Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#newsletter    18 | 12 | 2012

Newsletter 12/12

Liebe Freundinnen und Freunde,

die letzte Runde dieses Jahres hatte es noch mal in sich. Sie fing mit dem Haushaltskompromiss an. Die Ausgaben für unsere gemeinsamen europäischen Aufgaben und Verpflichtungen liegen laut Budgetkompromiss 2013 weit über den Zahlungen, zu denen der Rat für den nächsten EU-Haushalt bereit ist. Der Rat jagt die Europäische Union mit diesem Budget in eine Verschuldungssituation, die er woanders aufhalten will.

Fast unbemerkt ist mit der Haushaltsentscheidung der Anspruch aufgegeben worden, in Europas nachhaltige und ökologische Zukunftsfähigkeit zu investieren. Zusätzliche Mittel, mit denen die wirtschaftliche Erholung angereizt werden könnte, sind in diesem Etat nicht vorgesehen. Manch einer mag nun wieder denken, dass wir in Brüssel doch aus dem Vollen schöpfen. Richtig ist, dass wir einen gedeckelten Haushalt haben, der nur rund 1% des Bruttonationaleinkommens der EU beträgt. Wir Grüne wollen nicht um jeden Preis mehr Geld. Aber wir wollen ausreichend finanzielle Mittel, damit wir die Aufgaben, die wir mit dem Rat zusammen beschließen, auch erfüllen können. Unsere Fraktion hat dem Kompromiss nicht zugestimmt.

Doha war der nächste Tiefpunkt. Auch wenn ich schon in Kopenhagen gedacht hatte, dass es nicht schlimmer kommen könnte bei den Klimaverhandlungen der Vereinten Nationen: Es kam schlimmer. Doha steht für die Kunst der Politik, sich selber zu dementieren. Und die größte Enttäuschung ist für mich die schlappe europäische Rolle. "Führen durch gutes Beispiel!", so klang das bisher. Nicht zuletzt die Bundesrepublik stand dafür. Unvergessen das Foto: Angela Merkel und Sigmar Gabriel in roten Anoraks vor Eisberg. Heute verkündet Umweltminister Peter Altmaier schon vor seiner Abreise nach Doha, er könne wegen Bedenken von Wirtschaftsminister Philipp Rösler nicht so ehrgeizig rangehen, wie er es sich wünscht. Das klingt nach heute Show. Man sieht förmlich wie Oliver Welke sich vor den Kopf schlägt und fragt: Wegen wem bitte? Wegen dem Rööösler? Wie blöd ist das denn, Altmaier! Tatsächlich ruhen sich die Europäer beim Klimaschutz auf der Wirtschaftsflaute aus. Nicht weil wir eine ehrgeizige Energiewende- und Effizienzstrategie verfolgen, sondern wegen der grassierenden Rezession haben wir die CO2 -Reduktionsziele für 2020 schon fast geschafft. Die EU-Klimakommissarin Hedegaard bräuchte jetzt sofort Unterstützung, um den Emissionshandel anzuschärfen und die Ziele für 2020 zu erhöhen. Stattdessen stoppt Günther Oettinger weiter jede vernünftige Idee der Dänin.

Für uns Grüne wird es in den nächsten Jahren weiter und weiter darum gehen, noch mehr Verständnis und Unterstützung dafür zu schaffen, dass Klimaschutz und Energiewende der Wirtschaft nicht schaden, sondern im Gegenteil, den Weg in eine nachhaltige und dauerhaft erfolgreiche Wirtschaftsweise ebnen können.

