Liebe Freundinnen und Freunde,
zuerst mal Neues aus dem Team: Wir freuen uns im Büro Harms alle sehr, dass Frida und Emil, die Zwillinge von Silke Malorny, nun schon stramme Babies sind. Und bei Annabelle ist inzwischen auch Alma gut angekommen und hat die Familie neu auf Trab gebracht. Es gibt also zumindest ein paar Gründe aus dem wirklichen Leben, die uns unter anderem mit unserem Newsletter Service etwas aus dem Takt gebracht haben. Aber jetzt geht es wieder los. Und ausnahmsweise nicht nach, sondern zu Beginn einer Plenarwoche in Straßburg.
Ein bestimmendes Thema wird in dieser Plenarwoche die Debatte um die Neuausrichtung der EU Flüchtlingspolitik sein. Kommissionspräsident Juncker hatte zuletzt in Straßburg erklärt, dass er die alte Strategie der Flüchtlingsabwehr für einen Fehler hält. Er hat nicht nur für eine konsequente Seenotrettung plädiert. Mit Dublin und Abschottung komme man nicht mehr weiter, so der Präsident der Europäischen Kommission. Das Parlament hat dazu eine gemeinsame breit getragene Resolution verabschiedet.
Ich halte das für wichtig, denn ich bin überzeugt, dass man die Flüchtlings- und Einwanderungspolitik nur gestützt auf einen breiteren Konsens als bisher so entwickeln kann, wie es erforderlich ist. Das Ende der Abschottung und die Schaffung von mehr legalen Einreisemöglichkeiten, die Wiederbelebung des politischen Asyls und die Klärung einer zukunftsfähigen Einwanderungspolitik sind für die EU unverzichtbar. Der Vorstoß der Außenbeauftragten und der Außenminister der EU, den Schleppern das Handwerk zu legen und mit militärischen Mitteln die Flüchtlingsboote zu zerstören, könnte einen überzeugenden Neuanfang konterkarieren. Nachhaltige Entwicklungspolitik in Afrika und mehr Anstrengungen in den Ländern rund um die Kriegsgebiete in Syrien und im Irak würde mehr Menschen Vertrauen in die Zukunft geben als der vorgeschlagene Einsatz. Zu Recht hat der UN Beauftragte Sutherland die EU davor gewarnt, das Leben von Schutzbedürftigen mit dieser Strategie zu gefährden. Im SWR2-Interview von heute morgen warne ich ebenfalls vor einem militärischen Vorgehen gegen Schlepper (>Audio-Link).
Ein weiteres großes Thema wird der Fortschrittsbericht zur Türkei sein. Es ist ein Balanceakt. Einerseits sollen die Perspektiven der Verhandlungen nicht belastetet werden. Andererseits kommen zuletzt fast täglich Nachrichten aus Ankara, die zeigen, dass es der Regierung und dem Präsidenten im Kampf um die politischen Mehrheiten bei den bevorstehenden Wahlen schon längst nicht mehr darum geht, den Anschein der Rechtsstaatlichkeit zu wahren. Das Vorgehen gegen kritische und oppositionelle Journalisten und Medienunternehmen, die Inhaftierung selbst von Richtern, sind traurige Beispiele für eine selektive Justiz. Zur Zeit muss jeder, der Kritik an der AKP-Führung äußert damit rechnen, als 'parallel' und zum Staatsfeind erklärt zu werden. Der Herausgeber der größten türkischen Tageszeitung musste zu dem Seminar, dass Guy Verhofstadt und ich zur Pressefreiheit in der Türkei Ende April organisiert hatten, wegen eines Ausreiseverbotes zugeschaltet werden (> Video).
Anfang Juni werde ich zusammen mit meinem Ko-Vorsitzenden Philippe Lamberts nach Athen reisen. Weiterhin bleibt die Entscheidung zur Zukunft Griechenlands im Euro offen. Mich bedrückt, dass die eigentlichen Reformen, also der Aufbau eines Staates mit funktionierenden Institutionen, seit Beginn der Krise nicht wirklich angegangen worden sind. Den Preis dafür zahlen die vielen kleinen Leute und Unternehmer. Mehr dazu nach dem geplanten Besuch.
Wir haben inzwischen in Zusammenarbeit mit der Heinrich Böll Stiftung Brüssel und der Vertretung des Landes Hessen eine Veranstaltungsreihe zu den Herausforderungen der neuen und aggressiven Außenpolitik Russlands initiiert, die in Brüssel auf regen Zulauf trifft. Der Schwerpunkt der Reihe liegt auf der Informations- oder besser Desinformationspolitik Russlands, den Folgen russischer Propaganda und vernünftigen und aussichtsreichen Antworten in der EU. Unser letzter Gast war Buchautor Peter Pomerantsev. Dessen Studie „The Menace of Unreality“ und auch sein Buch "Nothing is real and everything is possible" empfehle ich sehr. Es erscheint im Sommer auf deutsch und bietet sensationell spannende Einblicke in die russische Gesellschaft. Seine Studie gibt es >hier.
