Die Nachrichten aus der Türkei
zeigen meiner Meinung nach, dass die Europäische Union ihre Politik
gegenüber der Türkei soweit möglich trennen muss von der
Flüchtlingspolitik. Ich glaube nicht, dass wir diese dauerhaft und
zuverlässig gestalten können, wenn die Union weiter versucht, so zentral
auf die türkische Regierung zu setzen - trotzdem darf der Versuch, mehr Sicherheit und Stabilität in der
Region zu erreichen gerade auch im Interesse der Bürger der Türkei nicht
enden. Neben der Herausforderung eines gemeinsamen, rechtsstaatlichen und humanen
Management der EU-Außengrenzen liegt
der Schlüssel zu einer belastbaren Flüchtlingspolitik weiter im
Bekenntnis europäischer Mitgliedstaaten zur Flüchtlingsaufnahme.
- EU-Türkei
- Untersuchungsausschuss Dieselgate
- Neue Analyse zu Fessenheim
- Atomare Ausbaupläne
- Ungarnreise
- 30 Jahre Tschernobyl
- Folter in der Ostukraine
- Termine
Liebe Freundinnen und Freunde,
der türkische Präsident Erdogan spaltet sein Land immer tiefer. Der Rücktritt des türkischen Ministerpräsidenten Davutoglu, die Verurteilung der regierungskritischen Journalisten Can Dündar und Erdem Gül, Schüsse auf Can Dündar, sogar Schüsse auf Flüchtlinge an der türkisch-syrischen Grenze und die Pläne der Regierungspartei zur Immunitätsaufhebung von mehr als hundert Abgeordneten. Diese unvollständige Liste der Nachrichten aus der Türkei aus nur zwei Wochen dokumentiert Erdogans Weg raus aus demokratischen Regeln.
Die Türkei und die Europäische Union sind und bleiben jedoch aufgrund ihrer Nachbarschaft und ihrer Geschichte verbunden. Der Versuch, mehr Sicherheit und Stabilität in der Region zu erreichen darf auch im Interesse der Bürger der Türkei nicht enden. Die Nachrichten der vergangenen Tage zeigen aber meiner Meinung nach, dass die Europäische Union ihre Politik gegenüber der Türkei soweit möglich trennen muss von der Flüchtlingspolitik. Ich glaube nicht, dass wir diese dauerhaft und zuverlässig gestalten können, wenn die Union weiter versucht, so zentral auf die türkische Regierung zu setzen.
Vor zwei Wochen habe ich zusammen mit meinem Kollegen Benedek Jávor aus Budapest das Niemandsland an der südungarischen Grenze zu Serbien besucht. Vor den Eingängen in die ungarischen Transitzonen unweit der Städte Szeged und Tompa stranden täglich neue Flüchtlingsgruppen. An der Einreise gehindert, warten sie Tage, manchmal Wochen bis sie durch die wenigen Drehkreuztüren im Grenzzaun eingelassen werden. Dem Einsatz von ungarischen Bürgerinitiativen ist zu verdanken, dass sie sporadisch mit Essen und Trinken versorgt werden. Fließendes Wasser oder Toiletten gibt es nicht.
Der Besuch des Niemandslands, aber auch die Berichte aus Griechenland und die Drohungen Erdogans zeigen mir erneut, dass eine der größten Herausforderungen der EU ein gemeinsames, rechtsstaatliches und humanes Management der Außengrenzen ist. Ohne eine europäische Verantwortung für die Außengrenzen wird Schengen nicht funktionieren können.
Neben dieser Herausforderung liegt der Schlüssel zu einer belastbaren Flüchtlingspolitik weiter im Bekenntnis europäischer Mitgliedstaaten zur Flüchtlingsaufnahme. Dazu gehört für mich die Bereitschaft zur Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der Union – nicht nur im Notfall, sondern dauerhaft. Auch darf die Forderung der Vereinten Nationen nach direkter Umsiedlung von Syrienflüchtlingen nicht länger ignoriert werden. In Brüssel hat die Debatte über eine Veränderung des Dublin Systems begonnen, doch bei der Bereitschaft der Mitgliedstaaten mehr Menschen zuverlässig aufzunehmen zeichnet sich noch keine neue Verantwortlichkeit ab. Ich plädiere mit einigen Kollegen im Europaparlament deshalb immer wieder für eine Koalition der Vernunft in einer Gruppe von Mitgliedstaaten, die mit gutem Beispiel vorangehen und dafür aus dem EU-Etat honoriert werden.
