Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#atom    05 | 11 | 2008
Blog

Zurück auf los? - Ein Resumée über das Endlagersymposium

Rebecca Harms über das Internationale Endlagersymposium, das vom 30.10.-1.11. in Berlin stattfand:

 

Der November ist vorbei. Das Thema "Gorleben" war anlässlich der wieder erstarkten Proteste anlässlich der Castortransporte endlich einmal wieder weit oben in der öffentlichen Aufmerksamkeit. Dazu beigetragen hatte bestimmt auch das lange vorbereitete Endlagersymposium in Berlin. Was haben diese drei Tage mit den vielen Podiumsdiskussionen, Vorträgen, Fragen und Kontroversen gebracht? Sicher war das noch kein Durchbruch für unser Ziel, ein ungeeignetes Endlager zu verhindern. Aber das konnte niemand erwarten. Gut war, dass das alte aber immer noch akute Thema in der Hauptstadt durchdiskutiert wurde. Die Frage, wie und wo in Deutschland der Atommüll, der seit Jahrzehnten nur gesammelt wird, für 1 Million Jahre sicher endgelagert werden kann, das ist eine Frage, die nur in nationaler Verantwortung gelöst werden kann. Und deshalb gehört diese Debatte in die Hauptstadt. Dort liegt nicht nur im Bundesumweltministerium, in der Regierung und im Bundestag die Verantwortung. Dort fand diese Debatte auch endlich wieder eine angemessene öffentliche Wahrnehmung.

Die politische Aufmerksamkeit hätte noch größer sein müssen. Erschreckend war, dass das Land Niedersachsen den dringlichen Einladungen von Vertretern aus der Region Gorleben und des Bundesumweltministeriums, am Symposium teilzunehmen, nur durch Entsendung eines Beamten gefolgt war. Das entspricht zwar der Linie von Union und FDP, an Gorleben festzuhalten, ohne nach links oder rechts zu sehen. Aber eine solche Verweigerung entspricht bestimmt nicht der Dimension des Problems. Loben muss man die Länder Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Letztere haben in der Programmgruppe engagiert mitgearbeitet. Und Rheinland-Pfalz war mit einer Staatssekretärin im Publikum vertreten. Die Schweiz hatte mit der Botschafterin ebenfalls eine prominente Teilnehmerin im Publikum.

Die Geschichte der Standortentscheidung in Niedersachsen hat viele Teilnehmer staunen lassen. Mitte der Siebziger Jahre waren in Niedersachsen drei Standorte im Emsland und in der Heide benannt worden. Dass dann nach halbherziger Erkundung und heftigem lokalen Widerstand an diesen Orten überraschend Gorleben gewählt wurde, das stimmt nur bedingt. Denn verborgen vor der Öffentlichkeit hatte die Landesregierung Gorleben länger im Korb. Allerdings war zu der damaligen Zeit keineswegs die Qualität des Salzstockes entscheidend. Gesucht wurde ja nicht ein Standort für ein Endlager. Gesucht wurde der Standort für die bis dahin größte geplante atomare Industrieanlage in der BRD. Im Rahmen des Nuklearen Entsorgungszentrums (NEZ), das auch gern als "Entsorgungspark" bezeichnet wurde, war das Endlager nur ein Teil. Dominant war die Wiederaufarbeitungsanlage. Damit sollte Geld verdient werden in Niedersachsen. Nicht die Qualität der Salzstöcke in der norddeutschen Tiefebene hatte das Land veranlasst, sich als Atommüll-Standort zu bewerben. Antrieb für das Land war der Wunsch nach wirtschaftlicher Entwicklung. Typisch für die Unehrlichkeit der Politik zur Geschichte Gorlebens ist, dass große Teile der Akten aus der Zeit der Entscheidung bis heute verschlossen gehalten werden. So bleiben auch die Argumente der Bundesregierung unter Helmut Schmidt noch 30 Jahre später geheim. Schmidt soll gegen Gorleben gewesen sein, wegen der Nähe zur Grenze zwischen Ost und West und den großen Spannungen des Kalten Krieges.

Berichte aus europäischen Nachbarländern über den Verlauf der Endlagersuche fanden in Berlin großes Interesse. Vergleicht man die Deutsche Endlagerdebatte mit den Entwicklungen in Frankreich, England und der Schweiz, dann fällt eines auf: In den drei anderen Ländern, und das kann auch noch für weitere Staaten dargestellt werden, hat es nach der Konfrontation in den Siebziger und Achtziger Jahren eine Analyse der Fehler bei der Standortauswahl gegeben. Und nach dem Eingeständnis der Fehler hat die Politik neue Verfahren vorgeschlagen, in denen von vornherein Transparenz und demokratische Beteiligung neben den Eignungsanforderungen eine große und zentrale Rolle gespielt haben. Deutschland ist im Gegensatz zu diesen Ländern nicht in der Lage, Fehler und Probleme einzugestehen. In Deutschland nimmt die Mehrheit der Politiker und die Atomindustrie lieber das Risiko in Kauf, dass der radioaktive Müll in ein ungeeignetes Lager gebracht wird, als aus den Fehlern und falschen Bewertungen der Siebziger Jahre Konsequenzen zu ziehen. Wer heute noch den systematischen Eignungsvergleich von Geologien und Standorten verweigert, der zeigt, dass er nicht verstanden hat, wie groß und schwierig die Aufgabe der Endlagerung ist, vor der heute alle Länder stehen, die Atomkraft nutzen. Eine überzeugende Lösung ist noch in keinem dieser Länder verwirklicht.

