Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#atom    26 | 09 | 2013
Blog

Raus aus der Atomenergie und zwar in ganz Europa!

Nach der Atomkatastrophe von Fukushima vor 2,5 Jahren haben mehrere europäische Länder die Entscheidung getroffen, aus der Atomenergie auszusteigen oder haben bestehende Ausstiegsentscheidungen bestätigt oder beschleunigt. In Italien und Litauen haben sich Bürgerinnen und Bürger in Referenden gegen einen Wiedereinstieg ihrer Länder in die Atomenergie ausgesprochen. Angela Merkel, die nur wenige Monate zuvor Laufzeitverlängerungen gegen den Willen der Bevölkerung durchgedrückt hatte, musste rasant umschwenken. Sie habe die Risiken der Atomenergie falsch eingeschätzt. Doch auch mit diesen Ausstiegsbeschlüssen ist die atomare Gefahr in Europa nicht gebannt. In Deutschland ist die Sicherheit trügerisch, denn in einigen Nachbarstaaten setzt man, trotz einer stark angestiegenen Zahl von Atomkraftgegnern, weiter auf Atomkraft.

Zwar will Frankreich seine Reaktorflotte verkleinern, doch der größte europäische Atomstaat wird noch lange zahlreiche Reaktoren betreiben. Tschechien plant einen Ausbau seines Atomprogramms mit fünf neuen Reaktoren und in Belgien sollen die Pannenmeiler in Doel und Tihange noch viele Jahre am Netz bleiben. Es reicht nicht, in Deutschland den Ausstieg zu beschließen, wenn ansonsten noch etliche alte und störanfällige AKWs in den Nachbarländern am Netz bleiben. Die atomare Gefahr macht nicht an Landesgrenzen Halt, deshalb muss der Atomausstieg europaweit vorangetrieben werden!

Ich habe mich in den letzten Wochen mit Menschen in den betroffenen Regionen, Kollegen aus Land- und Bundestag und Umweltverbänden getroffen, um einen solchen europäischen Ausstieg zu diskutieren. Gemeinsam haben wir bestehende Konflikte und spezifische Probleme der Atomreaktoren an den Grenzen angesprochen und für die Energiewende geworben.

So zum Beispiel in Aachen. Die Aachener Grünen hatten in einem Kulturzentrum, das in einem ehemaligen Grenzhäuschen an der deutsch-belgischen Grenze errichtet wurde, eine Diskussionsveranstaltung zur Energiewende organisiert. Das Thema Atomkraft brennt hier vielen unter den Nägeln, denn etwa 80 Kilometer von der deutsch-belgischen Grenze entfernt steht das belgische Atomkraftwerk Tihange. Letztes Jahr im September musste der Reaktor 2 des AKWs abgeschaltet werden, nachdem mehr als 2.000 Risse im Reaktordruckbehälter entdeckt wurden. Dennoch gab die belgische Atomaufsichtsbehörde im Mai 2013 grünes Licht für den weiteren Betrieb des Reaktors. Er soll nun noch bis 2023 am Netz bleiben. Welche Gefahr davon ausgeht, weiß niemand genau.

In Breisach haben wir gemeinsam mit Atomkraftgegnern aus Frankreich, Deutschland und der Schweiz gegen das französische Atomkraftwerk Fessenheim demonstriert, das nur etwa einen Kilometer von der deutschen Grenze entfernt steht. Fessenheim ist das älteste AKW im französischen Netz. Es steht in einem Erdbebengebiet und könnte, wenn es zu einem Dammbruch am Rhein käme, auch überschwemmt werden. Insbesondere nach der Katastrophe von Fukushima ist das ein erschreckendes Szenario. Im Herbst 2011 forderte deshalb die französische Atomaufsicht Nachbesserungen bei der Erdbebensicherheit des Kraftwerks. Inzwischen entschied die derzeitige französische Regierung, Fessenheim 2016 stillzulegen – immerhin ein Anfang!

Am letzten Wochenende war ich auf der 3. Internationalen Konferenz „Stoppt Temelin“. Temelin liegt 60 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt in der Tschechischen Republik. Schlamperei am Bau, Korruption und häufige Störfälle befeuern den Protest in Österreich und Deutschland, aber auch in Tschechien selber. Wegen unautorisierter Nachbesserungen an einer Schweißnaht hat Greenpeace bereits eine Klage eingereicht. Die Tschechische Regierung plant trotzdem den Ausbau des AKWs.

Diese drei Beispiele zeigen mehr als deutlich, dass wir in der EU an einem Strang ziehen müssen, wenn es um den Ausstieg aus der Atomenergie geht. Ein Super-GAU wie in Tschernobyl oder Fukushima hätte auch im dicht besiedelten Europa katastrophale Folgen. Aber auch die Lagerung des atomaren Mülls ist ein Problem, das wir noch lange nicht gelöst haben.

Darum müssen wir alles tun, um den Neubau von Atomkraftwerken in Europa zu stoppen und so schnell wie möglich bestehende AKWs vom Netz zu nehmen. Und wir müssen klar machen, dass es auch ohne Atomenergie geht. Die Energiewende wird gesamteuropäisch leichter umsetzbar sein, als von einzelnen Mitgliedsstaaten alleine. Doch dafür brauchen wir auch einen europäischen Atomausstieg. Die Debatte, ob wir auf saubere und sichere Energien umsteigen wollen, oder lieber den alten Energiepfad von klimaschädlicher Kohle und gefährlicher Atomenergie weiterbeschreiten wollen muss endlich beendet werden. Wir brauchen den europäischen Atomausstieg und eine europäische Energiewende. Der Anfang ist bereits gemacht.


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