Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#newsletter    31 | 10 | 2012

Newsletter 10/12

Liebe Freundinnen und Freunde,

auch wenn das Wahlergebnis in der Ukraine zeigt, dass neue Parteien in der Ukraine antreten und Zustimmung gewinnen können – waren diese Parlamentswahlen nach OSZE-Maßstab weder frei noch fair. Insbesondere, wenn man neben dem Urnengang am Wahltag auch den Wahlkampf und das gesamte politisch-gesellschaftliche Umfeld dieser Wahl betrachtet. Denn dank der Langzeitbeobachter der OSZE aber auch dank des großen Engagements ukrainischer Beobachter wissen wir:

Es hat wieder Druck auf Wählerinnen und Wähler gegeben. Gedroht wurde mit dem Verlust des Arbeitsplatzes – nicht nur in der Verwaltung, sondern auch in privaten Unternehmen. Stimmen wurden gekauft, dabei haben sich Direktkandidaten beim Preis für eine Stimme gegenseitig überboten – die Verlockung zur Korruption war durch die Bedeutung der Direktmandate sehr groß. Für die Oppositionsparteien war es schon schwer eine faire Zahl von Wahlkreisen zu bekommen. Viele Oppositionskandidaten sind mit "technischer" Begründung abgewiesen worden. In den Auseinandersetzungen um die Direktmandate konnten die Kandidaten der Regierungspartei und Freunde aus „technischen Parteien“ institutionelle Macht und finanzielle Mittel missbrauchen, um Wähler für sich einzunehmen. Und die führenden Oppositionspolitiker sitzen im Gefängnis. So bleibt mir nur die Einschätzung, dass diese Parlamentswahlen einen großen demokratischen Rückschritt darstellen.

Die Hoffnung, ein Signal für Demokratie an die Teheraner Regime zu senden, hat uns Fraktionsvorsitzende des Europaparlaments dazu bewogen, den diesjährigen Sacharow-Preis für Menschenrechte an zwei inhaftierte Iraner zu verleihen: die Anwältin Nasrin Sotoudeh und den Filmemacher Jafar Panahi. Eigentlich sollte eine fünfköpfige Delegation des Europaparlaments in den Iran reisen und die Einladung zur Preisverleihung den ausgezeichneten Oppositionellen persönlich übergeben. Die Delegationsreise wurde von allen Fraktionsvorsitzenden im Europäischen Parlament einmütig beschlossen. Seit Jahren war keine Delegationsreise in den Iran zustande gekommen, weil das iranische Parlament jedes Mal in letzter Sekunde absagte. An der Spitze der Delegation sollte eine Expertin für atomare Abrüstung stehen, die finnische Grünen-Abgeordnete Tarja Cronberg. Ihr ging es nicht um Appeasement-Politik, sondern um die politische Debatte mit Akteuren der Zivilgesellschaft vor Ort.

Nachdem am Samstag die Regierung in Teheran den Besuchsantrag abgelehnt hatte, sagten die Delegierten die Iran-Reise jedoch kurzfristig ab.

In Straßburg habe ich mich mal wieder sehr über die oberen Herren geärgert. Ich finde, Herr Barroso hätte Kommissarin Reding vehementer für ihren Quotenvorschlag unterstützen können. Und anders als Herr van Rompuy wollen wir Grüne schon heute eine Frau im Zentrum der Macht der EZB, nicht erst ab 2018.

Die Verleihung des Friedensnobelpreises an die Europäische Union war für mich wie eine Lieberklärung an das europäische Projekt, das uns zwar gerade sehr viel Mühe macht, für das es sich aber zu kämpfen lohnt. Von Kampfgeist war auf dem letzten EU-Gipfel aber nichts zu spüren. Der Appell des Nobelkomitees scheint ungehört verpufft zu sein.

Zwischen Brüssel, Athen und Straßburg werde ich in den kommenden Monaten auch den niedersächsischen Wahlkampf unterstützen und mich Fragen zu Fracking, zur Eurokrise, zur EU Agrarreform und Massentierhaltung, zu den EU-Stresstests für AKW, zur Endlagersuche in Deutschland oder der Fukushima-Katastrophe stellen. Weitere Informationen zu den Terminen erhaltet Ihr wie immer auf meiner Homepage.