Die Vorstellung und die Kritik des Entwurfes für neue Sicherheitsanforderungen für die Endlagerung, der im Bundesumweltministerium erarbeitet wurde, stand am Schluss der Veranstaltung. Weitgehend unumstritten ist, dass diese neuen Anforderungen unbedingt gebraucht werden. Aus der Sicht der kritischen Wissenschaft wurde deutlich, dass es einen wesentlichen Punkt im Entwurf gibt, der eine Verbesserung bedeutet: Die Einführung des Einschlusswirksamen Gebirgsbereiches (EWG). Die Langzeitsicherheit eines Endlagers soll bewertet werden an der Qualität des Gebirges zur Isolation und zum Einschluss der Abfälle, sei es Salz, Ton oder Granit. Das ist gut vorgelegt vom BMU. Leider wird diese Idee dann nicht konsequent weitergeführt. Und schon die Bedeutung des Neben- und Deckgebirges im Zusammenspiel mit dem EWG ist im Entwurf nicht gut. Kritisiert wurde auch, dass der Katalog der Sicherheitsanforderungen nicht verbunden ist mit den Kriterien für ein Auswahl- und Suchverfahren für einen geeigneten Endlagerstandort. Jetzt muss die in Berlin begonnene Diskussion des Entwurfes konsequent weiter geführt werden. Die erklärte Bereitschaft zur Partizipation muss sich daran beweisen.

"Zurück auf los" muss und darf nicht bedeuten "zurück in die Siebziger". In Berlin kristallisierte sich meiner Meinung nach heraus, dass wir in Deutschland unbedingt an den Empfehlungen, die der AK End der Bundesregierung 2002 nach intensiver Beratung und vielen Konsultationen von Zivilgesellschaft und Politik gegeben hat, wieder ansetzen müssen. Ein geeignetes Endlager kann nur im Vergleich und nur nach demokratischen Spielregeln gefunden werden. Die Schweiz hat während des Symposiums in Berlin so viel Aufmerksamkeit gefunden, weil dort die Ergebnisse des AK End zur Zeit weitgehend umgesetzt werden.

Die Rolle von Gorleben in einer vergleichenden Suche wurde in Berlin auch diskutiert. Meine Position ist, dass wegen des schlechten, nicht akzeptablen und undemokratischen Auswahlverfahrens und wegen der Schwächen des Deckgebirges und des Kontaktes zum Grundwasser, der Salzstock Gorleben als Atommüllendlager ungeeignet ist. Sollte eine neue vergleichende Suche davon abhängig gemacht werden, dass Gorleben dabei ist, und es sonst gar keine Suche gäbe, dann würde ich sogar der Einbeziehung Gorlebens in einen Vergleich zustimmen. Aber bis ein solcher Vergleich systematisch stattfinden kann, müssen andere Geologien als Salz und mehrere Standorte erst einmal mindestens so weit erkundet und bewertet werden wie Gorleben. Dafür ist noch nicht einmal der Ausbau eines Bergwerkes wie im Salzstock Gorleben notwendig. Aber bis diese Voraussetzungen für einen echten Vergleich geschaffen sind, muss es auch beim Moratorium in Gorleben bleiben.

Der Ausstieg aus der Atomenergie ist während des Symposiums immer wieder angesprochen worden. Der Ausstieg ist für die Akzeptanz, für die Bereitschaft, dass sich Bürger auf Vorschläge für Suche und Erkundung nach einem geeigneten Endlager überhaupt einlassen, eine wichtige Rahmenbedingung. Nicht nur in Berlin wurde das deutlich. Auch bei allen meinen Besuchen in den letzten Jahren in der Schweiz ist das ein Thema gewesen. Die Ankündigung der Schweizer Regierung, den Wiedereinstieg in die Atomenergie durch Entfristung der Laufzeiten und durch Neubau zu unterstützen, belastet den neuen Anlauf für die Endlagersuche erheblich. Und der gewünschte Dialog zur Endlagerung wird dadurch ins Stocken gebracht.

 

{img |size=L |align=right} Die Asse sollte kein Thema des Symposiums sein. Allerdings wurde diese absurde Regieanweisung nicht durchgehalten. Angesichts der alarmierenden Nachrichten der letzten Monate ist das auch gut so. Nach allem, was inzwischen einer breiten Öffentlichkeit über die unhaltbaren Zustände in diesem "Versuchsendlager" bekannt ist, hätte ich ein Signal der Nachdenklichkeit oder Selbstkritik erwartet. Von Wissenschaftlern und Vertretern der Institute oder Landesämter, die in Berlin waren und in einer kontinuierlichen Verantwortung für die Asse, für Konrad oder Gorleben stehen. Die Wissenschaftler, Forscher oder Beamte können doch nicht wirklich ohne Zweifel oder Bewusstsein von Fehlern sein. Dazu ist die Aufgabe und die Verantwortung zu groß, die bei denen liegt, die für die weiteren Entscheidungen über die Endlagerung mit ihrer Tätigkeit in Wissenschaft, Wirtschaft oder Verwaltung und Politik Verantwortung tragen. Fehler können - wie die Asse zeigt - katastrophale Folgen haben. Ob es noch kommt, das öffentliche Nachdenken über Versäumnisse und Fehler? Für Vertrauen in dem eingeforderten Dialog wäre es eine eigentlich unverzichtbare Voraussetzung.

 

Der Artikel von Rebecca erscheint auch in der ersten Ausgabe der Gorleben Rundschau 2009. Download unter: http://www.bi-luechow-dannenberg.de/gorlebenrund/uebersicht.html

 

Video von Rebeccas Resumée über das Endlagersymposium


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