Wir dürfen nicht erneut die Verantwortung für Flüchtlinge auf die EU-Länder an den Außengrenzen abwälzen. Und wir müssen bei der Bekämpfung der Fluchtursachen endlich den Worten Taten folgen lassen - sei es im Engagement für ein Ende der Syrienkriege, in der Entwicklungszusammenarbeit, durch eine andere EU-Landwirtschaftsstrategie oder beim internationalen Klimaschutz. So wichtig es ist für mehr Aufnahme zu sorgen, so wichtig ist es doch angesichts der UN Flüchtlingszahlen die anderen Aufgaben nicht weiter zu vernachlässigen.
1. EU-Türkei
Das türkische Parlament berät diese Woche über Pläne, die Immunität 130
türkischer Abgeordneter einzuschränken. Sollte die Immunitätsregel in
der Türkei tatsächlich verändert werden, um leichter gegen die
Opposition vorgehen zu können, müsste zwischen der EU und der Regierung
in Ankara geklärt werden, ob grundlegende Voraussetzungen für
Verhandlungen oder auch das Visaabkommen gegeben sind. Die Entwicklung
zeigt auch, dass es falsch ist, die Europäische Flüchtlingsstrategie
zentral auf Abkommen mit der Türkei zu stützen.
Erdogan lässt Zusammensetzung des Parlaments korrigieren, Pressemitteilung von Rebecca Harms vom 17.05.2016
Immunität wird im Probe-Voting aufgehoben, ZEIT online vom 17.05.2016
EU-Parlament: Visaliberalisierung nur nach Einlenken Erdogans, SZ online vom 10.07.2016
Videomitschnitt Pressebriefing der Fraktionsvorsitzenden Rebecca Harms und Philippe Lamberts zu den zentralen Fragen der Plenarwoche, 10.05.2016
2. Untersuchungsausschuss Dieselgate
Durch die ersten Befragungen des Joint Research Center der Europäischen
Kommission und der Nichtregierungsorganisation ICCT im
Untersuchungsausschuss des Europäischen Parlaments wurde bekannt: ab
März 2014 standen den Behörden in den Mitgliedstaaten und der EU
Kommission Informationen über Diskrepanzen zwischen Testergebnissen und
Grenzwerten zur Verfügung, die in den USA zur systematischen
Untersuchung geführt haben. In der EU blieben die Konsequenzen trotz
vergleichbarer Informationen aus. Im Juni und im Juli werden ehemalige
und derzeitige EU-Kommissare, zum Beispiel Antonia Tajani, vor den
Ausschuss geladen.
Alle wichtigen Dokumente des Ausschusses, zum Beispiel die schriftlichen
Antworten der beiden eingeladenen Organisationen, auf unserer
Dieselgate-Seite:
http://dieselgate.gruene-efa.eu/
„Der Diesel wird zur Altlast“, ZEIT online, 10.05.2016
„Noch ein langer Weg in die Zukunft“, Blog von Rebecca Harms über ihren VW-Besuch in Wolfsburg
3. Atomare Ausbaupläne
Die EU-Kommission strebt den Ausbau der Atomtechnologie in Europa an,
das geht aus einen Leak des so genannten SET Plans der EU Kommission
hervor. Das Dokument knüpft dabei an das PINC Papier an, das die
Kommission im März 2016 vorgelegt hat. Nach dem Vorstoß für
Laufzeitenverlängerung bis zu 60 Jahre kommt aus den Tiefen der
Generaldirektion Forschung nun auch noch die irre Idee, die Entwicklung
dezentraler Mini-AKWs zu fördern. Das ist der riskanteste Weg zum
Klimaschutz - zumal es sichere Alternativen gibt.
