Tschüss Tierschutz? Das Freihandelsabkommen zwischen EU und USA untergräbt die Hoheit der Parlamente.
EUROPA zeo2 | Die dritte Verhandlungsrunde zwischen USA und EU zum geplanten Freihandelsabkommen hat begonnen. Über was genau der EU-Handelskommissar Karel de Gucht und seine Kollegen aus Brüssel mit den US-Amerikanern reden, wissen auch wir Abgeordnete im Europäischen Parlament nicht.
Die Gespräche laufen hinter verschlossenen Türen, sind streng geheim – ganz so, als würden sich die Verhandler sogar davor fürchten, den zuständigen Handelsausschuss im Europäischen Parlament über die Inhalte zu informieren. Mich wundert das nicht. Der Protest gegen das Abkommen wächst auch so. Und er wäre – hätten wir mehr Infos – vermutlich noch größer.
Gründe dafür gibt es viele. Neben den Bedenken zum Datenschutz sind nämlich auch unsere hart erkämpften europäischen Standards im Umwelt- und Verbraucherschutz gefährdet. Standards, für die wir im EU-Parlament gemeinsam mit Nichtregierungsorganisationen und Verbänden jahrelang gekämpft haben. Und nun wollen sie Karel de Gucht und Co einfach so wegverhandeln!
Die Chlorhähnchen aus den USA sind das beliebteste Beispiel für die Angriffe auf unsere Qualitätsstandards. Aber sie sind nur eines von vielen. Gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel etwa sind in den USA weit mehr verbreitet als bei uns in der Europäischen Union. Die US-Konzerne warten nur darauf, ihre Produkte endlich auch auf dem europäischen Markt an die Frau und den Mann bringen zu dürfen.
Über 70 Anträge von Monsanto und Co liegen schon jetzt – ohne TTIP - bei den EU-Behörden zur Genehmigung. Noch müssen sie einzeln geprüft werden. Das Abkommen könnte ihnen automatisch die Tür öffnen. Das gilt genauso für andere Futterzusätze wie Antibiotika, für die auf dieser Seite des Atlantiks wesentlich strengere Regeln gelten als jenseits.
Überhaupt sieht Landwirtschaft in den USA ganz anders aus als bei uns: Dort sind die bewirtschafteten Flächen eines Hofes im Durchschnitt zehn Mal so groß wie in der EU. Die Höfe funktionieren wie kleine Fabriken, rationalisiert und industrialisiert. Mit Nachhaltigkeit und ökologischer Landwirtschaft hat das nichts zu tun. Bio-Landwirtschaft wird kaum noch möglich sein. Tierschutz spielt keine Rolle mehr.
Viele Betriebe – auch bei uns in Deutschland – könnten mit dieser scharfen Konkurrenz aus den USA nicht mithalten. All diese Regeln sind im Sprachgebrauch der Verhandlungsführer sogenannte „nicht-tarifäre Handelshemmnisse“, die es zu beseitigen gilt. Das heißt übersetzt: Nur wenn wir unsere Standards absenken, werden die US-Amerikaner ihre Märkte für unsere Unternehmen öffnen. Für mich ist das eindeutig ein zu hoher Preis.
Besonders bedrohlich ist allerdings das, was zunächst technisch klingt: die Schiedsgerichtsbarkeit. Dieses Prinzip wollen EU und USA in ihrem Freihandelsabkommen verankern. Was steckt dahinter? Ein Unternehmen, das meint, dass bestimmte politische Entscheidungen oder bestehende Gesetze gegen die in der Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) vereinbarten Regeln verstoßen, kann dagegen klagen.
Gibt ihm das Gericht Recht, muss die Vorschrift oder das Gesetz geändert werden. Die eigentlichen politischen Entscheidungsträger in einer Demokratie, nämlich allen voran die Parlamente, haben keinerlei Mitsprache mehr. Bisher gibt es diese Schiedsgerichtsbarkeit nur in einzelnen Verträgen, die Staaten mit Unternehmen schließen, zum Beispiel bei der Vergabe von Konzessionen.
Aber mit TTIP würde dieses undemokratische Verfahren Prinzip. Beispiele, das Unternehmen davon Gebrauch machen, gibt es viele. In Deutschland klagte kürzlich Vattenfall gegen den Atomausstieg. Der Konzern fordert Millionen Euro Schadensersatz. Das Urteil steht noch aus.
Auch Regeln für Verbraucher- und Umweltschutz können so aus dem Weg geräumt werden. Die Europäer sollten sich lieber ein Beispiel an den Australiern nehmen. Die lassen die Schiedsgerichtsbarkeit mittlerweile in ihren Staatsverträgen überhaupt nicht mehr zu.