Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#klimaschutz    07 | 05 | 2013
Blog

Bericht aus der Europafraktion

Liebe Freundinnen und Freunde!

Es freut mich, hier mit Euch den Auftakt zu machen für den Bundestagswahlkampf. Unsere Fraktion, eure Grünen in Brüssel, denken aber auch schon weiter. Denn nur wenige Monate nach dem Regierungswechsel in Berlin geht es wieder in den Wahlkampf: Im Mai 2014 wird das Europaparlament neu gewählt.

Ja. Es kann nicht oft genug gesagt werden: Wir brauchen einen Regierungswechsel in Berlin. Damit wir auch in Europa  neue Wege gehen zu können. Auch wir in Brüssel kämpfen oft gegen die schwarz-gelbe Bundesregierung.

Bevor ich zu den aktuellen Kämpfen komme, will ich erst einmal von dem berichten, was wir - Eure Leute in Brüssel - machen, was aber leider in der Eurokrise oft untergeht.

Was wir Grünen in Brüssel gut können?

Wir können mit wenigen viel erreichen!

Gegen die großen schwarzen, roten und gelben Fraktionen sind wir immer wieder stark, trotz aller Unterschiede, die die politische Vielfalt in der Europäischen Union auch für uns Grüne bedeutet.

Es gibt Fortschritte in der europäischen Union, an denen grüne größten Anteil haben:

Die Europäische Bürgerinitiative bringt erste Erfolge gegen die geplante Privatisierung des Wassers.

Immer mehr Länder in Ost und West haben Verbote oder Moratorien gegen das Fracking.

Es bestehen gute Aussichten, dass der Überfischung der Meere Einhalt geboten werden kann.

Die Energieeffizienzrichtlinie ist viel besser als Philipp Rösler und die EVUs es wollten - ein Verdienst unsere Fraktion.

Die rissigen Reaktoren in Tihange und Doel in Belgien sind dank unserer krischen Intervention immer noch vom Netz.

Nach grüner Kampagne wurde in Litauen, wer hätte das erwartet, im Referendum mit klarer Mehrheit gegen Atomkraft gestimmt.

Der Datensammelwut werden immer mehr Grenzen gesetzt und das Anti-Piraterie-Abkommen ACTA ist gescheitert.

Die EU hat endlich einen eigenen Menschenrechtsbeauftragten - eine grüne Forderung. Neue Regeln verbieten den Export von Folterwerkzeugen.

Die Jugendarbeitslosigkeit, die durch falsche Krisenpolitik verschärft wird, kann nicht mehr unter den roten Teppich des europäischen Rates gekehrt werden.

Unanständige Bonuszahlungen für Banker sollen begrenzt werden. Auch ein Verdienst Eurer Fraktion in Brüssel.

Endlich kommt Bewegung in den Kampf gegen Steuerflucht und Steueroasen. Und der Druck für die Finanztransaktionssteuer, auch als sie noch aussichtslos schien, haben wir gemacht.

Ja. es gibt Fortschritte in Europa.

Dahinter steckt viel grünes Köpfchen, manchmal unverhoffte Unterstützung wie durch die Schweizer Volksabstimmung gegen Manager Boni, kluge Strategien und ein immer währendes Austarieren von ehrgeizigen Zielen und möglichen Kompromissen in der Gesetzgebung.

Aber wir müssen auch kämpfen. Denn immer wieder stellen sich die Konservativen - allen voran oft die schwarz-gelbe Bundesregierung - gegen die Erneuerung, gegen Zukunft in  Europa.

Das jüngste Beispiel: die Energie- und Klimapolitik.

Ich habe lange geglaubt, dass der Energiekommissar Günther Oettinger ein Irrläufer aus den alten Zeiten der CDU ist, der unbeirrt gegen Atomausstieg und Klimaschutz opponiert. Seit der Abstimmung zum Emissionshandel im europäischen Parlament ist aber klar: schwarz gelb ist dabei die europäische Klimapolitik abzureißen. Die Notrettung des Emissionshandels scheiterte an den Stimmen der Abgeordneten aus den deutschen Regierungsfraktionen. Und Berlin?

Altmaier schrieb einen Bittbrief. Das war es. Das ist irre, weil das Ende des Emissionshandels die deutsche Energiewende ausbremst. Das ist auch irre, weil Angela Merkel nicht nur sich selber, sondern auch eines der wichtigsten europäischen Projekte verrät. Ohne  Reform des Emissionshandels steht Europa zur nächsten Klimakonferenz in Warschau international blamiert da. Über das zwei Grad Klimaziel muss man dann nicht mehr reden.

