Anlässlich des 22. Jahrestages des katastrophalen Unfalls im Atomkraftwerk Tschernobyl wollen die Grünen im Europäischen Parlament die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf ein besonders skandalöses Kapitel in der Geschichte der Atomenergie in Europa lenken. Es geht um das slowakische AKW Mochovce. Für die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europäischen Parlament, Rebecca Harms, ist es höchste Zeit, gegen die Fertigstellung von zwei Bauruinen aus Sowjetzeiten mit allen politischen Möglichkeiten vorzugehen:
"Energie-Kommissar Piebalgs darf den verantwortungslosen Planungen des italienischen Konzerns ENEL nicht seinen Segen geben. Sollte Brüssel Mochovce 3 und 4 positiv bewerten, ist das ein Skandal. Es wäre eine Demonstration für die erschreckende Willfährigkeit der Kommission gegenüber einem großen Energiekonzern und seinen nuklearen Ambitionen.
Das Reaktordesign für das AKW Mochovce stammt aus den 70er Jahren. Es handelt sich um den Tschernobyl Nachfolge-Typ. Baubeginn war Mitte der 80er Jahre. 1992 wurde der Bau aufgegeben. Bis der italienische Konzern ENEL die Slowakei entdeckte. Auferstehung aus Bauruinen – so plant der Energieriese heute die so genannte Renaissance der Atomenergie. Dass eine Nachrüstung auf heutige technische Sicherheitsstandards nicht möglich ist, schert das Unternehmen nicht. So wird es ein Containment, eines der wichtigsten Sicherheitselemente, nicht geben. Allein dieser Mangel muss ausreichen für ein unmissverständliches „Nein!“ aus Brüssel.
Der atomare Geist der Sowjetunion lebt aber nicht nur auf den Baustellen auf. ENEL beabsichtigt, die nunmehr 20 Jahre alte Baugenehmigung noch tschechoslowakischen Ursprungs zu nutzen. Weder in der ehemaligen Tschechoslowakei noch in der Sowjetunion waren Planung, Genehmigung und Aufsicht getrennt. Geschweige denn gab es eine Umweltverträglichkeitsprüfung, die Beteiligung von Bürgern oder Nachbarstaaten. Ein Genehmigungsverfahren aus den 80er Jahren in der Tschechoslowakei darf als Grundlage für Fertigstellung und Inbetriebnahme von Atomkraftwerken mehr als zwei Jahrzehnte später nicht akzeptiert werden. Dieses Genehmigungsverfahren ist ein zweiter harter Grund, weshalb Kommissar Piebalgs auf keinen Fall positiv auf die ENEL-Pläne reagieren darf.
Ich halte es für überfällig, dass nicht nur Österreich sondern auch andere EU-Länder sich in das Verfahren zu Mochovce in Brüssel und in Bratislava einschalten. Schlechtere Sicherheitsstandards für Reaktoren in Zentraleuropa darf es nicht geben. Wir dürfen auch nicht zulassen, dass Bürger der neuen Mitgliedstaaten weniger demokratische Rechte haben. Es ist höchste Zeit, dass sich auch der deutsche Bundesumweltminister nach allen rechtlichen und politischen Möglichkeiten einschaltet, um die provozierenden Pläne des italienischen Konzerns in der Slowakei zu stoppen."
Das Hintergrundpapier zum Fall Mochovce können Sie hier herunterladen.
Hier das Dokumentarvideo The ghosts of Soviet nuclear - The case of Mochovce