Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#lissabonstrategie    07 | 03 | 2008

Newsletter 02/08

1. Lissabon-Strategie
2. Brüsseler Erklärung
3. Lester Brown: Reversing the trends
4. AKW Mochovce: Greenpeace verklagt slowakische Regierung
5. Demokratie-Safari nach St. Petersburg
6. Termine
 
Liebe Freundinnen und Freunde,
 
bei uns ist es so turbulent, dass wir unseren Newsletter leider später als sonst versenden. Ich bin viel gereist. Und im Parlament stehen die Klima- und Energiethemen weiter im Mittelpunkt.
 
Eines der beiden großen Gesetzespakete zur Energiepolitik, die noch unter "Klimakanzlerin Merkel" auf den Weg gebracht wurden, das so genannte Marktpaket, ist jetzt in den Ausschüssen in der Beratung. Bereits in der nächsten Woche müssen alle Änderungsanträge dazu eingebracht sein. Europäische Energiepolitik hat ja in der letzten Woche richtig Spaß gebracht: Nachdem die Bundesregierung, unterstützt auch von vielen Abgeordneten aus Deutschland, konsequent versucht hat, die von der Kommission vorgeschlagene Entflechtung der Energiekonzerne zu verhindern, sind die EON-Ankündigungen hier eingeschlagen wie eine Bombe. Dafür hat die Kommission auch Lob verdient, dass EON auf die kartellrechtlichen Auseinandersetzungen jetzt mit dem Verkauf seiner Netze reagieren musste. Dass die Entscheidung just zum Energieministerrat bekannt wurde, trägt hier zusätzlich zu guter Laune bei. Wir haben den Eindruck, dass wir einem faireren Markt für Energie einen erheblichen Schritt näher gekommen sind. Zumindest wenn die Kommission konsequent bleibt.
 
Das zweite Paket, das ‚Klima- und Energiepaket’, steht noch ganz am Anfang der Beratungen im Europäischen Parlament. Aber auch zu diesem zweiten Teil der Klima- und Energieregulierungen verhält sich die Bundesregierung nicht nur konstruktiv. Der recht konsequente Vorschlag der Kommission zum zukünftigen EU-Emissionshandel ist umstritten, weil die energieintensive Industrie einbezogen werden soll. Wenn man liest, dass Umweltstaatssekretär Mathias Machnig vertritt, die Umweltpolitik solle sich nicht in die Industriepolitik einmischen, dann ahnt man, woher der Wind weht. So wie auch bei der CO2-Regulierung für Autos arbeitet selbst das BMU für kurzfristige Industrieinteressen und gegen die eigenen Klimaziele. Bali war im Dezember, der G8 Gipfel im Sommer und der Klimagipfel der EU im März 2007. Alles schon vergessen? Oder doch nicht so gemeint? Dabei geht es doch allen "um die Rettung der Welt" (Sigmar Gabriel).
 
Anlässlich der Konferenz der deutschen grünen Fraktionsvorsitzenden aus Ländern, Bund und Europa, die erstmals in Brüssel stattgefunden hat, wurde mit Umweltkommissar Dimas diskutiert. Es wurde sehr deutlich, dass ehrgeizige Klimapolitik keineswegs ein Selbstläufer ist. Stavros Dimas hat noch einmal die böse Geschichte von der Verwässerung der CO2-Automobilrichtlinie erzählt. Zur Zeit läuft die Autoindustrie weiter Sturm gegen die vorgeschlagenen Strafen bei Nichterfüllung der Durchschnitts-CO2-Grenzwerte. Aber ohne die von der Kommission vorgeschlagenen Sanktionen wird der ganze Vorschlag windelweich. Neben vielen Wünschen an die Grünen hat der Kommissar uns seine große Skepsis zu Agrofuels erläutert. "Wäre ich grün, ich würde dazu lauten Protest organisieren". Wir werden sehen, ob wir die 10% Quote nicht doch noch kippen können. Hier im Europäischen Parlament setzt sich nach und nach Vernunft durch. Allerdings bisher ohne Konsequenz.
 
Nun kurz zu zwei Reisen, deren Zweck und Ergebnisse uns noch beschäftigen werden. In St.Petersburg habe ich gemeinsam mit Bellona, einer insbesondere aus Norwegen unterstützten russischen Umweltinitiative, eine Demokratie-Tour organisiert. Am ersten Tag wurden Gespräche mit Nichtregierungsorganisationen geführt. Am zweiten Tag haben wir die Ergebnisse dieser Gespräche an den Ombudsmann der Region St.Petersburg herangetragen. Tatsächlich wirkt sich das von Präsident Putin forcierte Gesetz zu NGOs sehr negativ aus. Die Organisationen werden geprüft. Die Prüfaspekte sind sehr verschieden um nicht zu sagen willkürlich. Im Ergebnis werden sie oft nicht wieder auditiert. Einige der Initiativen, die in erster Linie für Umwelt oder Bürgerrechte arbeiten, gehen jetzt mit Beschwerden vor Gericht. Der St.Petersburger Ombudsmann kann aber keine Probleme erkennen. Er bilanziert, dass es heute mehr NGOs als je zuvor gebe. Da er Kitas, Krankenhäuser, Sportvereine etc. dazu rechnet, kann sogar stimmen, dass er mehr auditierte Organisationen zählen kann. Citizens watch aus St. Petersburg fordert von uns deshalb, dem Europarat, dem ja auch Russland angehört, eine einheitliche international verbindliche Definition für NGO abzuverlangen. Russland brauche seine Zivilgesellschaft. Das neue Gesetz richte sich aber gegen die organisierte und engagierte Einmischung der Bürger für ihren Staat. In der Woche vor Ostern werde ich mit der Russland-Delegation das erste Mal seit den Parlamentswahlen in Russland in der Duma über diese Probleme diskutieren. Beschäftigen wird uns dort in Moskau auch der Fall Chodorkovsky mit allen seine Folgen. Und ich werde natürlich über die Energielieferpolitik, die Ostsee-Pipeline und die russische Energiepolitik reden.
 
