Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#newsletter    07 | 10 | 2015

Newsletter 07/2015

Lieber Freundinnen und Freunde,

im Mittelpunkt der ersten Sitzungswoche  des Europäischen Parlamentes im Oktober stand der gemeinsame Auftritt von Angela Merkel und Francois Hollande. Politik braucht Symbole. Und angesichts der wachsenden Verunsicherung der Bürger der Europäischen Union ist es zuerst mal ein gutes Zeichen, dass die beiden gemeinsam versuchen, Vertrauen in die europäische Handlungsfähigkeit zurück zu gewinnen.

Der Flüchtlingskrise und dem Eindruck einer regelrechten Völkerwanderung in Teilen der Welt sollten wir mit verantwortlichen europäischen Antworten begegnen.

Es war richtig, dass sich Angela Merkel angesichts der Not, in die zig Tausende von Flüchtlingen in Ungarn geraten waren, auf die europäische Werte- und die Menschenrechte besonnen hat, und die deutschen Grenzen für Flüchtlinge aus Ungarn geöffnet hat. Die Aufgaben in Deutschland wachsen seither täglich. Zwar können wir viel mehr Flüchtlinge aufnehmen als bisher. Aber das gilt auch für die anderen EU Staaten. Nach der mit Mehrheit erzwungenen EU-weiten Verteilung von 160.000 Menschen, die in Italien, Ungarn und Griechenland gestrandet waren, muss jetzt der weitere gemeinsame Weg der Flüchtlings- und Asylpolitik in Europa bestimmt werden. So wie in Deutschland wird es auch bei den Einigungen in Brüssel darum gehen, zunächst die akute Situation zu bewältigen.

Aber gleichzeitig müssen auch grundsätzlich neue brauchbare Regeln gefunden werden, die das Dublin-System ersetzen. In allen Bereichen sollten uns dabei unsere Werte und Menschenrechte leiten. Schlepperkriminalität muss bekämpft werden, dass kann aber nicht bedeuten, dass wir statt auf verantwortliche Kontrollen und Ordnung an den Außengrenzen auf Militarisierung und Abschreckung setzen. Mit dem türkischen Präsidenten Erdogan über besseren Schutz und Verbesserung der Lage für Flüchtlinge in der Türkei zu reden ist richtig. Aber wenn die EU die Eskalation innerhalb der Türkei gegen Kurden, Opposition und Medien toleriert, dann wird es nicht zu einer Verbesserung der Lage kommen. Gerade hat die kurdische Politikerin und Sakharov-Preisträgerin Leyla Zana, die uns auf meinen Wunsch hin in Straßburg besucht hat, erneut an alle Beteiligten in der Türkei appelliert, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Denn nur ein gewaltfreier demokratischer Prozess kann der Türkei Frieden bringen.

Das Vertrauen der Bürger in die Köpfe der Europäischen Union wird nicht gerade dadurch gestärkt, dass wir uns von einer Krise zur nächsten hangeln. Wir lassen einfach zu vieles unerledigt liegen. Die innere Stabilität der EU, ein neues Grundvertrauen der Bürger, können wir erst gewinnen, wenn der Euro stabil gemacht wird. Wir müssen die Lehren aus der Eurokrise ziehen: Frankreich muss über seinen Schatten springen in Sachen Souveränität. Und Deutschland muss sich lösen von der alleinigen Fixierung auf die Schulden. Eine gemeinsame Währung ohne gemeinsame Wirtschafts- und Fiskalpolitik kann nicht funktionieren. Erst wenn wir stabiler nach innen werden, werden wir in der Lage sein, auf die Krisen zu reagieren wie es unserer europäischen Stärke und den berechtigten internationalen Erwartungen an uns entspricht.