Grüße. Rebecca

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1. Sacharow-Preis 2012
Das EU-Parlament verleiht den diesjährigen Sacharow-Preis an zwei inhaftierte iranische Menschenrechtsaktivisten: die Anwältin Nasrin Sotoudeh und den Filmemacher Jafar Panahi. Das Europaparlament würdigt die Preisträger für ihren unermüdlichen Einsatz für Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten im Iran und sendet ein starkes politisches Signal an das Regime in Teheran. Die Preisvergabe findet am 12. Dezember in Straßburg statt.

Preisverleihung an iranische Aktivisten erhöht Druck auf Teheraner Regime (Pressemitteilung von Rebecca Harms vom 26.10.2012)

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2. Parlamentswahl in der Ukraine
Die erste Bewertung der Parlamentswahlen in der Ukraine durch OSZE, Europarat, ODIHR und durch die Delegation des Europäischen Parlaments ist sehr viel negativer ausgefallen als bei den Wahlgängen in den Jahren 2008 und 2010. Insbesondere, wenn man neben dem Urnengang am Wahltag auch den Wahlkampf und das gesamte politisch - gesellschaftliche Umfeld dieser Wahl betrachtet.
Rebecca hat als Vize-Vorsitzende der Wahlbeobachtungsmission des Europäischen Parlaments den Urnengang in Lemberg (Lviv) beobachtet. In ihrem Blog hat sie ausführlich von der Wahlbeobachtung berichtet.

Harms warnt vor vorschneller Anerkennung der Wahlen - "Fairer Wahlkampf war nicht möglich" (Pressemitteilung von Rebecca Harms vom 29.10.2012)
Rebeccas Bericht von der Wahlbeobachtungsmission (in ihrem Blog)
Janukowitsch-Partei gewinnt Parlamentswahl in der Ukraine (Die Welt, 30.10.2012)

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3. EU-Frauenquote
Die Europäische Kommission hat die Vorstellung ihres Gesetzesvorschlags für eine verbindliche Frauenquote in Aufsichtsräten vertagt. Die EU-Kommission konnte sich bei ihrer Sitzung am Dienstag in Straßburg nicht auf einen Gesetzentwurf für eine europaweit verbindliche Frauenquote für Aufsichtsräte in der EU einigen. Wir Grüne kritisieren den Rückzieher der Kommission scharf. Frau Redings Vorschlag, ab 2020 eine verbindliche Quote für das unterrepräsentierte Geschlecht in Aufsichtsräten einzuführen war längst überfällig. Am 14. November hat sich die Kommission das Thema erneut auf die Tagesordnung gesetzt. Bis dahin rufen die Grünen zur Unterstützung ihrer Kampagne „Get women on board“ auf!

EU-Kommission vertagt Entscheidung zur Frauenquote (Artikel auf der Europagruppen-Homepage)
Greens/EFA Kampagne für eine gesetzliche Frauenquote in Aufsichtsräten

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4. EZB-Direktorium
Das Plenum des Europaparlaments schloss sich dem Votum des ECON Ausschusses vom Montag an und lehnte die Berufung von Yves Mersch in das sechsköpfige Direktorium der Europäischen Zentralbank Ende der vergangenen Woche ab. Grund dafür ist, dass die Mitgliedsstaaten trotz mehrfacher und frühzeitiger Aufforderungen keine weibliche Kandidatin für den im Mai freigewordenen Posten in Erwägung gezogen haben. Damit sendet das Europaparlament ein starkes politisches Signal, auch wenn das Votum nicht bindend ist.