Von Doha nach Oslo. Aus verheerenden Fehlern zu lernen, die Grenzen und Begrenztheit des nationalen Denkens zu erkennen und zu überwinden, Entscheidungen nicht gegen andere Staaten sondern in der Gemeinschaft zu treffen - Thorbjörn Jagland ist es in Oslo in einer ernsten und schlichten Rede hervorragend gelungen, die Erinnerung an den europäischen Weg und seine Besonderheiten wach zu rufen. Ein Weg, der aus der Verzweiflung der Kriege und aus dem Zweifel an der Idee des Nationalstaates heraus beschritten wurde. Was mag in den Staats- und Regierungschefs vor sich gegangen sein, denen in Oslo die großen und mutigen Entscheidungen ihrer Vorgänger nicht nur in Erinnerung gerufen sondern vorgehalten worden sind? Jagland hat seine tiefe Sorge über die Krise der europäischen Politik zum Ausdruck gebracht. Nichts sei unerschütterlich. Auch die EU, so groß, so großartig und so unperfekt wie sie heute ist, könne durch die Rückkehr der nationalen Egoismen zerstört werden. Es gab viel Applaus. Die Umarmung von Merkel und Hollande wirkte ungelenk.

Der Brüsseler Gipfel wenige Tage später hat uns zwar einen Schritt weiter gebracht bei der europäischen Regulierung der Banken, auch wenn die Aufsicht noch nicht die Bankenunion ist. Aber die großen Ideen zur politischen Untermauerung der gemeinsamen Währung durch gemeinsame Wirtschaftspolitik wurden vertagt. Die europäische Zentralbank macht es durch ihre Aufkaufprogramme für Staatsanleihen möglich. Wer sich weiter auf der EZB-Strategie ausruht verschleppt aber die Krise, bis sie wieder akut wird.

Was tun? Wenn es ohne Vertragsveränderungen in der EU keine ausreichenden Fortschritte für eine wirklich funktionstüchtige Wirtschaftsunion gibt, werden wir für diese Veränderungen die Voraussetzung schaffen müssen. In den kommenden Jahren muss es grüne Priorität sein, zu erklären, warum es den Europäern gemeinsam besser gelingen kann, für ihre Bürger sozialen Frieden und Sicherheit zu schaffen. Es muss erklärt werden, warum der Ausweg aus der Krise nicht der Weg zurück in die Enge des Nationalstaates sondern der nächste Schritt in die Gemeinschaft ist.

Helmut Schmidt hat uns, (das Europäische Parlament) über die französische Zeitung Figaro zum Putsch gegen die Regierungen der Mitgliedstaaten aufgerufen. Jaques Delors fand die Putsch-Idee wohl sehr verführerisch. Ich glaube, das Parlament muss sich auf den langen Marsch machen und nicht nur die Vertragsveränderungen vorbereiten, sondern auch für die Veränderungen bei den Bürgerinnen und Bürgern zu werben.

Frohe Weihnachten! Merry Christmas! Joyeux Noël! Feliz Navidad! Buon Natale! Zalig kerstfeest! Boldog Karácsonyt!

Rebecca

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1. Friedensnobelpreis
Am 10. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschenrechte und Todestag Alfred Nobels, wurde der EU der Friedensnobelpreis 2012 verliehen. Die Entscheidung scheint überraschend und gewagt, gerade in diesen Zeiten, in denen das Europäische Projekt – zu Unrecht – zum Synonym von Krise wird. Das Komitee hat groß gedacht und die Bürgerinnen und Bürger der EU und die Politik gefordert und ermutigt, sich den europäischen Weg zu vergegenwärtigen.

Ermutigung für das europäische Projekt zur richtigen Zeit (Pressemitteilung von Rebecca Harms und Dany Cohn-Bendit vom 10.12.2012)
„Verpflichtung für die Zukunft“ (taz-Artikel vom 08.12.2012)

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2. EU-Gipfel
Die Staats- und Regierungschefs haben den Sinn für die Dringlichkeit verloren. Es wurde auf dem Gipfel Ende vergangener Woche zwar ein Fahrplan für die Reform der Eurozone auf den Weg gebracht. Dieser bleibt jedoch vage. Und das vereinbarte Programm gegen Jugendarbeitslosigkeit beruht im Wesentlichen auf freiwilligen nationalen Maßnahmen. Der große Wurf ist das wieder nicht.