In der EU sind heute hunderttausende Beschäftigte der Automobilindustrie und ihre Familien von Sorgen geplagt, mit denen niemand gerechnet hatte. Die EU muss sich nicht nur hinter die Aufklärung aller Fragen im Zusammenhang mit dem VW-Skandal klemmen sondern auch dafür sorgen, dass die gemeinsamen Gesetze für Umwelt-, Gesundheits- und Klimaschutz umgesetzt werden. Nicht diejenigen, die Umweltgesetze gemacht haben sondern diejenigen, die diese Gesetze missachten, haben die Arbeitsplätze in Gefahr gebracht. Die Zukunft der Automobilindustrie und ihrer Beschäftigten ist das effiziente, saubere und klimafreundliche Auto. Deutsche Politiker, auch Angela Merkel, haben durch zu viel Protektion das alte Denken gerade an der Spitze der Konzerne gefördert. Die Hybris bei denen, die für den VW-Betrug verantwortlich sind, erklärt sich auch aus dieser Protektion.

Nur wenige Wochen vor der UN-Klimakonferenz von Paris müssen Bundesregierung und EU-Kommission alles daran setzen, dass die europäische Glaubwürdigkeit in der Klimapolitik nicht weiter sinkt. Auch deswegen haben wir die EU-Kommission in einem >Brief zu klaren Maßnahmen als Reaktion auf den VW-Skandal aufgerufen.

In Paris wird es wie bei jeder der UN Klimakonferenz am 29. November wieder einen großen
>NGO-Marsch geben.

Beste Grüße
Rebecca

PS: Noch ein Lesetipp: „polar 19 Krieg und Frieden“, Blicke auf die neuen Kriege und Krisenherde, unter anderem auch mit meinen Notizen aus dem Osten der Ukraine.

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1. Türkei

Erdogan ist bei seinem Besuch in Brüssel vergangene Woche ein Aktionsplan für ein gemeinsames Vorgehen in der Flüchtlingskrise übergeben worden. Danach will die EU der Regierung in Ankara mit einer Milliarde Euro bei der Unterbringung von Flüchtlingen helfen. Gleichzeitig soll die Kooperation beim Kampf gegen Schlepper verstärkt werden. Doch die größte Frage bleibt, wie ein kontrollierter Grenzschutz funktionieren kann, ohne allein auf Abschreckung zu setzen.
„Nicht die Türkei, die EU muss Europas Grenzen schützen“, Handelsblatt, 06.10.2015

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2. VW, Abgasmessungen und Klimaschutz
Im VW-Skandal haben die Abgeordneten in Straßburg starke Kritik an der EU-Kommission, aber auch an der Bundesregierung geübt. Hinweise, dass die Testergebnisse bei VW um ein Vielfaches niedriger sind als der reale Schadstoffausstoß auf der Straße gibt es schon lange. Doch die Einführung neuer, realistischerer Abgastests wurde über Jahre von der Automobilindustrie, vor allem aus Deutschland bei den Verhandlungen in Brüssel systematisch blockiert. Wir Grüne haben die Kommission in einem Brief zu klaren Maßnahmen als Reaktion auf den VW-Skandal aufgerufen.
„VW-Skandal: EU-Kommission muss Vertragsverletzungsverfahren prüfen“, Pressemitteilung vom 08.10.2015
Brief der Grüne/EFA Fraktionsvorsitzenden an die EU-Kommission, 07.10.2015
Hintergrund-Papier zum VW-Skandal und problematischen Testzyklen, Büro Harms
"Null Toleranz für Betrug", Süddeutsche Zeitung, 06.10.2015
„Eingemischt und ausgebremst“, DIE ZEIT vom 08.11.2008

