EU-Gipfel
Zum heutigen Gipfeltreffen des Europäischen Rates in Brüssel zur Lösung der Eurokrise erklären Rebecca Harms, Vorsitzende der Grünen/EFA im Europäischen Parlament und Jürgen Trittin, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag:
„Das heutige Gipfeltreffen muss für Europa mehr liefern als heiße Luft und fromme Wünsche. Wir brauchen ein klares Signal, dass die 27 Mitglieder für einander einstehen und die gemeinsame Währung sichern werden. Daran sind die bisherigen Krisengipfel gescheitert. Vertragsänderungen sind nötig, aber sie dürfen das aktuelle Handeln nicht ersetzen.
Spanien und Italien brauchen jetzt Schutz vor der spekulativen Aufwertung ihrer Zinsen. Bei einem Refinanzierungsbedarf von 300 Mrd. allein für Italien muss deshalb der Rettungsschirm mit einer Banklizenz ausgestattet werden. Eine glaubwürdige, mittelfristige Perspektive in der Krise ist bitter nötig. Dafür bedarf es der Einführung von Eurobonds und eines Altschuldentilgungsfonds finanziert durch eine Vermögensabgabe. Doch Frau Merkel fürchtet die Einführung von Eurobonds offensichtlich mehr als den Zerfall der Eurozone.
Europa braucht einen politischen Kurs, der nicht nur blinde Haushaltsdisziplin einfordert, sondern auch gemeinsame und nachhaltige, wirtschaftspolitische Impulse gegen die Rezession setzt. Deswegen fordern wir Solidität und Solidarität. Das desaströse Ergebnis der Sparpolitik macht die europäische Wirtschaft mürbe. So wichtig automatische Sanktionen bei Verstößen gegen die Defizitkriterien sind, so sehr brauchen wir gemeinsame Grundlagen für haushaltspolitische Solidarität und eine ausgewogenere Wirtschaftspolitik. Strategische Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz sind ein erster, dringender Schritt zur Wiederbelebung der europäischen Wirtschaft.
Die Lösung der Eurokrise benötigt politische Visionen und kann Fragen der demokratischen Legitimation nicht ausklammern. Der Europäische Rat darf sich eine Vertragsänderung nicht ohne Beteiligung der Parlamente und hinter verschlossenen Türen zurechtbiegen. Die Grünen fordern stattdessen die Einbindung des Europäischen Parlaments und eine öffentliche Diskussion im Rahmen eines Konvents zur Überarbeitung der EU-Verträge.
Der britische Premierminister Cameron darf auf keinen Fall mit neuen Privilegien für die britische Finanzindustrie vom Gipfel nach Hause gehen. Der Verzicht auf eine europäische Bankenregulierung hieße, die wenigen Lehren aus der Finanzkrise wieder in die Tonne zu treten.“