Rede von Rebecca Harms am 12. März 2008 im Europäischen Parlament in Straßburg:
Rebecca Harms, im Namen der Verts/ALE-Fraktion . – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst an die Rede des Kollegen Schulz anknüpfen und noch einmal herausstreichen, dass wir keine ehrliche Bilanz der Lissabon-Strategie ziehen, wenn wir ignorieren, dass Europa zwar der große Gewinner der Globalisierung ist, dass diese Gewinne aber sehr ungleich verteilt sind und dass der Zuwachs an Beschäftigung keineswegs dazu geführt hat, dass das Problem der working poor erledigt ist, sondern dass wir im Gegenteil trotz mehr Beschäftigung und trotz mehr Wachstum auch mehr Armut durch prekäre Arbeitsverhältnisse haben.
Wir haben als Europäisches Parlament in unserer Entschließung ausdrücklich darum gebeten, dass das Thema der sektoriellen Mindestlöhne von Kommission und Rat aufgegriffen wird und dass sich die Kommission im Zusammenhang mit den Problemen der zunehmenden sozialen Marginalisierung wirklich mit anderen Bemessungen der Erfolge der Lissabon-Strategie beschäftigt. Dieser Armutsindikator ist in unserer Entschließung ausdrücklich verankert worden, und ich finde es bedauerlich, dass weder der Rat noch die Kommission bisher auf diese Beschlüsse des Europäischen Parlaments eingegangen sind.
(Beifall)
Zum Thema Klima und Energie: Für mich war es ehrlich gesagt erschütternd, dass wenige Tage vor diesem Frühjahrsgipfel ein Vertreter der deutschen Bundesregierung in Brüssel erklärt hat, die Umweltpolitik solle sich doch aus der Industrie- und der Wirtschaftspolitik besser heraushalten. So äußerte sich ein Staatssekretär des deutschen Bundesumweltministeriums, Herr Machnik, er ist den deutschen Kollegen sicher bekannt. Man hat also offensichtlich im deutschen Umweltministerium keine wirkliche Vorstellung davon, was Nachhaltigkeit eigentlich bedeutet.
Es ist nicht verwunderlich, dass dann in der Konsequenz die deutsche Bundesregierung auch weiterhin gegen CO2 -Vorschriften bei Automobilen arbeitet, dass sie den einheitlichen Markt für Energie nicht so sehen möchte, wie die Kommission ihn entworfen hat, und dass sie versucht, ein Bündnis gegen den Bereich „Neue Definitionen des Emissionshandels“ zu organisieren.
Ich stelle mit Bedauern fest, dass die Deutschen sich in diesen Verhandlungen zum Teil nicht mehr an das erinnern, was sie während des Frühjahrsgipfels vor einem Jahr vereinbart und verankert haben. Das, was da zum Teil passiert, steht ausdrücklich im Widerspruch zu den Ergebnissen des Gipfels von vor einem Jahr. Ich bin mir nicht sicher, dass z. B. die neue Priorität für erneuerbare Energien, die so unstrittig scheint, tatsächlich schon reicht, um Nachhaltigkeit im Bereich Energie und Klima zu schaffen.
Ich finde auch, dass die Mittelmeerunion Fragen aufwirft. Manchmal hat man den Eindruck, dass genau wie bei diesen großen Gasgeschäften mit Russland – also Northstream, Southstream – diese Mittelmeerunion ein weiterer Beleg dafür ist, dass in der Union überhaupt keine einheitliche Politik zu Energie und Energieversorgungssicherheit möglich ist. Und wenn sich der Rat mit dieser Problemlage nicht beschäftigt, wird er seine Ziele verfehlen.
(Beifall)