Liebe Freundinnen und Freunde,
vor der letzten Abstimmungsrunde in Straßburg sprach überraschend Kommissar Olli Rehn zu uns Abgeordneten. In fast beteuerndem Tonfall erklärte er uns und damit wohl den Bürgerinnen und Bürgern Griechenlands, den Finanzmärkten und dem Rest der Welt, dass die Finanzminister der Eurozone zwar trotz Nachtsitzung keine Einigung zum weiteren Vorgehen in Griechenland gefunden hatten, dass sie es aber unbedingt erreichen müssten und wollten. Er betonte, dass griechische Regierung und griechisches Parlament mit ihren Sparbeschlüssen geliefert hatten, die Partner in der Troika nicht.
Nach meinem jüngsten Besuch in Athen weiß ich nur zu gut, wie diese Zögerlichkeit und Unentschlossenheit dort ankommt. Wer Olli Rehn kennt, der spürte, dass auch er das weiß und dass ihm die Lage an die Nieren geht. Und so erleichternd es auch ist, dass nun eine Woche später eine Lösung zumindest in der Runde der Finanzminister der Eurozone gefunden wurde. Was in Brüssel oder den Hauptstädten der Mitgliedstaaten als kurze Vertagung empfunden wird, wirkt in Athen anders. Es verschärft in Griechenlands Ratlosigkeit, Ängste und Zorn. Es macht mutlos. Es destabilisiert. Es entmutigt auch die Bürgerinnen und Bürger, die die Notwendigkeit erkennen, das der Staat Griechenland neu gestaltet werden muss. Wenn die Entscheidung gilt, dass Griechenland im Euro bleiben soll, dann darf nicht immer wieder im kurzen Takt eine Entscheidung der Troika und der Finanzminister wie das Schwert des Damokles über den Griechinnen und Griechen hängen.
Die Entscheidung der Finanzminister, Griechenland mehr Zeit zu gewähren, war überfällig. Sie markiert den Versuch, endlich den Teufelskreis zu durchbrechen, in dem die Griechen stecken. Eine Strategie zum Umbau des öffentlichen Dienstes und zur nachhaltigen Erholung der Wirtschaft ist das noch nicht. Die Gespräche, die ich mit dem griechischen Regierungschef Samaras und einigen seiner Minister führen konnte zeigen, dass in Athen endlich auch daran konsequenter gearbeitet wird.
Das politische Klima im Land ist schwer zu fassen. Einerseits begegnet man immer mehr der Einsicht in die Notwendigkeit, den Staat und auch die Rolle des Bürgers neu zu bestimmen. Belastet wird diese Einsicht durch die immer wiederkehrende Erfahrung, dass nicht in Athen, sondern in der Troika und dem Rat in Brüssel oder in den Parlamenten der Euroländer der Daumen für Griechenland rauf oder runter gehen kann. Die Unvorhersehbarkeit, die Ungewissheit, eine andauernde Verunsicherung sind bestimmende Gefühle, wenn man mit den Leuten in Athen spricht. Und das bietet keine gute Grundstimmung für das, was dort geleistet werden muss.
Die Griechenlandentscheidung ist da – der Streit um den Haushalt der EU aber geht weiter. Schon in zwei Wochen versammeln sich die Staats- und Regierungschefs zum Dezembergipfel in Brüssel. Dort wird es dann noch einmal um dauerhafte Veränderungen in der Wirtschafts- und Währungsunion gehen. Wie schneiden wir die Zuständigkeiten in der EU neu zu, damit nicht nur unsere Währung sondern die EU stabil und zuverlässig funktionieren kann? Wie kommen wir zu einer durchhaltbaren gemeinsamen Strategie die über die Austeritätsidee des Fiskalpaktes hinausführt? Die Vorschläge, die die Staats und Regierungschefs schon vor dem Sommer beim Ratspräsidenten van Rompuy in Auftrag gegeben haben liegen vor, aber bleiben wieder halbherzig. Selbst die vielbeschworene Bankenunion wird nicht so vorangetrieben, wie beim letzten Gipfel behauptet wurde.
Die Integration der EU Mitgliedstaaten wurde lange von den Regierungschefs mit dem erkennbaren Ziel der Vertiefung der Bindungen betrieben. Zur Zeit erscheint die EU wie ein Experiment, das darauf ausgerichtet ist, die Grenzen und die Bruchstellen auszutesten. Es ist ein gefährliches Experiment, das inzwischen mehr Krise als Sicherheit produziert. Solange die Staats- und Regierungschefs die Entscheidungen zu mehr gemeinsamer Verantwortung für Wirtschaft und Finanzen nicht treffen, steht das Experiment auf der Kippe. Neues dazu nach dem Dezembergipfel.
