Parlamentarische Anfrage vom 24. November 2009
In dem deutschen Lager für radioaktiven Abfall, der Schachtanlage Asse II, lagert mit rund 28 Kilogramm offensichtlich mehr als dreimal so viel Plutonium wie bislang angenommen. Angeblich beruht diese Angabe auf einem Übertragungsfehler zwischen einer Abteilung des Forschungszentrums Karlsruhe und der damals zuständigen Gesellschaft für Strahlenforschung (GSF). Die Situation des zum Atommüllendlager umfunktionierten Bergwerks ist offensichtlich dramatisch. Zusätzlich zu den Problemen, die durch den erheblichen Wasserzutritt (über 100 Liter pro Tag) hervorgerufen werden, wurde am 8. Oktober 2009 bekannt, dass eine Decke zwischen zwei Hohlräumen (ohne aktiven Müll) eingestürzt ist.
1. Wie beurteilt die Kommission die Sicherheit des deutschen Atommüllendlagers Asse?
2. Entspricht das Sicherheitsniveau dem, was die Kommission als EU-Sicherheitsstandard akzeptiert?
3. Inwiefern hat sich hier die Interventionsmöglichkeit der Kommission seit der Verabschiedung der Richtlinie 2009/71/Euratom(1) vom 25. Juni 2009 verbessert?
4. Welche Informationen hat die Kommission zu Herkunft und Menge des in die Asse verbrachten Plutoniums?
5. Auf welche Masse und auf wie viele Gebinde ist dieses Plutonium verteilt?
6. Welches ist die höchste Anreicherung spaltbarer Plutonium-Isotope in einem Gebinde?
7. Welcher Anteil dieses Plutoniums bzw. allgemein von Plutonium aus der ehemaligen Wiederaufarbeitungsanlage in Karlsruhe wurde wann aus der Kategorie „zurückbehaltener Abfall“ in die Kategorie „Ausschuss“ („discarded waste“) im Rahmen der Euratom-Sicherheitsüberwachung (Safeguards) überführt?
8. Unsicherheiten und Übertragungsfehler in Bezug auf Plutoniummengen im Kilogrammbereich sind unter dem Aspekt des potenziellen Proliferationsrisikos völlig unakzeptabel. Welche Konsequenzen gedenkt die Kommission aus diesem Vorfall zu ziehen?
9. Hat die Kommission auf der Grundlage des Euratom-Vertrags Kenntnis davon, wie viel „discarded waste“ aus welchen Anlagen insgesamt in die Asse verbracht wurde?
(1) ABl. L 172 vom 2.7.2009, S. 18.
Antwort von Herrn Piebalgs im Namen der Kommission
1. Für die Sicherheit der Lager für radioaktive Abfälle, d. h. für das Gebiet, auf dem sich diese Anlagen befinden, sind ausschließlich die jeweiligen nationalen Behörden zuständig. Die Kommission verfolgt die Entwicklungen hinsichtlich des Bergwerks Asse jedoch mit großem Interesse, insbesondere um sicherzustellen, dass die Euratom-Vorschriften vollständig eingehalten werden (siehe Punkt 2).
2. Derzeit gibt es keine EU-Vorschriften zur Festlegung von Sicherheitsstandards für Endlager für radioaktive Abfälle. Strahlenschutzfragen sind Gegenstand von Kapitel III Euratom-Vertrag und insbesondere der Richtlinie 96/29/Euratom des Rates vom 13. Mai 1996 zur Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlungen(1). Der Kommission liegen keine Hinweise darauf vor, dass diese Richtlinie nicht ordnungsgemäß angewandt wird.
3. Endlager für radioaktive Abfälle fallen nicht in den Anwendungsbereich der kürzlich verabschiedeten Richtlinie zur nuklearen Sicherheit(2).
4.-6. Aus Asse wurden zu keinem Zeitpunkt Eingänge von Nuklearmaterial wie Plutonium gemeldet, da gemäß der damals anwendbaren Verordnung (Euratom) Nr. 3227/76(3) die Weiterverfolgung im Rahmen der Sicherungsmaßnahmen gemäß dem Euratom-Vertrag endete, sobald das Nuklearmaterial in den Anlagen, in denen es erzeugt wurde, zu „gemessenem Abfall“ erklärt wurde.
7. Etwa 60 % der plutoniumhaltigen Abfälle wurden von der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe (WAK) während der Lebensdauer der Anlage zu „gemessenen Abfällen“ erklärt. Die übrigen Abfälle wurden zurückbehalten.
8. Im Interesse einer besseren Verwaltung von Nuklearmaterial hat die Kommission am 8. Februar 2005 die Verordnung (Euratom) Nr. 302/2005(4) über die Anwendung der Euratom-Sicherungsmaßnahmen erlassen. Diese sieht vor, dass über Anlagen, in denen Nuklearmaterial bzw. ‑abfall gehandhabt oder gelagert wird, jährliche Berichte mit Angabe der Bestandsänderungen vorzulegen sind.
9. Da die Kommission keine Meldungen über die Abfallverbringung nach Asse erhalten hat (siehe Punkte 4-6), liegen ihr keine Angaben zu den dortigen Beständen vor.
(1) ABl. L 159 vom 29.6.1996.
(2) Richtlinie 2009/71/Euratom des Rates vom 25. Juni 2009 über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen, ABl. L 172 vom 2.7.2009.
(3) ABl. L 363 vom 31.12.1976.
(4) ABl. L 54 vom 28.2.2005.