Europa darf nicht auf Eis gelegt werden (Pressemitteilung von Rebecca Harms und Dany Cohn-Bendit vom 14.12. 2012)
Die große Euro-Reform muss warten (taz-Kommentar vom 14.12.2012)

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3. Bankenaufsicht
Immerhin: Die Finanzminister haben sich kurz vor dem EU-Gipfel auf Vorschläge zur Bankenaufsicht geeinigt. Nun ist es Aufgabe des Europaparlaments, die Vereinbarungen des Rats auf Sonderregeln und Ausnahmen hin zu prüfen. Eine europäische Aufsicht muss stark und vor allem europäisch sein. Daher verlangt das Europaparlament ein kleines Leitungsgremium in der EZB, das aus Expertinnen und Experten mit europäischem, und nicht nationalem Mandat besteht.

Europaparlament muss einen Schweizer Käse von Sonderregeln und Ausnahmen verhindern (Pressemitteilung von Sven Giegold vom 13.12.2012)
Plenarrede von Rebecca Harms zum anstehen EU Gipfel
Press Briefing vom 11. Dezember 2012

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4. EU Haushalt 2012/2013
Die Mehrheit des Europaparlaments hat in Straßburg einem Budgetkompromiss mit dem Rat zugestimmt, der sich vom Anspruch in Europas nachhaltige und ökologische Zukunftsfähigkeit zu investieren weitgehend verabschiedet. Wir Grüne haben daher gegen den völlig unzureichenden Haushalt für 2013 gestimmt und uns beim Nachtragshaushalt 2012 enthalten. Dem Europäischen Parlament ist es zwar gelungen Schlimmeres zu verhindern. Der Haushalt 2013 setzt aber weiterhin die falschen Schwerpunkte. Für den Kernfusionsreaktor ITER wird weiter ungebremst Geld ausgegeben, während bei der Entwicklungspolitik stark gekürzt wurde.

EU-Parlament stimmt faulem Budgetkompromiss mit Rat zu – Wachstumspakt endgültig beerdigt (Pressemitteilung von Helga Trüpel vom 12.12.2012)

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5. Sitz des EU-Parlaments
Der Europäische Gerichtshof (EUGH) hat die Entscheidung des Europäischen Parlaments, seine Plenarsitzungen in Straßburg nur mehr elfmal pro Jahr abzuhalten, für vertragswidrig erklärt. Die Entscheidung sollte das Europäische Parlament als Anlass nehmen, die Dinge endlich selbst in die Hand zu nehmen und die Frage der problematischen Sitz-Regelung des Europäischen Parlaments formell auf die Tagesordnung zu setzen.

Nach EuGH-Entscheidung muss das Europaparlament die Sitzfrage selbst in die Hand nehmen (Pressemitteilung von Rebecca Harms vom 13.12.2012)

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6. Ukraine
Das Europaparlament diskutierte am Mittwoch die Situation in der Ukraine und die Beziehungen zur neu gewählten Rada. Wir Grüne begrüßen den breiten Konsens im Europaparlament und im Rat, am Ziel einer weiteren Annäherung zwischen der Ukraine und der EU festzuhalten. Das Assoziierungsabkommen bietet einen Anreiz für notwendige Reformen im Justizsystem, bei den Wahlgesetzen, bei der Korruptionsbekämpfung und die Beendigung der politisch motivierten Rachejustiz.

Proeuropäische Kräfte der Ukraine stärken (Pressemitteilung vom 12.12.2012)
Plenarrede zur Lage in der Ukraine vom 12.12.2012

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7. Tiertransporte
Das Europäische Parlament fordert eine bessere Überwachung der bestehenden Vorschriften und eine Verbesserung der Bedingungen bei Tiertransporten. Regionale Schlachtstätten sollen ausgebaut werden. Die Grüne Forderung nach einer Begrenzung der Tiertransporte auf acht Stunden ist jedoch gescheitert.