Wir müssen zurückkehren zu einer ernstzunehmenden Klimapolitik der EU. Dafür brauchen wir zuerst den Wechsel in Berlin und im Mai 2014 neue Mehrheiten in Brüssel!

Ähnlich verheerend steht es um die Agrarreform und die Rolle der Bundesregierung. Kommissar Ciolos, der EU- Kommissar aus Rumänien - das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen! -, hat versucht, die Direktzahlungen an Landwirte auf ein vernünftiges Maß zu kappen und mit sozialen und ökologischen Anforderungen zu verknüpfen. Inzwischen ist diese Reform - danke Ilse Aigner ! - eine Kampfansage an die bäuerliche Landwirtschaft in Europa. Weiterhin sollen 20 Prozent der Betriebe 80 Prozent der Gelder kassieren. Gut, dass sich langsam rumspricht, dass Grüne auch die bessere Landwirtschaftspolitik machen.

Ungarn. Orban. Ein Land und sein Premier stehen inzwischen für die Frage, ob Europa nach innen Freiheit und Demokratie verteidigen kann.

Das Verfassungsgericht ist entmachtet, die meisten Medien sind gleich geschaltet. Kritiker verlieren Jobs, Obdachlose werden kriminalisiert. Antisemitismus gehört zum Grundton.

In den nächsten Tagen wird ein Vorschlag aus unserer Fraktion in die Abstimmung gehen, wie die EU gegen die Länder vorgehen soll, die die gemeinsamen demokratischen Werte verlassen. Bisher zeigt sich die EU erschreckend ratlos. Wir wissen bisher nicht, ob wir die erforderlichen Mehrheiten für Maßnahmen finden, die eine Umkehr in Ungarn erreichen können.

Als Viktor Orban jüngst bei seiner Fraktion in Straßburg war, hat er viel Beifall bekommen, wurde uns berichtet. Wenn die die EVP, also CDU/CSU, jetzt Orban decken, dann werden wir bei neuen Problemen in Rumänien, das sozialdemokratisch geführt wird,  dasselbe mit den Sozialdemokraten erleben. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.

Dabei vergrößert sich das Problem mit antidemokratischen und antifreiheitlichen Entwicklungen keineswegs allein in Osteuropa. Meldungen über Golden Dawn aus Griechenland, eine richtige Nazibande, wachsende Erfolge von Marine le Pen, UKIP in Großbritannien und anderen nationalistischen Parteien, das kann das Fürchten lehren.

In Deutschland befeuert der Innenminister die rechte Polemik mit seiner Kampagne gegen Schengen, gegen Arbeitnehmerfreizügigkeit. Er stellt Rumänien, Bulgarien, Sinti und Roma an den Pranger, dämonisiert die Armutswanderung. Wir Deutschen sollten nicht vergessen, dass des einen Armut des anderen Reichtum ist.

Der Aufschwung des Nationalismus wird immer mehr durch schlechte europäische Krisenpolitik beflügelt.

Ja. wir müssen nachhaltige Haushaltspolitik in der ganzen EU anstreben. Aber: den meisten Ländern geht in den Krisenprogrammen die Luft aus. Arbeitslosigkeit und Rezession sind die Ergebnisse der europäischen Programme.

Wir müssen endlich raus aus der einseitigen Sparpolitik.

Wir brauchen Perspektiven, Zukunft für die Krisenländer.

Die Finanztransaktionssteuer, eine Bankenunion die weit mehr ist als Aufsicht, können Fundament einer besseren und gerechteren Politik raus aus der Krise sein. Es ist höchste Zeit.

Wir Grünen sollten alles daran setzen, dass in Deutschland verstanden wird:  Die deutsche Regierung sägt an dem sicheren und starken Ast, auf dem wir in Europa und vor allem auch in Deutschland bisher sitzen. Die Rezession wird ansteckend sein. Und mich und uns in Brüssel besorgt immer mehr, dass die Konfliktlinien in Brüssel wieder zwischen den Nationen verlaufen.

Gerade wir Deutschen wissen, was Solidarität - unverdient und überraschend - was die gemeinsamen Kräfte nach dem Zusammenbruch bewirken können. Heimat Europa. Was für ein Privileg für uns Nachgeborene. Europäische Zukunft gestalten, Aussichten auf Verbesserung schaffen, das muss für uns und unseren Wahlkampf zählen. Wir wissen, dass auch in unserer Nachbarschaft im Osten und im Süden der EU auf eine neu geeinte Europäische Union gewartet wird.

Wir müssen raus aus der schwarz-gelben Sackgasse in Europa. Dafür muss es einen Wechsel geben am 22. September. Ich freue mich auf den Wahlkampf mit Euch für diese Wahl und dann für die Europawahl 2014!

 

> Rebeccas Rede als Video-Mitschnitt (YouTube)


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