Das Jahr 2017 geht zu Ende. Ich möchte hier schlaglichtartig einige meiner Schwerpunkte für 2018 ansprechen, die sich auch aus meiner Arbeit im Auswärtigen Ausschuss, im Umwelt- und im Industrieausschuss ergeben.
Einen Moment des Aufatmens und einen Ansporn für meine Türkei-Arbeit im kommenden Jahr hat die sehr gute Nachricht bewirkt, dass Mesole Tolu raus ist aus dem Gefängnis. Ihre Freilassung – auch dank starker Proteste! – ist aber ebenso ein Grund an all die anderen zu denken, die weiter unter schrecklichen und unwürdigen Bedingungen im Gefängnis sind, ihre Arbeit und oft ihr Vermögen verloren haben oder sich aus Angst vor politischer Verfolgung auf die Flucht aus der Türkei begeben haben. Deniz Yücel kennt inzwischen jeder Deutsche. Doch das Schicksal zig Tausender Männer und Frauen und auch fast 700 Babys und Kinder bleibt verborgen. Mehrere Tausend Richter, Staatsanwälte und Anwälte sind inzwischen Ziel der Verfolgung. Anfang 2018 soll es deshalb im Europäischen Parlament eine Veranstaltung zu der Entwicklung der türkischen Justiz geben. Ich hoffe auch, dass es uns gelingt während der Leipziger Buchmesse eine Ausstellung zu den über 160 inhaftierten Journalisten zu zeigen, die wir bereits zum Tag der Pressefreiheit 2017 im Europäischen Parlament präsentiert haben. Termine dazu werden wir rechtzeitig bekannt geben.
Wir dürfen nicht vergessen, dass es eine andere Türkei gibt als die von Präsident Erdogan. Und dass wir mit unserer Politik auch die Zukunft derjenigen im Auge haben müssen, die sich eine demokratische Türkei nicht nur wünschen, sondern dafür in der Opposition oder in Solidarität mit den Inhaftierten oder als Journalisten immer noch mutig und offen eintreten.
Auf die Leipziger Buchmesse freue ich mich in diesem Jahr auch deshalb, weil der ukrainische Schriftsteller Serhij Zhadan dort seinen neuen Roman "Internat" präsentieren wird. Ich bin gespannt, wie es dem großartigen Zhadan gelingen wird, unsere Blicke noch einmal neu auf die Ukraine zu richten. Ganz aktuell sind die Meldungen wieder furchtbar über den Krieg, in den Putin das Land gezwungen hat. Es ist der vierte Kriegswinter, das vierte Jahr, in dem die Weihnachtszeit für die Menschen, die in der Nähe der Front leben, nichts von dem Schrecken verbirgt, den dieser Krieg für die Menschen bedeutet. Bei aller notwendigen auch kritischen Auseinandersetzung mit der ukrainischen Politik dürfen wir nicht übersehen, dass Reformen zur Rechtsstaatlichkeit im Land trotz des Krieges vorangebracht wurden. Zu Beginn der nächsten Sitzungswoche des ukrainischen Parlaments im Januar werde ich mit KollegInnen aus Polen, Litauen und Deutschland in Kiew sein und die Debatte über die Korruptionsbekämpfung fortsetzen. Wir wollen dort nicht nur KollegInnen aus Parlament und Regierung, sondern auch die Leitung der Anti-Korruptionsbehörden und die Zivilgesellschaftlichen Organisationen treffen.
In Brüssel werden wir im Frühjahr die Anhörung fortsetzen, die ich im Europaparlament zur Arbeit und zum Vergleich von staatlichen Anti-Korruptions-Behörden in der Ukraine und in Rumänien im November gemacht habe. Und mit SOS Crimea machen wir im Februar eine Veranstaltung zur Verschlechterung der Menschenrechtslage auf der Krim. Ich habe nach seiner überraschenden Freilassung zwei Mal Ahmet Chigoz getroffen, den Sprecher des Mejlis (Parlament der Krimtataren ). Er war drei Jahre lang in Simferopol im Gefängnis und berichtet über die Verfolgung der Kritiker der Annektierung
durch Russland und die systematische Unterdrückung der Tataren. Die Lage auf der Krim muss mehr internationale Aufmerksamkeit bekommen!
Mein anderer Arbeitsbereich, die Umwelt-, Energie- und Klimapolitik, wird mich 2018 wieder nach Polen bringen. Polen hat wieder den Zuschlag bekommen, die Klimakonferenz auszurichten. Von Posen über Warschau führt der Weg nach Kattowitz. Wir werden uns anstrengen müssen, dem klimaskeptischen Pro-Kohle-Kurs der polnischen Regierung, die bei diesem Thema politisch sicher mehr Unterstützung hat als bei der Justizreform, etwas entgegen zu setzen. Als Europafraktion können wir anknüpfen an die Zusammenarbeit nicht nur mit polnischen Grünen, sondern auch mit den Initiativen und RegionalpolitikerInnen, die während der letzten COP in Polen auf unsere Einladung in Warschau zusammenkamen. Die Vorbereitung auf die Klimakonferenz sollte Ideen des Green New Deal und Erfahrungen mit dem Strukturwandel in anderen Kohleregionen verknüpfen. Wir werden sehr gut auch auf die Arbeit der Länderbüros der Heinrich-Böll-Stiftung zurückgreifen können. In den Büros in Warschau, Prag und Kiew stehen Klimaschutzstrategien und -projekte zunehmend im Mittelpunkt. Die Arbeit zur COP24 in Polen ist auch ein gutes warm-up für die Kampagne zur Europawahl 2018 und unseren Ideen für Klimaschutz-Projekte, Innovation und Beschäftigung, gerade auch für Osteuropa.