Ich war auch wieder in Bratislava. Dieses Mal nicht auf Einladung des European Nuclear Forum sondern von Greenpeace. Wir haben in einer Pressekonferenz begründet, warum Greenpeace wegen fehlender Umweltverträglichkeitsprüfung für die Fertigstellung von zwei Blöcken des AKW Mochovce vor Gericht gehen wird. Es ist unglaublich aber wahr. In der Slowakei will der italienische Energiekonzern ENEL eine Genehmigung ausnutzen, die schon 1986 erteilt wurde und zwar für Reaktoren, die in Russland entwickelt wurden. Die Fertigstellung des seit 1992 still liegenden Projektes ist natürlich billiger als der Neubau eines EPR, wie er zur Zeit in Finnland entsteht. Es ist irre, wie ENEL in der Slowakei etwas durchsetzen kann, was im "alten Europa" für Aufstände sorgen würde. Auch in Italien wäre es unvorstellbar, russische Reaktoren im Design der 70er Jahre auf der Grundlage eines Genehmigungsverfahrens von Mitte der 80er zu errichten. Zuerst sind das doppelte Standards. Und hintenrum senkt ENEL so die Sicherheitsstandards für ganz Europa.
 
Nach Ostern mehr. Dann gibt es mehr zum Energiemarktpaket. Mehr zu Russland mit dem Bericht von den Gesprächen im russischen Parlament. Mehr zum Telekom-Paket nach einem Besuch auf der CEBIT. Und dann kommt auch endlich meine neue Homepage Bis dahin schon mal anschauen, was Lester Brown gestern in Brüssel über die Lage der Zivilisation gesagt hat! Auf jeden Fall ist Plan 3.0 ein sehr lesenswertes Buch.
 
Grüße aus Brüssel.
Eure Rebecca
 
1. Lissabon-Strategie
Am 20. Februar wurde der gemeinsame Entwurf der Lissabon-Resolution von Karl-Heinz Lehne (PPE) und Rebecca Harms mit großer Mehrheit verabschiedet. Die Grünen stimmten für den Bericht. Die Lissabon-Strategie soll dazu dienen, gute wirtschaftliche Entwicklung in Einklang mit sozialer Gerechtigkeit und dem Schutz der Umwelt zu erreichen. Die in Straßburg beschlossenen Empfehlungen zur Lissabon-Strategie stellen den inhaltlichen Input des Europaparlaments für den EU-Frühjahrsgipfel dar. Die Grünen freuen sich über die in der Resolution enthaltene Forderung, das Prinzip der Nachhaltigkeit in allen Politikbereichen zur Priorität zu machen und entsprechende Indikatoren zu entwickeln, die Verbesserungen der Lebensqualität und der Umweltqualität messen. Probleme haben die Grünen dagegen mit der im Text propagierten „low carbon economy“ und den schwach formulierten sozialpolitischen Zielen.
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2. Brüsseler Erklärung
Am 29. Februar trafen sich erstmals die grünen Fraktionsvorsitzenden aus Europaparlament, Bundestag und Landtagen in Brüssel. Ihr Hauptthema, die europäische Klimapolitik, haben sie auch mit EU-Umweltkommissar Stavros Dimas diskutiert. Und die Brüsseler Erklärung „Fünf Schritte für zwei Grad“ verabschiedet.
Brüsseler Erklärung
Biokraftstoff-Artikel von Harms und Lorenzen
 
3. Lester Brown: Reversing the trends
Die europäischen Grünen luden am 4. März den renommierten Umweltaktivisten Lester Brown ins Europaparlament. Brown, Gründer des Worldwatch Institut, stellte sein neues Buch "Plan B 3.0" vor, in welchem er seine Strategie zur Trendumkehr darlegt. Anschließend diskutierte er mit den Grünen und den Gästen über die Lage unserer Zivilisation.
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4. AKW Mochovce: Greenpeace verklagt slowakische Regierung
Rebecca reiste am 26. Februar nach Bratislava zu einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Greenpeace Slovakia zum geplanten Ausbau der Blöcke 3 und 4 des AKW Mochovce. Greenpeace gab bekannt, gegen die slowakische Regierung wegen Unterlassung der Durchführung der gesetzlich vorgeschriebenen Umweltverträglichkeitsprüfung Klage zu erheben. Rebecca unterstützt die Klage.
 
5. Demokratie-Safari nach St. Petersburg
Rebecca fuhr Mitte Februar mit ihrer Kollegin Gisela Kallenbach nach St. Petersburg. Die kleine Studienreise wurde von der NGO Bellona organisiert. Treffen mit Oppositionellen, NGOs und Journalisten in St. Petersburg sollten Unterstützungsarbeit für diejenigen leisten, die sich in Russland für Bürgerrechte und Demokratie einsetzen.
Bellona-Bericht
St Petersburg Times Artikel
 
6. Termine
7. März: Gentech-Verantaltung, Salzwedel
17.-19. März: Parlamentarischer Koperations-Ausschuss EU-Russland, Moskau
28.-29. März: “From Global Warning To Global Politics”, World Political Forum und Club of Rome, Turin
11.-13. April: Erweiterte Vorstandssitzung, Ljubljana
15. Mai: „Das blaue Gold - Recht auf Wasser oder Kampf um Wasser?!“, Hannover
28.-31. August: Sommeruniversität der Europäischen Grünen, Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder und Slubice


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