In Straßburg standen vergangene Woche z wei kontroverse Abstimmungen auf der Tagesordnung, bei denen die Grüne/EFA Fraktion nicht geschlossen abstimmte: Die Annahme eines Verhandlungsmandats zur Überarbeitung der EU-Urheberrechtsreform und die Reform des Europawahlrechts . Am kommenden Donnerstag urteilt der EuGH über Klagen gegen die Finanzierung des Reaktorneubaus des britischen Atomkraftwerks Hinkley Point. Mal wieder ein Grund, sich mit dem seit 60 Jahren weitgehend unveränderten Euratom-Vertrag neu zu befassen . Dann ist auch schon fast Sommerpause. Vorher diskutiere ich noch mit den polnischen Grünen auf ihrer Sommeruni über die politische Lage in Polen und der EU, über den Klimagipfel in Katowice und nachhaltige Entwicklung und reise anschließend nach Litauen...
- Euratom-Reform
- Wahlen in der Türkei
- FIFA: Play Fair
- Making Peace in Donbas?
- Neuzugänge in der Grünen/EFA Fraktion
- Termine
Liebe Freundinnen und Freunde,
in der Straßburgwoche stand am Donnerstag die Annahme eines Verhandlungsmandats zur Überarbeitung der EU-Urheberrechtsreform zur Abstimmung. Das Votum hatte schon im Vorfeld für viele Emails in unserem Posteingang gesorgt. Die Netzgemeinde befürchtet das Ende des freien Internets durch zu viel staatliche Regulierung und Zensur. Ihre Vertreter, wie die Mehrheit meiner Fraktionskollegen, lehnten das Verhandlungsmandat ab.
Ich habe für das Mandat gestimmt, nachdem ich seit Jahren die Debatte und Positionierung der KünstlerInnen und der Kreativwirtschaft verfolge. Es war für mich nie nachvollziehbar, mit welcher Hemdsärmeligkeit sich Piraten und andere dazu verhalten. Seit ich die aggressive Nutzung der Freiheit des Netzes für die antiwestliche Propaganda Putins und des Kremls sowie ihre Auswirkungen in westlichen demokratischen Gesellschaften verfolge, bin ich überzeugt, dass auch die neuen massenwirksamen Medien Regeln brauchen. Das global village ist nicht so gemütlich und dient nicht per se der Freiheit. Darüber, dass die Internet-Giganten stärker reguliert werden sollten, besteht ja sicher Einigkeit. Fragen der Technikfolgenabschätzung, die uns in anderen Bereichen neuer Technologien immer beschäftigen, kommen bei der Digitalen Revolution zu kurz. Ich bin gespannt, wie die Debatte nach der Polarisierung der letzten Wochen über die Regelsetzung weiter geht. Unter uns Grünen sollten die Wege zu einer machbaren und notwendigen Regulierung und zur Freiheit des World Wide Web mehr diskutiert werden.
Auch nicht ganz geschlossen hat die Grüne/EFA Fraktion zur Reform des Europawahlrechts abgestimmt, das federführend von meinem Freund Jo Leinen bearbeitet wurde, dem bitte niemand vorwerfen sollte, er sei ein Anti-Demokrat. Der Gesetzentwurf, für den ich auch gestimmt habe, wurde am Mittwoch mit großer Mehrheit angenommen. Er sieht verbesserte Chancen zur Teilnahme an der Europawahl (etwa durch Briefwahl sowie das Recht, auch außerhalb der EU an den Wahlen teilzunehmen) und eine verpflichtende Mindesthürde von drei bis fünf Prozent der Stimmen vor. Nachdem 26 der 28 Mitgliedstaaten bereits eine Schwelle von mindestens zwei Prozent der Stimmen für das Erreichen eines Europamandats nutzen, wird diese Schwelle nun zur Regel für alle Mitgliedstaaten der EU. Meine Zustimmung zum Bericht von Jo Leinen war wohlüberlegt. Ich halte diese Position für die Fortführung der Position, die wir in Deutschland nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes eingenommen haben. Das Gericht hatte in Deutschland die 5%-Hürde gekippt mit der Begründung, dass Europäische Parlament sei als Parlament sowieso nicht ernst zu nehmen und es sei deshalb nicht riskant auf die Hürde zu verzichten. Ich sah das damals schon anders und bin bei dieser Meinung mit meiner Abstimmung geblieben.
Ich möchte Euch noch mal auf die Abstimmung zu FIFA und Menschenrechten aufmerksam machen. So schön Fußball sein kann, so irre ist es, dass der Hungerstreik politischer Gefangener in russischen Lagern und Gefängnissen einfach ausgeblendet werden kann. Guckt Euch doch mal die Liste der russischen Menschenrechtsorganisation zu politischen Gefangenen in Russland an. Und bevor die FIFA dann nach Katar aufbricht: Erinnert sie an ihre eigenen Regeln zu Menschenrechten.
Ich freue mich vor dem Beginn der Sommerpause mit den polnischen Grünen auf ihrer Sommeruni in Biała Podlaska über die politische Lage in Polen und der EU, über den Klimagipfel in Katowice und nachhaltige Entwicklung zu diskutieren. Auch reise ich vor den Sommerferien noch nach Litauen. Das AKW Ignalina, baugleich mit Tschernobyl, ist im Rückbau. Die Kosten sind immens und die EU will ihre Beteiligung reduzieren. Ich halte das für falsch und für riskant. Außerdem kämpfen die Litauer gegen das neue AKW Ostrevets in Weißrussland, das quasi in Sichtweite zu Vilnius hochgezogen wurde. Neues dazu dann auf meinem Blog nächste Woche.
