Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#newsletter    27 | 05 | 2013

Newsletter 05/13


Liebe Freundinnen und Freunde,

der EU-Gipfel am vergangenen Mittwoch sollte eigentlich längst überfällige Schritte gegen Steuerflucht und Steuerhinterziehung beschließen, doch wichtige Entscheidungen wurden auf Dezember vertagt. Und über die Steuervermeidungsstrategien der großen, internationalen Unternehmen, die durch die großen Unterschiede der Unternehmensbesteuerung in den Mitgliedstaaten ermöglicht werden, wurde erst gar nicht gesprochen.

Dabei sind es die Konzerne, die für den größten Teil der geschätzten 1.000 Milliarden Euro verantwortlich sind, die den Mitgliedstaaten jedes Jahr durch illegale Steuerflucht und legale Steuervermeidung durch die Lappen gehen. Wir Grüne fordern seit langem, dass man bei der Unternehmenssteuer endlich zu einer einheitlichen Bemessungsgrundlage kommt. Unser Ziel ist, dass Umsatz und Gewinne in dem Land besteuert werden, in dem sie anfallen. Diese andauernde Zögerlichkeit in der Bekämpfung der Steuerflucht und der Steueroasen, diese Zögerlichkeit, die wir auch bei der Bankenunion kennen, ist ein überzeugender Grund, Angela Merkel und mit ihr Jose Manuel Barroso abzuwählen.

Überschattet wurde dieser „Mini-Gipfel“ von einer bewusst fehlgeleiteten Debatte über die europäische Energiepolitik. Es ist auffällig, wie sehr sich der Ton dieser Debatte hier in Brüssel in letzter Zeit verändert hat. Grundsätzliche Ziele der europäischen Klima- und Energiepolitik, auf die man sich bereits geeinigt zu haben schien, werden offen in Frage gestellt. Die Abstimmung zum Backloading ist dafür ein Beispiel, die Öffnung für unkonventionelle fossile Ressourcen und die Subventionierung von Neubau von Atomkraftwerken sind weitere Indizien für einen Angriff auf die bisherige Klima- und Energiestrategie. Mein Kollege Yannick Jadot aus Frankreich hat das als Konterrevolution bezeichnet. Sowohl im laufenden deutschen als auch im europäischen Wahlkampf im nächsten Jahr sind wir Grüne von Merkel und Oettinger neu herausgefordert. Selten war so klar: die vernünftige Energiewende gibt es nur mit uns!

Was passierte in Straßburg sonst? Wir haben eine Resolution zum geplanten transatlantisches Handels- und Investitionsabkommen zwischen der EU und den USA verabschiedet. Unsere Grünen Änderungsanträge zu dem Mandat zielten auf die Klärung großer Zweifelsfragen, die wir bei diesem Vorhaben hegen. Zum einen bereitet uns die große Intransparenz Bauchschmerzen, die dieses geplante Abkommen umgibt, zum anderen ist es der Inhalt, der uns zweifeln lässt. Der Mandatsentwurf der Kommission blieb jedenfalls sehr schwammig. Welche Handelsbeschränkungen gibt es denn, die mit diesem Übereinkommen unbedingt abgeschafft werden sollen? Wer schreit in der EU nach US-amerikanischen Autos? Warum will die Kommission die Möglichkeit zu Schiedsgerichtsklagen für Investoren in das Abkommen aufnehmen, obwohl sowohl die USA als auch die EU sehr gut funktionierende Gerichtssysteme besitzen?

Grüße.
Rebecca

^


1. EU-Gipfel: Energie und Steuern
Der Mini-EU-Gipfel vom 22. Mai hätte überfällige Maßnahmen gegen Steuerflucht und Steuerhinterziehung auf den Weg bringen sollen, hat aber alle konkreten Entscheidungen auf Dezember verschoben. Stattdessen wurde das Treffen von einer völlig fehlgeleiteten Debatte über die europäische Energiepolitik überschattet. Die mögliche Förderung von Atomenergie und von Schiefergas steht im absoluten Widerspruch zu allen bisherigen Bekenntnissen zu Klimaschutz und erneuerbaren Energien.

