Ein bestimmendes Thema wird in dieser Plenarwoche die Debatte um die Neuausrichtung der EU Flüchtlingspolitik sein. Kommissionspräsident Juncker hatte zuletzt in Straßburg erklärt, dass er die alte Strategie der Flüchtlingsabwehr für einen Fehler hält. Er hat nicht nur für eine konsequente Seenotrettung plädiert. Mit Dublin und Abschottung komme man nicht mehr weiter, so der Präsident der Europäischen Kommission. Das Parlament hat dazu eine gemeinsame breit getragene Resolution verabschiedet.
Ich halte das für wichtig, denn ich bin überzeugt, dass man die Flüchtlings- und Einwanderungspolitik nur gestützt auf einen breiteren Konsens als bisher so entwickeln kann, wie es erforderlich ist. Das Ende der Abschottung und die Schaffung von mehr legalen Einreisemöglichkeiten, die Wiederbelebung des politischen Asyls und die Klärung einer zukunftsfähigen Einwanderungspolitik sind für die EU unverzichtbar. Der Vorstoß der Außenbeauftragten und der Außenminister der EU, den Schleppern das Handwerk zu legen und mit militärischen Mitteln die Flüchtlingsboote zu zerstören, könnte einen überzeugenden Neuanfang konterkarieren. Nachhaltige Entwicklungspolitik in Afrika und mehr Anstrengungen in den Ländern rund um die Kriegsgebiete in Syrien und im Irak würde mehr Menschen Vertrauen in die Zukunft geben als der vorgeschlagene Einsatz. Zu Recht hat der UN Beauftragte Sutherland die EU davor gewarnt, das Leben von Schutzbedürftigen mit dieser Strategie zu gefährden. Im SWR2-Interview von heute morgen warne ich ebenfalls vor einem militärischen Vorgehen gegen Schlepper (>Audio-Link ).
Ein weiteres großes Thema wird der Fortschrittsbericht zur Türkei sein. Es ist ein Balanceakt. Einerseits sollen die Perspektiven der Verhandlungen nicht belastetet werden. Andererseits kommen zuletzt fast täglich Nachrichten aus Ankara, die zeigen, dass es der Regierung und dem Präsidenten im Kampf um die politischen Mehrheiten bei den bevorstehenden Wahlen schon längst nicht mehr darum geht, den Anschein der Rechtsstaatlichkeit zu wahren. Das Vorgehen gegen kritische und oppositionelle Journalisten und Medienunternehmen, die Inhaftierung selbst von Richtern, sind traurige Beispiele für eine selektive Justiz. Zur Zeit muss jeder, der Kritik an der AKP-Führung äußert damit rechnen, als 'parallel' und zum Staatsfeind erklärt zu werden. Der Herausgeber der größten türkischen Tageszeitung musste zu dem Seminar, dass Guy Verhofstadt und ich zur Pressefreiheit in der Türkei Ende April organisiert hatten, wegen eines Ausreiseverbotes zugeschaltet werden (> Video).
Anfang Juni werde ich zusammen mit meinem Ko-Vorsitzenden Philippe Lamberts nach Athen reisen. Weiterhin bleibt die Entscheidung zur Zukunft Griechenlands im Euro offen. Mich bedrückt, dass die eigentlichen Reformen, also der Aufbau eines Staates mit funktionierenden Institutionen, seit Beginn der Krise nicht wirklich angegangen worden sind. Den Preis dafür zahlen die vielen kleinen Leute und Unternehmer. Mehr dazu nach dem geplanten Besuch.