Nach den Betriebsferien im August hat das Europäische Parlament nun seine Arbeit wieder aufgenommen. Im September finden zwei Plenarsitzungswochen in Straßburg statt.
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In der vergangenen Woche schlugen gleich die emotionalen Wellen hoch. Zum ersten Mal stand eine Debatte zum "State of the Union", zur Lage der Europäischen Union, auf der Tagesordnung. Kommissionspräsident José Manuel Barroso machte seinem Ruf, einer der langweiligsten Redner zu sein, alle Ehre. Statt die Entwicklungen des Sommers, die innereuropäischen Spannungen wegen der Eurokrise, die wachsenden Zweifel der Bürgerinnen und Bürger an der EU zum Thema zu machen, referierte er erneut zum Arbeitsprogramm und der Strategie 2020. Jede Reflektion seiner Arbeit, jede Analyse ist ihm fremd. Die Weltklimakonferenz in Cancun kam in seiner Rede nicht vor. Die Kritik an Sarkozys harten Aktionen gegen die Roma in Frankreich blieb anonym. Und die Erwähnung des EU- Haushaltes und eigener Einnahmen war zwar richtig, aber angesichts der politischen schwäche des Redners wenig überzeugend. Diese erste Debatte zum "State of the Union" hat eines gezeigt: das Parlament ist unter den Brüsseler Institutionen die treibende Kraft der gemeinsamen Politik.
Ansonsten hat die Woche Erfolge und auch eine wirklich schmerzhafte Niederlage gebracht. Der Bericht zu gerechten Einnahmen für Landwirte in der EU von José Bové ging so gut wie einstimmig durch. Eine gute Basis für die Grünen in der Auseinandersetzung um die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik. Die Regulierung der Finanzmärkte und die Rolle der Aufsicht ist auch durch die Arbeit von Sven Giegold in einem Kompromiss ein gutes Stück weiter gekommen. Keiner der Fraktionsvorsitzenden war mit Sarkozys aggressiver Abschiebung der Roma aus Frankreich einverstanden. In einer Resolution zur Lage der Roma und zur Freizügigkeit in der Europäischen Union hat am Ende eine breite Mehrheit gegen rechte und konservative französische Politik ausdrücklich scharfe Kritik an der Regierung Sarkozy geübt.
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Verloren haben wir in der Entscheidung zur Richtlinie zum „Schutz von Versuchstieren zu wissenschaftlichen Zwecken“, der Tierversuchsrichtlinie. Wir haben bis zuletzt versucht, die Abstimmung zu verhindern. Leider war es der Berichterstatterin Elisabeth Jeggle (EVP) geglückt, die negativen Folgen ihrer Linie zu verschleiern. Dank dieser Richtlinie wird es in Zukunft mehr Tierversuche und auch mehr Forschung mit Primaten geben. Und den Mitgliedstaaten soll es nicht möglich sein, eigene bessere Bestimmungen zu erlassen. Dagegen müssen wir erneut angehen.
Viel Interesse fand am Rande die deutsche Entscheidung, den Atomausstieg aufzugeben. Eines fanden alle unsere europäischen Atomgegner interessant: dass in Deutschland niemand wagt, den Neubau eines Atomkraftwerkes anzugehen. Und die Laufzeitverlängerung ist noch längst nicht durch. Ich hoffe auf massenhaften Protest am Sonnabend in Berlin und im Herbst in meiner wendländischen Heimat.
Nucleaire non merci!
Rebecca
PS: Die Diskussion um die Debattenkultur des Europäischen Parlamentes, die letzte Woche Schlagzeilen gemacht hat, ist nicht vorbei. Der Parlamentspräsident arbeitet mit einer Gruppe von Abgeordneten an einem Vorschlag. Im Vorfeld der Rede zum „State of the Union“ hatte es intern und öffentlich Streit um die Anwesenheit der Abgeordneten bei Debatten im EP gegeben. Der führte dann zu einer guten Präsenz. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. Ein Parlament, das mehr Sichtbarkeit will und braucht, muss sich eben auch mal vollständig versammeln.