EU-Gipfel: Kampf gegen Steuerflucht und Steuerbetrug verschoben - Rolle rückwärts in der Energiepolitik (Pressemitteilung von Rebecca Harms vom 22.05.2013)
Pressebriefing vom 21.05.2013 mit Rebecca Harms und Sven Giegold
Harms fordert zum Handeln gegen Steuermanipulationen auf (MoMa- Interview vom 21.05.2013)
Große Symbole gegen kleine Sünder (taz-Artikel vom 22.05.2013)
Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 22.05.2103

^


2. Steuerflucht und Steuerhinterziehung
Das Europäische Parlament hat am Dienstag einen Bericht angenommen, in dem es seine Forderungen zur Bekämpfung von Steuerflucht und Steuerhinterziehung festlegt. Unser Ziel ist, endlich zu einer gemeinsamen Bemessungsgrundlage für die Unternehmenssteuer zu kommen, um zu verhindern, dass sich Unternehmen - völlig legal! - für die Versteuerung ihrer Gewinne, das Land aussuchen, in dem es die günstigsten Konditionen gibt. Die Offenlegung solcher Praktiken von Unternehmen wäre ein erster Schritt.

Lippenbekenntnisse reichen nicht - EU-Gipfel muss strenge Maßnahmen gegen Steuerflucht beschließen (Pressemitteilung von Rebecca Harms und Sven Giegold vom 21.05.2013)

^


3. Freihandelsabkommen mit den USA
Das Europaparlament hat mit der Mehrheit von Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen einem Entschließungsantrag zum Freihandelsabkommen zwischen EU und USA zugestimmt und gibt der Kommission damit grünes Licht für die Verhandlungen. Wir Grünen konnten uns weder mit unserem eigenen Entschließungsantrag noch mit unseren Änderungsanträgen durchsetzen. Wir hatten den Ausschluss von Investor-Staat-Klagemöglichkeiten gefordert, mehr Transparenz in den Verhandlungen und eine Garantie, dass Umwelt- und Sozialstandards nicht unterlaufen werden. Als einziger Erfolg ist zu vermerken, dass das Parlament dem Ausschluss der kulturellen und audiovisuellen Dienstleistungen vom Verhandlungsmandat zugestimmt hat.

Grüner Entschließungsantrag zum geplanten Handels- und Investitionsabkommen
Transatlantisches Handels- und Investitionsabkommen (Pressemitteilung von Reinhard Bütikofer und Ska Keller vom 23.05.2013)

^


4. Bankenunion
Am vergangenen Mittwoch hat das Europaparlament mit breiter Mehrheit den im März mit dem Rat ausgehandelten Kompromiss zur gemeinsamen europäischen Bankenaufsicht mit sehr breiter Mehrheit bestätigt. Im Rahmen der Verhandlungen konnten wir einige wichtige grüne Forderungen durchsetzen. So wird die neue Aufsicht verpflichtet, kleine Banken nicht mit zentralistischen, bürokratischen Regeln zu überfordern. Das wird zukünftig im europäischen Recht festgeschrieben und besonders Sparkassen und Genossenschaftsbanken helfen. Die neue Bankenaufsicht wird unter demokratische Kontrolle des Europaparlaments gestellt, auch für die nationalen Parlamente haben wir stärkere Kontrollrechte herausgeholt.

Bankenunion: Neue Bankenaufsicht wird unter demokratische Kontrolle des Europaparlaments gestellt (Pressemitteilung von Sven Gielgold vom 22.05.2013)

^


5. Offshore-Förderung von Öl und Gas
Das Europäische Parlament hat am 21.Mai einen Bericht zu den Offshore-Aktivitäten des Öl- und Gassektors angenommen. Aus Grüner Sicht verfehlt diese Richtlinie das Ziel, die europäischen Gewässer vor einer Ölkatastrophe zu schützen, vollständig. Insbesondere durch den Druck aus den Ländern, die Öl im Meer fördern, wurden zentrale Forderungen des Parlaments (z.B. zur Haftung) verworfen. Wir Grüne werden daher versuchen, die Forderung nach einem Moratorium für die Ölförderung in der Arktis und in wichtigen Tourismusgebieten (kanarische Inseln) im Plenum erneut zur Abstimmung zu bringen. So wären zumindest Umwelt und Küstenbewohner in diesen besonders sensiblen Gebieten geschützt.

Verpasste Chance für einen besseren Schutz der Meere und der Küsten Europas (Pressemitteilung von Rebecca Harms vom 21.05.2013)

^


6. CO2-Emissionen von kleinen Nutzfahrzeugen
Der Umweltausschuss des Europaparlaments hat Anfang Mai über den Vorschlag zur Umsetzung der CO2-Ziele für leichte Nutzfahrzeuge für 2020 abgestimmt. Wir Grüne bedauern, dass das 2020-Ziel nicht verschärft wurde und beschreiben auch den anvisierten Zielbereich für 2025 als zu wenig ehrgeizig. So bleibt der Innovationsschub in diesem Bereich aus.