Geleaktes Kommissionspapier enthüllt Pläne für massiven Ausbau der Atomenergie, Pressemitteilung von Rebecca Harms vom 17.05.2016
Grüne kritisieren die Atom-Pläne der EU, Hannoversche Allgemeine online, 17.05.2016
Gegenstudie zum PINC-Papier im Auftrag der Grünen/EFA
4. Neue Analyse zu Fessenheim
Im französischen AKW Fessenheim kam es im April 2014 zu einer
Überschwemmung, in deren Folge sich der Reaktor kurzfristig nicht mehr
steuern ließ. Rebecca hat den Vorfall von Prof. Manfred Mertins
analysieren lassen. Die Bewertung bestätigt erneut, dass der
Weiterbetrieb des AKW Fessenheim große Risiken birgt. Der ursprüngliche
Plan der französischen Regierung die Reaktoren stillzulegen muss endlich
umgesetzt werden.
Atomkraftwerk Fessenheim: Neue Analyse des Störfalls vom 9.4.2014
Gutachten zu Fessenheim: Betreiber soll falsche Angaben gemacht haben, Badische Zeitung vom 22.04.2016
Hendricks bittet um Abschaltung von Atomreaktoren, Deutschlandfunk vom 21.04.2016
5. Ungarnreise
Rebecca ist mit ihrem Grünen Kollegen Benedek Jávor ins „Niemandsland“
an der südungarischen Grenze zu Serbien gereist. Vor den Eingängen in
die ungarischen Transitzonen unweit der Städte Szeged und Tompa stranden
täglich neue Flüchtlingsgruppen. Die unwürdige Lage dort zeigt, wie
dringend wir eine verantwortliche Strategie, eine gemeinsame europäische
Flüchtlingspolitik brauchen.
Wie kommt Europa aus der Flüchtlingskrise?, Rebeccas Blog vom 12.05.2015
Rebeccas Fototagebuch
6. 30 Jahre Tschernobyl
Rebecca reiste anlässlich des Jahrestags der Tschernobylkatastrophe Ende
April zu mehreren Konferenzen und Veranstaltungen in Kiew und Minsk. Am
Jahrestag selber besuchte sie im Rahmen der offiziellen Gedenkfeiern
die Sperrzone und besichtigte auch den neuen Sarkophag, der Ende des
Jahres über den havarierten Reaktorblock 4 geschoben werden soll. Schon
zuvor in Berlin hatte Rebecca mit der in der Ukraine geborenen
Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch über ihr Buch „Tschernobyl.
Eine Chronik der Zukunft“ gesprochen. Das Interview erschien in der taz.
„Das Böse ist total geworden“, Alexijewitsch und Harms zu Tschernobyl im taz Gespräch
TORCH - Der andere Bericht über Tschernobyl, Dr. Ian Fairlie in einer aktualisierten Version zu den gesundheitlichen Folgen der Tschernobyl-Katastrophe
7. Folter in der Ostukraine
Das Ausmaß von Kriegsverbrechen in der umkämpften Ostukraine nimmt
laufend zu und ist größer als bisher bekannt.
Menschenrechtsorganisationen machen dafür vor allem Gegner der Regierung
verantwortlich und haben die gängige Praxis aus Folter und
Verschleppung dokumentiert. Auf der Grundlage dieser Berichte muss nun
vor allem mit Russland neu geredet werden, fordert Rebecca.
"Es hat mich in den Details überrascht, aber nicht in der Dimension", Rebecca Harms in DLF Interview am 18.05.2016
Berichte der Menschenrechtskoalition "Justice for Peace in Donbas"
8. Termine
26. Mai: Grenzerfahrung: Asyl- und Flüchtlingspolitik in Europa, Europapolitische Jahrestagung der HBS, Berlin
27. Mai: Polens Zukunft - Diskussion in der Kulturhauptstadt 2016, Breslau, Polen
10. Juni: "Atommüll - wohin damit?", Jugendkonferenz des Stiftungsverbunds der Böll-Stiftung, Berlin
12. Juni: Delegationsreise EP Abgeordneter zur Pride 2016 in Kyiv und zu Gesprächen zur Menschenrechtslage
14.-15. Juli: Polish Green Summer School, Warschau, Polen
Mehr Infos zu den Terminen unter http://rebecca-harms.de/events