EU-Parlament für mehr Tierschutz bei Transporten (Pressemitteilung von Martin Häusling vom 12.12.2012)

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8. UN-Klimaverhandlungen (Doha)
Ein weiterer Weltklimagipfel ist zu Ende gegangen, ohne die klaffende Lücke zwischen den dringend notwendigen Klimamaßnahmen und dem zu schließen, was die Länder bereit sind zu tun. Ein ehrgeizigeres Klimaziel von mindestens 30% für die EU ist längst überfällig, sowohl zur Rettung des EU-Emissionshandels, als auch für die internationale Glaubwürdigkeit. Umso peinlicher ist, wie sich ausgerechnet das Energiewendeland Deutschland bei Klimaschutzfragen in der EU präsentiert.

Vom Vorreiter zum Bremsklotz - Deutschland verspielt sein Renomée (Pressemitteilung von Rebecca Harms vom 13.12.12012)
Doha erreicht nur beschämenden Minimalkonsens (Pressemitteilung von Rebecca Harms vom 08.12.2012)
Global climate justice! (Video by the Greens/EFA web team and MEPs Bas Eickhout, Sandrine Bélier, Satu Hassi)
Umweltverbände kritisieren Ergebnisse als unzureichend (SpOn-Artikel vom 08.12.2012)

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9. Bürgerbeteiligung in Schweden
Vergangene Woche war Rebeca in Schweden, um mehr über den Umgang dort mit dem Atommüll zu lernen. In Schweden wird versucht, die Bevölkerung bei der Suche nach einem Endlagerstandort wirklich einzubeziehen. So kann bis zum Abschluss des Genehmigungsverfahrens die Gemeinde, in der das Endlager gebaut werden soll, ein Veto einlegen – egal wie viel bereits investiert wurde. Und Einwohner der betroffenen Gemeinde, die sich in das Thema einarbeiten wollen, können sich ohne Verdienstausfall zwei Tage im Monat von ihrer Arbeit freistellen lassen.

Von den Schweden lernen (AZ-online Artikel vom 05.12.2012)

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10. AKW-Referendum in Bulgarien
Am 27. Januar 2013 wird in Bulgarien ein Referendum zur zukünftigen Weiterentwicklung der Atomkraft abgehalten. Die Bulgarischen Grünen (Zelenite) hatten sich in einem Bündnis zusammen mit Umweltaktivisten um die Vertretung des Nein-Lagers bei der Zentralen Wahlkommission beworben und mussten hierfür 7000 Unterschriften sammeln. Vergangene Woche wurde ihnen vom Obersten Gerichtshof mitgeteilt, dass sie nicht als aktive Teilnehmer an der Wahlkampagne zum Atomreferendum teilnehmen können. Zelenite wird nun eine Klage gegen die Zentrale Wahlkommission vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorbereiten. Rebecca reist vom 23. bis 25. Januar 2013 nach Sofia, um die Atomkraft-Nein-Danke-Kampagne in Bulgarien zu unterstützen.

Bulgarische Grüne wollen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klagen (Pressemitteilung von Rebecca Harms vom 14.12.2012)
„Vote with No!“ Anti-nuclear campaign for the referendum in Bulgaria by Greens/EFA (Video)

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11. Termine
18. Dezember: Rebecca liest aus ihrem Buch "Ein Tag in Fukushima - eine Woche in Japan". KaufBar, Braunschweig.
19. Dezember: Rebeca liest aus ihrem Buch "Ein Tag in Fukushima - eine Woche in Japan". Fredenberg Forum e.V., Salzgitter.
5. Januar: Neujahrsempfang zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), mit MdEP Martin Häusling und Heiner Scholing. Bienenbüttel.
6. Januar: Frühshoppen zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), mit MdEP Martin Häusling. Trebeler Bauernstuben, Wendland.
12. Januar: Kochen in der Bottega di Lina, mit MdL Miriam Staudte, Dannenberg.
23.-25. Januar: „NEIN zur Atomkraft in Bulgarien“, Unterstützung der grünen Anti-AKW-Kampagne anlässlich des Referendums in Bulgarien, Sofia.


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