Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#ukraine    08 | 12 | 2014

NDR-Hörfunk: Grüne EU-Delegation besucht Ukraine

EU-Delegation besucht Ukraine: Der Winter wird hart

Stand: 08.12.2014 05:14 Uhr

Von Kai Küstner, NDR-Hörfunkstudio Brüssel

Am Wochenende ist eine Delegation von EU-Abgeordneten der Grünen in die Ukraine gereist. Sie musste feststellen, dass das Land nicht nur militärisch vor großen Problemen steht. Aber eine junge Generation macht Hoffnung.

"Danke, Wladimir Putin", sagt die junge pro-europäische Aktivistin Olena Frankivska und lächelt dabei verschmitzt. Es mag paradox erscheinen, dass eine Frau, die für die europäische Idee auf dem Maidan in Kiew ihr Leben riskiert hat, sich beim russischen Präsidenten bedankt. Aber es wird schnell klar, wie sie das meint: "Putin hat in der Ukraine folgendes bewirkt: Seinetwegen haben wir heute eine stärkere Armee, seinetwegen hatten wir erfolgreiche Wahlen, seinetwegen gibt es jetzt die Grundlage für echte Reformen."

Was die pro-europäische Aktivistin damit zum Ausdruck bringt: Die russische Aggression in ihrem Land sei ein dermaßen abschreckendes Beispiel, dass die Ukraine nur noch schneller in die offenen Arme Europas fliehe.

Hoffnung und Befürchtungen

In der Tat erleben nun selbst Gegenden patriotische Aufwallungen, die sonst nicht als besonders Kiew-freundlich galten: "Wir werden das Beste aus diesem schlechten russischen Vorbild machen und die Ukraine in ein besseres Land verwandeln", verspricht die Aktivistin. Aber jeder weiß: Leicht wird das nicht - nicht nur wegen der Kämpfe mit den pro-russischen Separatisten im Osten des Landes.

"Wir befürchten, dass dies der härteste Winter in der Geschichte unseres Landes wird", warnt der junge Parlamentarier Mustafa Nayem. Die Ukraine ist so gut wie pleite, die Wirtschaft liegt am Boden, das Energie-Problem ist - trotz des Gas-Abkommens mit Russland - nicht gelöst: "Wir haben ein Riesen-Problem mit der Elektrizität. Nicht weil Gas fehlt, sondern weil Kohle fehlt. Unsere Kohlevorkommen sind von Russland besetzt."

Die Angst vor der Kälte

Schon jetzt, wo der erbarmungslose Winter gerade erst beginnt, gibt es Blackouts. Der Strom wird in einigen Regionen stundenweise abgeschaltet. Erdrückend scheinende Probleme, die Politiker geradezu dazu einladen könnten, in eine Art Winterstarre zu verfallen und gar nichts zu tun. Doch die junge Garde gelobt, genau diesen Fehler nicht zu machen:

"Das sind junge Leute, die haben schon während ihrer Ausbildung nachgedacht, wie sie - mit dem, was sie lernen - ihr Land verändern und das oligarchische System anhalten können", sagt Rebecca Harms, Fraktionschefin der Grünen im EU-Parlament.

Die Zeit wird knapp

Auf die hofft nun nicht nur Harms. In der Tat haben es rund 30 bis 40 Reformhungrige und teilweise auf ausländischen Elite-Unis ausgebildete Aktivisten geschafft, sich ins ukrainische Parlament wählen zu lassen. Und die wissen: Sie müssen jetzt schnell Ergebnisse liefern, zum Beispiel beim Thema Korruptionsbekämpfung.

"Es gibt den klugen Satz: Es ist einfacher, für Werte zu sterben als mit ihnen jeden Tag zu leben", sagt die Jung-Parlamentarierin Svitlana Zalychuk. "Die Gesellschaft muss jetzt durch einen harten Prozess des Wandels hindurch - all das, was wir in den letzten 23 Jahren unserer Unabhängigkeit versäumt haben."

Der pro-europäische Reformgeist ist also derzeit in der Ukraine nicht nur lebendiger denn je. Er ist teilweise sogar an der politischen Macht beteiligt. Es erscheint paradox: So verzweifelt die Lage in der Ukraine sein mag, so groß sind auch die Hoffnungen. Für den russischen Präsidenten wäre es ein echtes Problem, wenn die nun auch noch erfüllt würden.

Audio-Datei auf tagesschau.de: http://www.tagesschau.de/ausland/ukraine-863.html


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