Am 4. Tag der Reise standen Treffen mit den Botschaftern der EU und der Bundesrepublik Deutschland, eine Pressekonferenz im japanischen Parlament sowie die Fahrt nach Fukushima auf dem Programm. (Programm der Japanreise)
Gespräche mit den Botschaftern der EU und der Bundesrepublik Deutschland. Foto: Silke Malorny |
Heute war alles anders. Gespräche mit den Botschaftern der EU und der Bundesrepublik Deutschland und ihren Mitarbeitern, die die Entwicklung der Fukushima-Debatte in Japan verfolgen, standen auf dem Programm. Im Gespräch wurde deutlich, dass die öffentliche Meinung in Japan sich gewandelt hat. Die Atomindustrie hat durch agressive Öffentlichkeitsarbeit, Finanzierung von Parteien und von Lehrstühlen an Universitäten einen jahrzehntelangen nationalen Konsens zur Unterstützung der Atomenergie durchgesetzt. Nach der Katastrophe ist eine eindeutige Mehrheit von über 70 Prozent seit Monaten gegen eine Zukunft für die Atomkraft in Japan. Dieser Meinungswandel hat nicht unmittelbar nach dem GAU in Fukushima stattgefunden. Die Japaner waren von den furchtbaren Folgen des Erdbebens und des Tsunami so gefordert, dass zunächst gar kein Raum für die Atomkatastrophe blieb. Das Versagen von Tepco und der Regierung, die Erfahrung des Ausgeliefertseins, habe dann aber die Ablehnung der Atomkraft forciert.
Anders als man meint, gibt es in Japan bisher keine weit verbreiteten Kenntnis über die Risiken von Radioaktivität. Hiroshima und Nagasaki sind eher in den Regionen und von den Betroffenen verfolgt worden. Die Überlebenden, die Hibakusha, wurden eher wie Aussätzige behandelt. Niemand wollte eine Hibakushatochter heiraten. Heute werden die Fukushima-Opfer Hibakusha genannt. Es scheint, als müssten uralte Beschränkungen des Denkens aufgebrochen werden.
Unsere Vorschläge, in der Zusammenarbeit zwischen Europäischer Union und Japan nicht allein auf Erneuerbare Energien zu setzen, sondern eine komplexe Diskussion über die Ziele nachhaltiger Energiepolitik, die passenden Instrumente und Technologien zu versuchen, wurde gut aufgegriffen. Mehr Debatte gab es zu dem Vorschlag einer internationalen task force zu den Fukushima-Folgen. Ich habe auch beim Vortrag in der Diet, dem japanischen Parlament, stark dafür geworben. Die Situation in den zerstörten Reaktoren, die notwendige Stabilisierung der Ruinen, die radioaktive Verseuchung in der näheren und der weiteren Umgebung, die Kontamination des ganzen Landes, die Herausforderungen für den Strahlenschutz - all das könnte mit internationalen Anstrengungen vielleicht besser gehen. Es wäre auch gut, einen gemeinsamen Lernprozess zu erreichen und die vielen Trial-and-Error-Erfahrungen aus Tschernobyl zu nutzen, um in Japan vielleicht mehr Schaden von Mensch und Umwelt abzuwenden. Bisher haben die Japaner nur die internationale Atomenergieagentur eingeladen. Wir werden die Idee weiter verfolgen, wenn wir zurück in Europa sind.
Heute Abend kommen wir nach Fukushima. Wir sind inzwischen mit NGO-Vertretern aus China und den Sprechern von Peaceboat im Zug auf der Fahrt durch einen Teil der hoch belasteten Zone. Ich frage mich, ob die Leute, die hier eingestiegen sind, in größerer Zahl einen Mundschutz tragen. Vielleicht bilde ich mir das ein.
Hintergrund:
Auf Einladung der japanischen Nichtregierungsorganisationen Green Action, e-shift und Peaceboat ist Rebecca Harms vom 08.-15. Januar in Japan unterwegs. Begleitet wird sie von Gueorgui Kastchiev, dem ehemaligen Leiter der bulgarischen Atomaufsicht. Thema der Reise ist die Kritik an Europas AKW-Stresstests und die Lehren, die daraus auch für die aktuelle japanische Debatte gezogen werden können. In ihrem Blog berichtet Rebecca aktuell von ihren Erlebnissen auf der Reise nach Tokyo, Osaka, die Insel Shikoku und in die Präfektur Fukushima.