Seit ein paar Wochen wird in den deutschen Zeitungen mit Inbrunst über das neue Verhältnis der Grünen zu Bürgerinnen und Bürgern räsoniert. Zuletzt befeuerte die Wahl von Katrin Göring-Eckardt ins Spitzenduo die Debatte. Doch anders als oft behauptet, stehen sich die Grünen und das Bürgertum bereits seit Jahrzehnten nahe. In The European ist gerade ein Artikel von mir zur Geschichte der grünen Bürgerlichkeit erschienen („Konservative Revolutionäre“, The European, 23.11.2012).
Salut. Rebecca
1. Griechenland
Griechenland hat das vereinbarte Sparpaket und einen Sparhaushalt für 2013 beschlossen und die Troika bescheinigt dem Land in ihrem Bericht weitere Fortschritte. Endlich gaben nun auch die Finanzminister der Eurogruppe grünes Licht für die Auszahlung der nächsten Kredittranche des Rettungspaketes. Das ist gut so. Die aktuelle Schuldenlast ist für das Land nicht tragbar, Griechenland braucht für den Schuldenabbau mehr Flexibilität, sowohl was die Fristen als auch was die Struktur der griechischen Schulden anbelangt. Die europäischen Grünen hatten vor zwei Wochen in Athen die Gelegenheit, die griechische Sicht auf die Lage im Land kennenzulernen.
Hilfsgelder freigegeben - dauerhafte Lösung der Schuldenkrise in weiter Ferne (Pressemitteilung von Rebecca Harms vom 27.11.2012)
Griechenland hat seinen Teil getan - EU-Finanzminister müssen Hinhaltetaktik beenden (Pressemitteilung von Rebecca Harms und Dany Cohn-Bendit vom 13.11.2012)
Zusammenfassung des EPG Council in Athen, 9.-11-11.2012
2. Ernennung von Tonio Borg
Das Europäische Parlament hat trotz erheblichen Widerstands vieler Abgeordneter der Nominierung von Tonio Borg als Gesundheitskommissar zugestimmt. Borg soll das Amt des zurückgetretenen John Dalli übernehmen. Wir Grüne haben ebenso wie Linke, Liberale und Teile der Sozialdemokraten gegen die Ernennung Borgs gestimmt. Nun ist entscheidend, dass Tonio Borg als Kommissar europäische Werte und Grundsätze vertritt. Er muss der öffentlichen Gesundheit Vorrang vor den Interessen der Tabaklobby geben und sich aktiv für Frauen- und Minderheitenrechte engagieren.
Bedenken bleiben bestehen - Tonio Borg muss versprechen, EU-Grundwerte zu respektieren (Pressemitteilung von Rebecca Harms und Dany Cohn-Bendit vom 21.11.2012)
EU-Parlament ernennt Borg zum Gesundheitskommissar (Artikel auf sz.de, 21.11.2012)
3. Schiefergas/Fracking
Das Europaparlament hat am 21. November zwei Berichte zur Förderung von Schiefergas angenommen, die zum Teil widersprüchliche Signale senden. Wir Grüne stimmten für den vom Umweltausschuss eingebrachten Bericht und gegen den Bericht des Industrieausschusses. Leider fand unser Antrag auf ein EU-weites Moratorium für die Schiefergasförderung keine Mehrheit. Immerhin hat sich das Parlament für ein Verbot von Fracking in besonders sensiblen Gebieten ausgesprochen und zur Vorsicht aufgerufen, solange die Folgen der Förderung von Schiefergas für Gesundheit und Umwelt noch nicht vollständig untersucht sind.
Risiken der Schiefergasförderung dürfen nicht unter den Teppich gekehrt werden (Pressemitteilung von Rebecca Harms und Reinhard Bütikofer vom 21.11.2012)
Rebecca im Interview zur umstrittenen Fracking-Technologie (Video)
Fracking: "Risiken nicht unter den Teppich kehren" (eurActiv-Artikel vom 21.11.2012)
Neues Informationsmaterial der Grüne/EFA-Fraktion zu Schiefergas
4. Emissionshandel
Die EU-Kommission hat vergangene Woche ihren Bericht zum CO2-Markt angenommen, der verschiedene Möglichkeiten aufweist, wie die aktuellen Probleme des Emissionshandels behoben werden könnten. Da allerdings keine konkreten Legislativvorschläge gemacht werden, versäumt die Kommission die dringend notwendigen strukturellen Änderungen des Emissionshandels anzugehen. Die Verschiebung des Verkaufs von 900 Millionen Zertifikaten ist aus Grüner Sicht unzureichend, um das Überangebot in den Griff zu bekommen. Die beste Lösung zur Rettung des Emissionshandels wäre die Erhöhung des längst überholten CO2-Reduktionsziels für 2020 auf mindestens 30%.