Hier findet Ihr meinen Brief an Die Grünen und an meine FraktionskollegInnen, warum ich nicht mehr zur nächsten Europawahl antrete.
Schöne Ferien! Rebecca
1. Euratom-Reform
Am Donnerstag (12. Juli) urteilt der EuGH über Klagen gegen die
Finanzierung des Reaktorneubaus des britischen Atomkraftwerks Hinkley
Point. Die EU Kommission hatte die Milliardensubventionen mit dem
gemeinsamen Interesse am Ausbau der Atomkraft begründet, das im
Euratom-Vertrag immer noch festgeschrieben ist. Auch der Brexit und
damit der Ausstieg der Briten wirft Fragen zum Euratom-Vertrag auf.
Rebecca hatte deshalb eine juristische Analyse des Vertragsfossils bei
Dr. Dörte Fouquet in Auftrag gegeben, die nun einen möglichen Reformpfad
skizziert hat.
Juristisches Gutachten zur Reform des Euratom-Vertrags, Pressemitteilung von Rebecca Harms vom 09.07.2018
Legal Opinion „Pathways for a Reform of the Euratom Treaty“, Dr. Dörte Fouquet, BBH
2. Wahlen in der Türkei
Fast zwei von drei Wählern in der Türkei haben am 24. Juni konservative
oder nationalistische Parteien gewählt. Recep Tayyip Erdogan wurde für
weitere fünf Jahre als Präsident mit ausgeweiteten Befugnissen
bestätigt. Aus Sicht des EU Parlaments stehen die Chancen für eine
Wiederaufnahme der Beitrittsverhandlungen damit schlechter denn je. Eine
Möglichkeit, die Pressefreiheit in der Türkei zu unterstützen, ist die
"I Subscribe"- Kampagne der pan-europäischen Journalistenorganisation
ECPMF und P.E.N. International. Sie ruft weltweit dazu auf, ein Abo für
verbliebene unabhängige Zeitungen wie der Cumhuriyet abzuschließen.
Wenn unbegrenzte Macht lockt - Rebecca Harms: Erdogans Präsidialsystem erzwingt die Einfrierung des EU-Beitrittsprozesses, Landeszeitung Lüneburg, 28.06.2018
Weit rechts und weit weg: Die neue Türkei, Tagesspiegel online, 26.06.2018
Nach Türkei-Wahl: Aufkündigung der Beitrittsgespräche?, Euractiv, 27.06.2018
Türkei: Kampagne für Pressefreiheit, Deutsche Welle, 07.06.2018
3. FIFA: Play Fair…
…and fight for the forgotten! Vergesst nicht die politischen Gefangenen,
die derzeit in russischen Gefängnissen gefangen gehalten werden. Sagt
der FIFA, dass es ihre Pflicht ist - wie sie selbst sagte - auf die
Menschenrechtslage in den Ländern aufmerksam zu machen, die sie für ihre
Spiele auswählen. Den Organisatoren, die Foul spielen, sollte eine rote
Karte gezeigt werden. Unterzeichnet unsere Petition und informiert Euch
über die Fälle von Personen, die aus politischen Gründen inhaftiert
sind.
Werde aktiv – unterzeichne die Petition!
Gehören politische Debatten zur WM nach Russland?, DLF Gespräch mit Rebecca Harms, Bijan Djir-Sarai (FDP) und ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann, DLF, 10.06.2018
4. Making Peace in Donbas?
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko fordert seit Jahren eine
Friedensmission in der Ostukraine als Instrument für eine
Friedenslösung, auch Wladimir Putin gibt sich seit vergangenem Herbst
einer friedenserhaltenden Mission nicht abgeneigt. Ob internationale
Friedenstruppen für die Beendigung des Krieges im Donbas hilfreich oder
gar notwendig sein können, haben wir auf einer gemeinsamen Veranstaltung
mit dem Atlantic Council und ALDE mit Experten – u.a. mit Alexander Hug
von der OSZE – diskutiert.
Conference „Making Peace in Donbas – The Role of a Peacekeeping Mission“ (Video)
5. Neuzugänge in der Grünen/EFA Fraktion
Wir haben vergangene Woche Tilly Metz und Romeo Franz in der
Grünen/EFA-Fraktion willkommen heißen dürfen. Tilly Metz folgt auf
Claude Turmes, der als Staatssekretär für nachhaltige Entwicklung und
Infrastruktur nach Luxemburg wechselte. Romeo Franz ist Nachfolger von
Jan Philipp Albrecht, der am 31. August als Minister für Umwelt,
Landwirtschaft, Energiewende und Digitalisierung in Schleswig-Holstein
vereidigt wird. Tilly Metz wird Forschung (ITRE) und Landwirtschaft
(ENVI) und Romeo Franz, Experte für Bürgerrechte, wird Jans Themen bei
Digitales, Innere Sicherheit und Rechtsstaat übernehmen.
Herzlich Willkommen, Tilly Metz und Romeo Franz!, Pressemitteilung Grüne/EFA Fraktion, 02.07.2018
6. Termine
12.-13. Juli: Green Summer Academy 2018, Heinrich-Böll-Foundation: "Crossing Borders", Biała Podlaska, Polen.
14.-17. Juli: Reise nach Litauen
20. September: Karlsruher Atomtage, Karlsruhe.
4. Oktober: Conference „Anti-Authoritarian Activism in the US and Europe
- from ‘68 to Today“, Heinrich-Böll-Stiftung North America and
Georgetown University, Washington D.C., USA.
11. Oktober: „Freedom, independence and plurality of media in EaP
countries“, Euronest & Corleap Workshop, Brussels, Belgium.