Europäische Konservative zeigen fragwürdiges Rechtsstaatsverständnis (Pressemitteilung von Sven Giegold vom 25.10.2012)
Ins Zentrum der Macht (Frankfurter Rundschau-Artikel vom 24.10.2012)

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5. Sitz des Europaparlaments
Bisher reist das Europäische Parlament zwölf Mal im Jahr zu den Plenarsitzungen nach Straßburg, während die tägliche Arbeit inklusive der Ausschuss- und Fraktionssitzungen in Brüssel stattfindet. Die Europaparlamentarier sprachen sich am vergangenen Mittwoch dafür aus, die aktuelle Praxis zu beenden. Nicht zuletzt auf Druck von uns Grünen hat das Parlament entschieden, in diesem Jahr nur elf Mal nach Straßburg zu reisen und eine Doppel-Plenarsitzung im Oktober in Straßburg abzuhalten. Wir hoffen, dass der EuGH die Zusammenlegung der Sitzungswochen bestätigt, und fordern eine Grundsatzdebatte im Plenum im November.

Parlamentarier fordern Mitsprache bei Sitzentscheidung (Pressemitteilung von Helga Trüpel vom 23.10.2012)

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6. Friedensnobelpreis für die EU
Diese überraschende Entscheidung des wieder einmal mutigen Nobelkomitees gibt den Europäerinnen und Europäern Anlass zur Freude. Und hoffentlich wird der Anlass auch dafür wahrgenommen, wieder einmal größer zu denken. Denn diese Europäische Union von heute, unvollkommen und oft langsam in ihren Entscheidungen, ist das vielleicht wichtigste demokratische Werk der Politik für das Wohlergehen der Menschen auf diesem Kontinent. Und dieses Werk ist weiter im Werden.

Friedensnobelpreis für die Europäische Union! (Artikel von Rebecca Harms auf ihrer Homepage)
EU als Friedensmacht gewürdigt - Nobelkomitee erinnert uns Europäer in der Krise an unsere Stärken (Pressemitteilung von Rebecca Harms und Dany Cohn-Bendit vom 12.10.2012)
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7. EU-Stresstests für AKW
Am 4. Oktober präsentierte EU-Kommissar Günther Oettinger die Ergebnisse der europaweiten "Stresstests" für Atomkraftwerke. Die Liste der Mängel ist lang: Mindestens 10-25 Milliarden Euro würde die Nachrüstung kosten. Doch das ist nicht mehr als die Spitze des Eisbergs. Denn schon im vergangenen Jahr haben die Grünen in einer unabhängigen Studie gezeigt: Die Tests klammern viele Sicherheitskriterien vollkommen aus. Selbst wenn die bislang erkannten Mängel behoben würden, wären die europäischen Meiler weit davon entfernt, sicher zu sein.

AKWs: Nicht sicher und nicht versichert (Pressemitteilung von Rebecca Harms vom 04.20.2012)
Mitteilung der Kommission
Zusammenfassung und technische Details
Grüne Studie The European “Stress test” for Nuclear Power Plants

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8. Endlager-Verhandlungen
Warum scheitern bislang alle Versuche, sich auf ein im Konsens getragenes Endlagersuchgesetz zu verständigen? Rebecca fordert in ihrem taz-Kommentar eine überparteiliche Kommission, die sich mit einem ausreichenden Zeithorizont der Bewertung nicht nur die aktuelle Lage, sondern auch der verrückt leichtfertigen Entscheidungen der frühen Entsorgungspläne der Bundesrepublik widmet.

„Bürger einbeziehen“ (Rebeccas taz-Kommentar vom 23.10.2012)
„Anforderungen an ein Auswahlverfahren für Endlagerstandorte für wärmeentwickelnde radioaktive Abfälle“ (Diskussionspapier von Detlef Appel und Jürgen Kreusch, August 2012)
Harms: Der Prozess muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden! (Pressemitteilung von Rebecca Harms vom 27.09.3012)

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9. Termine
26.-31. Oktober: Wahlbeobachtung in der Ukraine mit der Delegation des Europäischen Parlaments, Ukraine.
30. Oktober: „Die Ukraine nach der Parlamentswahl 2012: Wie geht es weiter?“, Podiumsdiskussion organisiert von der Heinrich-Böll-Stiftung, Kiew.
31. Oktober: „Fracking - Was ist das?“, mit Miriam Staudte und Detlev Schulz-Hendel, Lüneburg.
1. November: DGB-Konferenz „Kurs auf ein soziales Europa“, HBS, Berlin.
9.-11. November: EGP Council in Athen, Griechenland.
16.-18. November: Grüne BDK, Hannover.


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