Kommission legt unzureichende Vorschläge zur Rettung des Emissionshandels vor (Pressemitteilung von Rebecca Harms vom 14.11.2012)
Arbeitspapier der EU Kommission (zum Download)
EU gegen mehr Klimaschutz (taz-Artikel vom 15.11.2012)
5. UN-Klimaverhandlungen
Vom 26.11.-7.12. findet der UN-Klimagipfel in Doha statt. Das Europaparlament hat in Straßburg eine Resolution verabschiedet, die die Position des Parlaments für die Klimaverhandlungen (COP18) darlegt und Forderungen für das Mandat der EU formuliert. Das aktuelle Klimaziel von 20% CO2-Minderung bis 2020 steht in klarem Widerspruch zum Ziel der EU den Klimawandel auf 2 Grad zu begrenzen. Es untergräbt aber auch das wichtigste Klimaschutzinstrument der EU, den Emissionshandel und verhindert grüne Investitionen. Wir Grüne begrüßen deshalb, dass die Resolution des Parlaments dies hervorhebt und ein Erhöhung des Klimaziel fordert.
EU-Klimapolitik muss aus Tiefschlaf erwachen (Pressemitteilung von Rebecca Harms vom 22.11.2012) Dossier zur UN Klimakonferenz Interview mit Rebecca Harms im Nordwestradiozur UN-Klimakonferenz in Doha
6. Haifischflossen
Die Grünen begrüßen, dass das EU-Parlament am 22. November beschlossen hat, das Abtrennen von Haifischflossen an Bord ("Finning") gesetzlich zu verbieten. Die Verpflichtung, alle Haie mit ihren Flossen im natürlichen Zustand anzulanden ist das einfachste Mittel, die Schlupflöcher zu schließen.
EU-Parlament macht dem Abtrennen von Haifischflossen (Finning) endlich ein Ende (Pressemitteilung von Rebecca Harms vom 22.11.2012)
Dossier zur Reform der europäischen Fischereipolitik
7. Illegale Fischerei
Die Europäische Kommission hat eine Liste von Ländern veröffentlicht, die im Kampf gegen illegale, nicht gemeldete und unregulierte Fischerei (IUU) nicht kooperieren. Man schätzt, dass 1/3 der weltweiten Fänge illegal gefischt werden. Die Grünen haben sich lange für striktere Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Fischerei eingesetzt und befürworten die Veröffentlichung der Liste.
Neue Schwarze Liste ist wichtiger Schritt im Kampf gegen illegale Fischerei (Pressemitteilung von Rebecca Harms vom 15.11.2012)
Dossier zur Reform der europäischen Fischereipolitik
8. EU-Frauenquote
Die Europäische Kommission hat vergangene Woche ihren Vorschlag für die Einführung einer Frauenquote von 40% für Aufsichtsräte von großen europäischen Unternehmen vorgestellt. Wir Grüne begrüßen diesen langerwarteten Vorstoß als einen ersten Schritt für mehr Geschlechtergerechtigkeit in den Führungsetagen europäischer Unternehmen, auch wenn noch Nachbesserungen bei einzelnen Maßnahmen nötig sein werden.
EU-Frauenquote: Endlich ein Schritt in die richtige Richtung (Pressemitteilung von Rebecca Harms vom 14.11.2012)
9. Termine
28.-30. November: Atompolitische Schweden-Reise: Rebecca informiert sich über das schwedische Konzept zur Atommüllentsorgung und Bürgerbeteiligung. Stockholm, Oskarshamn, Östhammar.
1. Dezember: "Was wird aus Gorleben?" Ratschlag der BI Lüchow-Dannenberg. Cafe Grenzbereiche, Platenlaase, Wendland.
10.Dezember: Vergabe des Friedensnobelpreises an die EU. Oslo.
16. Dezember: Stammtisch zum PUA Gorleben,mit MdB Dorothea Steiner und Uli Kleemann. Trebeler Bauernstuben, Wendland.
19. Dezember: Rebeca liest aus ihrem Buch "Ein Tag in Fukushima - eine Woche in Japan". Stadtbibliothek Salzgitter.