In der vergangenen Woche hat mich mal wieder ein Thema beschäftigt, das mittlerweile schon eine jahrelange Geschichte hat, aber noch immer aktuell ist wie eh und je: die belgischen Atomreaktoren Doel 3 und Tihange 2 mit ihren noch immer ungeklärten Defekten.
Im Sommer 2012 wurden in den Reaktordruckbehältern der beiden Reaktoren tausende Fehlstellen im Stahl entdeckt, woraufhin sie vorübergehend abgeschaltet wurden. Damals beauftragte ich die Materialwissenschaftlerin Ilse Tweer, diesen Fall für unsere grüne Fraktion im Europäischen Parlament zu bewerten. Sie kam zu dem Ergebnis, dass sich nicht zweifelsfrei feststellen ließ, ob diese Fehler in den Reaktordruckbehältern schon bei der Herstellung vor mehr als 30 Jahren oder im Betrieb aufgetreten sind. Das heißt aber, dass sich die Fehlstellen im weiteren Betrieb vergrößern und der Druckbehälter bersten könnte - das hätte katastrophale Folgen im dicht besiedelten Belgien und auch in Deutschland, den Niederlanden und Frankreich. Deshalb warnten wir damals eindringlich vor einem Wiederanfahren der Reaktoren. Im Mai 2013 gingen die Reaktoren dennoch wieder ans Netz.
Aber wir blieben hartnäckig. Zusammen mit dem Aktionsbündnis gegen Atomkraft aus Aachen haben wir Anfang dieses Jahres einen Expertenworkshop mit Wissenschaftlern und Ingenieuren veranstaltet. Und ihr Bericht fällt eindeutig aus: Noch immer gibt es viel zu viele offene Fragen. Dazu passte die Nachricht, dass die beiden Reaktoren erneut vom Netz genommen werden mussten. Für die Experten ist das ein Zeichen für die unklare Situation und das immer noch bestehende Risiko. Ihr Bericht deckt außerdem auf, dass die belgische Aufsichtsbehörde beim Wiederanfahren der Reaktoren in 2013 zahlreiche Warnungen der eigens eingesetzten Expertengruppe ignorierte. Das darf auf keinen Fall wieder passieren.
Bislang wollen die belgischen Behörden die Reaktoren Mitte Juni wieder anfahren. Das darf nicht sein! Doel und Tihange müssen abgeschaltet bleiben, bis alle Zweifelsfragen beantwortet sind. Wirtschaftliche Interessen dürfen nicht wieder Vorrang haben vor der Sicherheit der Bevölkerung.
Foto: Hullie