Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europa-Parlament, Rebecca Harms, begrüßt die Einigung der EU-Innenminister zur Verteilung von 120.000 Flüchtlingen. Auf NDR Info sprach sie von einem guten Zeichen für das Treffen der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union. "Es ist ein gutes Signal gewesen für bessere Ergebnisse des Gipfels. Wenn diese Entscheidung nicht getroffen worden wäre, wenn das alles weiter blockiert gewesen wäre, dann wäre das ein düsteres Vorzeichen gewesen", sagte Harms. Jetzt könnten sich die Staats- und Regierungschefs mit den weiteren Problemen befassen, die durch den Zuzug der Flüchtlinge auftauchten.
Harms bedauerte, dass die Innenminister keine einstimmige Entscheidung getroffen haben: "Ich hätte mir was anderes und einheitliches gewünscht." Sie ließ aber keinen Zweifel, dass sie den Mehrheitsentscheid unterstützt. Der Beschluss ist ihrer Ansicht nach legitim und bringe Bewegung in eine bislang blockierte Situation. "In föderalen Systemen werden manchmal Mehrheitsentscheidungen getroffen."
"Keinen Zwang ausüben"
Die Europaabgeordnete plädierte dafür, es bei der Aufnahme von Flüchtlingen auf dem Prinzip der Freiwilligkeit zu belassen. Harms warnte mit Blick auf das ablehnende Votum von Ungarn, Tschechien, Rumänien und der Slowakei davor, diesen Ländern eine Unterbringung von Asylsuchenden aufzuzwingen. "Ich bin der Meinung, dass das nicht gut ist - insbesondere nicht für die Flüchtlinge, wenn sie in Länder gedrängt werden, in denen sich Gesellschaften weigern, Flüchtlinge aufzunehmen."
Die Grünen-Politikerin sprach sich stattdessen für ein Strafsystem aus. Staaten, die keine oder nur begrenzt Asylsuchende aufnehmen wollten, sollten dafür finanzielle Kompensation leisten. Ihrer Ansicht nach wäre es sinnvoll, einen Hilfsfonds aus EU-Mitteln zu schaffen. Damit sollten die Länder, die mehr leisten als andere innerhalb der Europäischen Union belohnt werden und mehr Geld zur Verfügung gestellt bekommen. "Ich bin wirklich der Meinung, dass 'Mehr für mehr' in dieser Situation das bessere Prinzip ist", erklärte Harms.
"Ablehnende Haltung muss man auch gesellschaftlich erklären"
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europa-Parlament äußerte ein gewisses Verständnis für das Nein der Ungarn, Tschechen, Rumänen und Slowaken. "Es sind ja kleinere Staaten, die sich ihrer Pflicht entziehen." Dafür gebe es auch gesellschaftliche Hintergründe. Wohlstand und Sicherheit seien in der EU noch sehr unterschiedlich verteilt. "Ich plädiere dafür, dass wir mit der unterschiedlichen Realität in der EU umgehen und dass wir eben nicht zu Strategien kommen, die dann auf dem Rücken der Menschen ausgetragen werden", forderte Harms.
Das Interview wurde auf NDR Info am 23.09.2015 um 06:50 Uhr gesendet.
> Zum Nachhören: http://www.ndr.de/info/sendungen/interviews/Harms-Positives-Signal-fuer-EU-Gipfel,harms168.html