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3. Ende von "Safe Harbor"
Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vergangene Woche zur Datenweitergabe von Facebook-Daten in die USA die "Safe Harbor"-Entscheidung für ungültig erklärt. Auf der Basis von Safe Harbor haben Unternehmen wie Facebook 15 Jahre lang Unmengen personenbezogener Daten von Europäern in die USA gesendet. Mit dem Urteil ist klar, dass all diese Datentransfers das Grundrecht auf Datenschutz verletzt haben. Eine Vermutung gleichwertiger Datenschutzregeln darf es mit Blick auf die USA nur dann wieder geben, wenn auch dort generelle und verbindliche Datenschutzgesetze auf den Weg gebracht werden, die den Datenschutz auf einem dem EU-Recht vergleichbarem Niveau schützen und EU-Bürgern gerichtliche Klagemöglichkeiten einräumen.
„Europäischer Gerichtshof rettet EU-Grundrecht auf Datenschutz“, Pressemitteilung von Jan Philipp Albrecht vom 06.10.2015

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4. Militäreinsatz gegen Schleuser
Die EU startet ihren Militäreinsatz gegen Schleuser im Mittelmeer. Erstmals sollen nun Marineschiffe aktiv Jagd auf Schleuser machen. Die EU-Kräfte sollen Schiffe anhalten, durchsuchen und beschlagnahmen dürfen, wenn der Verdacht auf die Schleusung von Flüchtlingen besteht. Nach Ansicht der Grünen/EFA wird eine Militär-Mission gegen Menschen-Schmuggler den Europäern bei dem Versuch, das Flüchtlings-Drama in den Griff zu bekommen jedoch auch nicht weiterhelfen.
„Die EU macht ernst im Mittelmeer“, NDR und tagesschau.de, 07.10.2015

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5. Ukraine
Trotz anderer Konflikte bleibt die Ukraine eines der wichtigen europäischen Themen. Das Land ist im Umbruch, zu Frieden und Demokratie ist es noch ein steiniger Weg. Jedoch nehmen die Bürger den notwendigen gesellschaftlichen Wandel zunehmend selbst in die Hand. Rebecca war Ende September auf der Biennale und der Jalta-Konferenz in der Kiew, ist diese Woche bei den Kiewer Gesprächen zum Thema "Zwischen Krise und Reform: Menschenrechte und Justiz in der Ukraine" und fliegt am 24.Oktober zur Wahlbeobachtung nach Mariupol. Im Gastbeitrag der HAZ berichtet sie von den Veränderungen im Land.
„Putin kann die Ukrainer nicht stoppen“, Gastbeitrag von Rebecca Harms vom 25.09.2015

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6. Workshop zu Entsorgungsmanagement und –finanzierung
Anlässlich der Einreichung der nationalen Entsorgungsprogramme veranstaltet die Grüne/EFA Fraktion einen öffentlichen Workshop zu den offenen Entsorgungsfragen insbesondere in Deutschland und Großbritannien. Wir möchten anhand der beiden Länderbeispiele exemplarisch die Entsorgungslage, die Konzepte und die Schwierigkeiten aufzeigen und diskutieren, ob die finanzielle Vorsorge entsprechend des Verursacherprinzips ausreichend gewährleistet ist.
> Programmentwurf

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7. Termine
12.-13. Oktober: Kiewer Gespräche: "Zwischen Krise und Reformen: Menschenrechte und Justiz in der Ukraine", Kiew
3. November: „Eine Stabilitäts- und Wachstumsunion? Fiskalische und wirtschaftliche Nachhaltigkeit in der Eurozone“
13.-15. November: Europäischer Grüner Parteitag/EGP Council, Lyon
16. November: Workshop zu Entsorgungsmanagement und -finanzierung, mit Stefan Wenzel, Niedersächsische Landesvertretung, Brüssel
19. November: Der Weltklimagipfel in Paris− Letzte Chance für ein globales Klimaregime nach 2020?, München
20.-22. November: Grüner Parteitag, Halle
27. November: Greens/EFA conference on Climate finance and possible outcomes of COP21, Paris
29. November: NGOs’ March in Paris + in key capitals, Paris und anderswo

Mehr Informationen zu den Terminen: http://rebecca-harms.de/index.php/presse/termine


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