Ein sonniger, frischer Montagmorgen ist das, als wir unseren Besuch bei VW auf der Teststrecke beginnen.
Die gesamte Baureihe „e-Mobility“ steht zum Probefahren für meine Mitarbeiterin und mich bereit. Sie reicht vom futuristischen XL1, bei dem VW zeigen wollte „was technisch so geht“ und der aerodynamisch flundermäßig auf der Straße liegt, bis zum 200 PS starken Golf GTE, einem sehr schnellen Plug-In-Hybrid, der je nach Antriebseinstellung lautlos oder laut jaulend die Steilkurve nimmt. Anfang 2017 soll es den GTE mit einer elektrischen Reichweite bis zu 400 km geben.
Geht doch, denke ich, während wir zu einem Treffen mit Markenvorstandschef Dr. Herbert Diess gefahren werden. Ich bin beeindruckt von den fünf Zukunftsmodellen, die uns da präsentiert wurden und frage mich, warum VW nicht eher und intensiver die E-Mobilität verfolgt hat. Für Diess, den wir im Bürogebäude treffen, scheint der späte Wandel von VW kein Problem zu sein. Wenn die Politik mitziehe, könnten ab jetzt die E-Autos in den Markt gedrückt werden. Von jetzt auf gleich eine 180 Grad Wende, wenn es nach ihm ginge.
Trotz der beeindruckenden Präsentationen bei VW bleiben Fragen, was die Wendung angeht. Nicht nur, weil es für einen Massenhersteller wie VW, mit seinen standardisierenden Prozessen, seinem Baukastensystem besonders schwer ist von heute auf morgen umzusteuern. Sondern auch, weil für mich klimafreundliche Mobilität mehr ist als das Setzen auf E-Mobilität. Zu einer ökologischen, gesundheits- und umweltfreundlichen Mobilität gehören effiziente E-Autos, die sich ausschließlich aus erneuerbaren Energien speisen und den Strom auch systemstabilisierend speichern. Dazu gehören Akkus, bei deren Herstellung auf dreckige Rohstoffe und fossile Energie verzichtet wird. Dazu gehören aber auch umfassende, zukunftstaugliche Verkehrskonzepte, die nicht nur auf den Ausbau der Infrastruktur für E-Mobilität setzen, sondern auch das Verkehrsaufkommen generell reduzieren, indem sie auf Carsharing setzen, Fahrradfahrern die Vorfahrt gewähren und den öffentlichen Nahverkehr attraktiver machen. Wir brauchen dafür eine clevere, wohldurchdachte politische Rahmensetzung.
Bei meinem Besuch wurde aber auch klar, dass, bei aller Aufbruchsstimmung für neue Antriebstechnologien, der Dieselskandal noch längst nicht überstanden ist. Die außergerichtliche Einigung in den USA schafft eine Überschaubarkeit der Belastungen dort. Aber VW wird noch viel leisten müssen, um Lösungen für alle Modelle zu finden, die umgerüstet werden müssen und der Imageschaden ist gewaltig. Ich kann gut verstehen, dass die Beschäftigten die Boni-Zahlungen an die Manager unanständig finden angesichts ihrer eigenen Sorgen um die Zukunft bei VW.
Längst ist aber auch klar, dass der Skandal alle Automobilhersteller betrifft. Spätestens wenn die Straßentests flächendeckend eingeführt werden, müssen auch die anderen umdenken. Ein Wandel in der Flotte weg von Dieselantrieben in Kleinwagen ist deshalb sicherlich bei allen Herstellern unausweichlich.
Durch die ersten Befragungen im Untersuchungsausschuss des Europäischen Parlaments zu Dieselgate wurde bekannt: ab März 2014 standen den Behörden in den Mitgliedstaaten und der EU Kommission Informationen über Diskrepanzen zwischen Testergebnissen und Grenzwerten zur Verfügung, die in den USA zur systematischen Untersuchung geführt haben. In der EU blieben die Konsequenzen trotz vergleichbarer Informationen aus.