Im Umweltausschuss und im Industrieausschuss des EP werde ich mich in die Gesetzgebung zu Klimaschutz und Autos vertiefen. Die CO2 Regulierung von PKW steht zur Überarbeitung an. Federführend wird der Umweltausschuss sein. Uns Grünen muss es darum gehen, dafür zu sorgen, dass die Gesetzgebung so ausgestaltet wird, dass die klimaschädlichen Emissionen des Straßenverkehrs entsprechend des Pariser Abkommens verankert werden. Wir wollen diese Gesetzgebungsdebatte dazu nutzen, nicht nur technologische Entwicklungen zu diskutieren, die das Potential haben die zukünftige Mobilität zu prägen. Wir wollen auch über die gesellschaftlichen Veränderungen reden, die durch neue Technologien ausgelöst werden können. An die positiven Erfahrungen des Grünen Automobil Kongresses und der Veranstaltung mit dem Landesverband Niedersachsen würde ich dabei gern anknüpfen und die Diskussion mit Gewerkschaften, Unternehmen, Wissenschaftlern, Ingenieuren und Stadtplanern fortsetzen.
Neues wird es im kommenden Jahr auch geben zu zwei alten aber doch immergrünen Atom-Themen. Anders als Deutschland sind ja etliche EU-Länder und auch Nachbarländer noch nicht aus der Atomkraft ausgestiegen. Ich habe zusammen mit einer Gruppe von grünen Europaabgeordneten eine Studie zum Reformbedarf des EURATOM-Vertrages in Auftrag gegeben. Wir fürchten, dass das Verfahren von Österreich und Luxemburg vor dem EuGH gegen die Subventionierung des Neubaus und des Betriebes des Atomkraftwerkes Hinkley Point C an EURATOM scheitert. Der Vertrag passt nicht mehr in die EU von heute, in der Staaten aus der Atomenergie aussteigen. Großbritanniens wahrscheinlicher Ausstieg aus EURATOM im Zuge des Brexit wird den Vertrag sowieso auf die Tagesordnung der EU bringen. Wir fordern, dies zum Anlass für eine tiefe Reform des Vertrags zu nehmen. Im Mittelpunkt der gemeinsamen Politik darf nicht die Förderung der Atomkraft, sondern muss der Schutz der Bevölkerung vor den Risiken beim Betrieb, während des Ausstiegs, beim Umgang mit dem Atommüll und bei Katastrophen stehen. Die EURATOM Reform soll auch in der Auseinandersetzung um die grenznahen Atomkraftwerke eine Rolle spielen. Im April wird unser europäischer Zusammenschluss Atomfreier Regionen mit Uli Höfgen in Rheinland-Pfalz tagen und sich mit Risiken der Laufzeitenverlängerung und den grenznahen AKWs beschäftigen.
Was länger währt, wird hoffentlich noch besser als gedacht: Nach vielen Jahren der Zusammenarbeit mit dem Atomexperten Mycle Schneider am "World Nuclear Industry Status Report" und Präsentationen in verschiedenen Ländern hatte ich mir vorgenommen, dass der ganze Bereich des Atommülls nicht unbearbeitet bleiben darf. Je öfter der Status Report vorgestellt wurde, desto mehr häuften sich auch Fragen nach der Entsorgung. Zusammen mit anderen Fachleuten haben wir ein Konzept für einen Nuclear Waste Report entwickelt. Dieser Bericht soll nach vereinbarten Kriterien eine Beschreibung der Lage in den wichtigsten Atomstaaten liefern, nach Möglichkeit die Müllmengen und Kategorien erfassen und auch die Entwicklung beim Müllmanagement, die Vorbereitungen für Zwischen- und Endlagerung und die Finanzierungsvorkehrungen abbilden. Heute wissen wir, dass die Aufgabe der Endlagerung nicht mehr von uns, der Anti-Atom-Generation gelöst werden wird. Ein Grund, warum ich denke, dass Informationen und Wissen gut verfügbar gemacht werden müssen. Aber auch die Erfahrung, dass in vielen Ländern das Problem mit dem Atommüll überhaupt nicht in seiner ganzen Dimension erkannt ist, ist ein Grund für mich diesen International Nuclear Waste Report voranzutreiben. Ab März geht die aktive Arbeit los. Arne Jungjohann, den viele noch aus der Böll-Stiftung kennen, wird unser Projektleiter sein und unterstützt von Mycle Schneider Experten aus der ganzen Welt koordinieren. Wer mir einen Wunsch erfüllen will, der kann mir gerne schreiben und uns finanziell unterstützen. Je
mehr Mittel wir aufbringen, desto mehr Länder können umfassend
bearbeitet werden.
Soweit ein Einblick in die Pläne für 2018. Damit das alles und noch ein bisschen mehr passiert, brauche ich mein Team. Ich bedanke mich hier bei Silke Malorny, Gesa Storz, Sabina Lettl und Lina Zalitok in Brüssel und bei Anna Turmann in meinem Berliner Büro. Damit die regionale Verankerung der EU vorankommt, steige ich ab Januar in das Dannenberger Büro unserer Bundestagsabgeordneten Julia Verlinden ein und begrüße als zusätzliche Verstärkung Dieter Schaarschmidt.
Ich wünsche allen FreundInnen und LeserInnen eine gute Zeit zu Weihnachten und zwischen den Jahren. Ich melde mich wieder im Neuen Jahr mit meiner Sicht auf die Europäische Union, meinen Gedanken zu Merkel und Macron und dem, was und wer sonst noch so zählt.