Vergangene Woche war ich auf einer Konferenz gegen den Bau des Atomkraftwerkes Akkuyu in der Türkei und an der Gründung des Netzwerks “Common Front Against Nuclear in the Mediterranean” mit Bürgerinitiativen und Politikern aus Zypern, auch aus dem Norden, und aus der Türkei beteiligt. Die Konferenz fand in der "Grünen Zone" an der Demarkationslinie in Nikosia statt. Die >Erklärung, welche die türkische Regierung auffordert, den Bau Akkuyus sofort zu stoppen, wurde von Organisationen Zyperns, Griechenlands und der Türkei unterzeichnet.
Was sonst noch und in der letzten Straßburgwoche passierte, findet Ihr wie gehabt unten und in den Links.
Auf bald hoffentlich.
Eure Rebecca
1. EU-Quotenregelung für Flüchtlinge
Das Europaparlament hat sich Ende April mit großer Mehrheit für eine fairere Verteilung von Flüchtlingen in den EU-Mitgliedstaaten ausgesprochen. Die Grünen fordern schon seit langem eine echte Abkehr vom Dublin-System und mehr Engagement beim UNHCR.
Rebecca im ZDF-MoMa zu Aufnahmequoten für Flüchtlinge, 30.04.2015
Staats- und Regierungschefs setzen auf Abschreckung, Pressemitteilung, 23.04.2015
2. EU-Parlament reduziert Plastiktüten
Die Europäische Kommission stellte im April neue Regeln für den Import von Genpflanzen-Futtermitteln vor. Der Vorschlag gibt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit den Handel von gentechnischen Produkten innerhalb ihres Territoriums zu beschränken und nationalisiert somit das Zulassungsverfahren. Die Gefahr, dass über die Ebene der Nationalstaaten große Saatgutkonzerne und dahinter die Chemieindustrie mehr Einfluss und größere Kontrolle bekommen, steigt.
EU will endlich Verbrauch von Plastiktüten senken, Euronews, 28.04.2015
3. Resolution für die Freilassung von Sawtschenko
In der Plenarwoche haben wir uns in einer Dringlichkeitsdebatte mit einer Resolution für die Freilassung der in Russland inhaftierten ukrainischen Pilotin Nadja Sawtschenko eingesetzt. Darin fordern wir mit großer Mehrheit die Staats- und Regierungschefs der EU auf, sich konsequent und mit allen Möglichkeiten für die Freilassung Nadja Sawtschenkos einzusetzen, die bei der letzten Wahl ins ukrainische Parlament gewählt worden ist und ihr Land auch im Europarat vertreten soll. Leider ist Nadja Sawtschenko nicht der einzige Entführungsfall. Der Filmemacher Oleg Sentsov und der Krimtartar Hayser Dschemilew gehören zu den wenigen ukrainischen Bürgern, deren Namen bekannt sind. Im Dialog mit Russland müssen Entführungsfälle und unrechtmäßige Inhaftierungen von ukrainischen Bürgern immer wieder zur Sprache gebracht und deren Freilassung gefordert werden.
Entschließung zum Fall Nadija Sawtschenko (2015/2663(RSP))
4. Jahrestage Tschernobyl und Republik Freies Wendland
Am 29. Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe habe ich gemeinsam mit 3500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern gegen Atomkraft und das AKW Fessenheim demonstriert. Wir haben Staatspräsident Hollande an sein Versprechen erinnert, das AKW Fessenheim bis Ende 2017 vom Netz zu nehmen. UND: Vor 35 Jahren wurde die freie Republik Wendland gegründet. Meine Erinnerungen und Ausschnitte aus dem Film "Der Traum von einer Sache" zeigt ein Video der wendländischen Filmkooperative.
„Demos in Fessenheim und Philippsburg“, SWR-Beitrag mit Video vom 26.04.2015
„3500 pour la fermeture“, DNA, 26.04.2015
www.dna.fr/edition-de-guebwiller/2015/04/26/3500-pour-la-fermeture
Erinnerungen an die Freie Republik Wendland, WFKO
5. Termine
26. Mai: A Green Energy Union to meet our Climate Objectives, Brüssel.
30 Mai: „Ukrainian Crisis - Do Moral Considerations Matter in the 21st century Politics? Krakau.
Mehr Informationen zu den Terminen: http://rebecca-harms.de/index.php/presse/termine