CO2-Emissionen von kleinen Nutzfahrzeugen: Verbraucher und Klima bleiben auf der Strecke (Pressemitteilung von Rebecca Harms vom 07.05.2013)
^

7. Verfassungsänderungen in Ungarn
Seit Viktor Orbán die Parlamentswahlen 2010 in Budapest mit einer Zweidrittelmehrheit gewann, hat er dem Land insgesamt vier Verfassungsnovellen verordnet. Nach und nach wird jede Pluralität unterbunden. Was steckt hinter den bedenklichen Gesetzes- und Verfassungsänderungen der Regierung Orbán? Und was kann die EU tun, um diese Entwicklung aufzuhalten? Unser Büro hat einen Hintergrund zusammengestellt, der auch auf die Vorschläge des grünen Kollegen Rui Tavares eingeht.

Ungarns Verfassungsänderungen - ein Hintergrund (auf www.rebecca-harms.de)
EU-Parlament will Ungarn das Stimmrecht entziehen (Die Welt, 08.05.2013)

^


8. Mahnmal Beluga I in Gorleben
Die Grafen von Bernstorff haben einen gemeindefreien Teil ihres Waldes nahe des Erkundungsbergwerks für die Aufstellung der Beluga I freigegeben. Dort ging das Aktionsschiff, das in seiner jahrzehntelangen Geschichte an unzähligen Protestaktionen gegen den verantwortungslosen Umgang mit Atommüll beteiligt war, vor Anker, um fortan vor den Toren des Erkundungsbergwerks eine reelle Endlagerpolitik anzumahnen.

Ehemaliges Greenpeace-Aktionsschiff wird in Gorleben als Mahnmal aufgestellt (Pressemitteilung vom 13.05.2013)
Harms: "Gorleben ist nicht geeignet" (NDR 1-Interview vom 13.05.2013)

^


9. EGP Council Madrid
Der Parteitag der Europäischen Grünen Partei fand vom 10.-12. Mai in Madrid stand im Zeichen der Krise und ihren Auswirkungen auf junge Menschen. Außerdem wurden Resolutionen zu Rentenpolitik und digitalen Rechten verabschiedet sowie die ersten Eckpunkte für die Kampagne zur Europawahl festgelegt. So stimmte der Council mit großer Mehrheit für die Durchführung einer europaweiten Online-Urwahl der Spitzenkandidaten und Kandidatinnen („Primaries“). Der nächste Council findet am 10-11. November in Brüssel statt.

Beschlüsse des EGP Councils

^


10. BDK Berlin
Unter dem Motto „Deutschland ist Erneuerbar“ hat Ende April die 35. Bundesdelegiertenkonferenz in Berlin getagt. Rebecca berichtete aus der Europafraktion, es gab kämpferische Reden über das grüne Steuerkonzept, die Endlagersuche und Merkels EU-Klimapolitik. Am Ende wurde das Wahlprogramm ohne Gegenstimme beschlossen. Zum grünen Steuerkonzept gibt es einen Hintergrund mit Rechenbeispielen auf www.gruene.de.

Bericht aus der Europafraktion (Rebeccas BDK-Rede vom 27.04.2013)
In die Zukunft investieren und Schulden abbauen: So geht's (Grünes Steuerkonzept mit Rechenbeispielen)

^


11. Termine
29. Mai: "Europa ist erneuerbar. Grüne Alternativen für Deutschland und Europa.", Pressekonferenz von Rebecca Harms und Jürgen Trittin zur politischen Agenda bis zu den Europawahlen
31. Mai - 2. Juni: BMU Symposium zum Standortauswahlgesetz, Berlin.
6. Juni: Greens/EFA Conference "The European Arms Exports, Peace, Human Rights and Democracy", European Parliament, Brussels.
6. Juni: JMCE Caféhausdebatte "Zukunft der Europäischen Union: Herausforderungen und Chancen", Osnabrück.
17. Juni: Dublin Climate Gathering, Dublin.


#newsletter   #steuerpolitik   #freihandelsabkommen   #eurokrise   #emissionen   #ungarn   #gorleben   #endlagersuche   #europwahl 2014