt.

 

Fachgespräch von Sylvia Kottin-Uhl (Anmeldung und Programm)

Röttgens Gesetzesentwurf verschärft Vorfestlegung auf Gorleben (Pressemitteilung vom 24.04.12)
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10. Termine

 

10. Juni: Lesung "Ein Tag in Fukushima - eine Woche in Japan" mit Rebecca Harms. Biel (Schweiz)
26. Juni: Lesung "Ein Tag in Fukushima - eine Woche in Japan" mit Rebecca Harms. Brüssel

Mehr Informationen zu den Terminen.


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