Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#atom    07 | 05 | 2009

Deutsches Gemeinschaftsunternehmen für den Bau neuer Kernreaktoren im Vereinigten Königreich

 

Parlamentarische Anfrage vom 07. Mai 2009



Im Januar 2009 kündigten die beiden deutschen Stromerzeugungsunternehmen E.ON und RWE die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens für den Bau und den Betrieb neuer Stromerzeugungskapazitäten mit einer Leistung von 6 GW an Standorten im Vereinigten Königreich an, für die sie im Rahmen einer Auktion der staatlichen britischen Agentur für die Stilllegung kerntechnischer Anlagen (NDA) den Zuschlag erhalten hatten. An dem Gemeinschaftsunternehmen sind sie jeweils zur Hälfte beteiligt.

E.ON und RWE sind bereits an 20 Kernkraftwerken überall in der Welt beteiligt und gemeinsame Eigentümer von drei Kernreaktoren in Deutschland.

Kann die Kommission Folgendes klarstellen:
1.     Wird das o. g. Gemeinschaftsunternehmen die Genehmigung erhalten, die radioaktiven Abfälle, die durch den Betrieb dieser geplanten britischen Reaktoren erzeugt werden, einzig und allein im Vereinigten Königreich zu entsorgen, oder sollen die radioaktiven Abfälle nach Deutschland oder in einen anderen Mitgliedstaat zur Langzeitlagerung bzw. Entsorgung verbracht werden?
2.     Wird den Betreibern dieser Reaktoren gemäß den für staatliche Beihilfen geltenden Regeln die Genehmigung erteilt werden, im Vereinigten Königreich oder in Deutschland Subventionen für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle aus den Reaktoren und für die endgültige Stilllegung der Reaktoren am Ende ihrer Betriebsdauer entgegenzunehmen?

 

Antwort von Herrn Piebalgs im Namen der Europäischen Kommission:

1. Die Empfehlung der Kommission über die Verwaltung der Finanzmittel für die Stilllegung kerntechnischer Anlagen und die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle, die 2007 (1)  veröffentlicht wurde, verlangt, dass die Kernkraftwerksbetreiber gemäß dem Verursacherprinzip angemessene finanzielle Mittel unter anderem für Maßnahmen zur Entsorgung radioaktiver Abfälle bereitstellen.
Jeder Mitgliedstaat ist in vollem Umfang für seine jeweilige Politik zur Entsorgung radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente in seinem Hoheitsgebiet verantwortlich.  Prinzipiell sollten radioaktive Abfälle, sofern dies mit einer sicheren Behandlung des Materials zu vereinbaren ist, in dem Mitgliedstaat entsorgt werden, in dem sie produziert wurden.
Bei Wahl und Anwendung der jeweiligen nationalen Politik zur Abfallentsorgung müssen die Anforderungen im Rahmen der gemeinschaftlichen sowie der nationalen Rechtsinstrumente eingehalten werden, darunter insbesondere die Richtlinie 2006/117/Euratom (2)  des Rates und das Gemeinsame Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle. (3)
Im Januar 2008 nahm das Vereinigte Königreich ein Energiegesetz („Energy Bill“) an, das Klauseln enthält, mit denen gewährleistet werden soll, dass potenzielle Investoren neuer Kernkraftwerke ausreichende finanzielle Rückstellungen für die Gesamtkosten der Abfallbewirtschaftung vornehmen.

Der Kommission liegen keine Informationen über eine mögliche Verbringung von Abfällen nach Deutschland oder in einen anderen Mitgliedstaat vor.

2.  Das Verursacherprinzip betrifft auch den Kernenergiesektor, was im Prinzip bedeutet, dass die Kernkraftwerksbetreiber auch die Kosten für die Stilllegung und die Behandlung radioaktiver Abfälle übernehmen müssen. Mit anderen Worten: Das Verursacherprinzip sieht vor, dass diese Kosten vom Verursacher getragen werden. Ein Aufkommen für die Kosten seitens des Staates könnte als staatliche Beihilfe angesehen werden.
Allerdings können Beihilfen, wenn bestimmte in Artikel 87 Absatz 3 des EG-Vertrags festgelegte Bedingungen erfüllt sind, durchaus als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden. In der Vergangenheit hat die Kommission in einigen Fällen die mit Auflagen verbundene Gewährung staatlicher Beihilfen zur Stillegung kerntechnischer Anlagen in Anwendung von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c des EG-Vertrags als mit dem Binnenmarkt vereinbar gewertet: Dabei gab den Ausschlag, dass die positiven Auswirkungen für bestimmte Gemeinschaftsziele die negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb aufwogen.(4)

 

Anmerkungen:

 

(1)  ABl. L 330 vom 28.11.2006.

(2)  Richtlinie 2006/117/Euratom des Rates vom 20. November 2006 über die Überwachung und Kontrolle der Verbringung radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente, ABl. L 337, vom 5.12.2006.

(3)  http://www.iaea.org/Publications/Documents/Infcircs/1997/infcirc546.pdf.

(4)  Zum Beispiel die britischen Verfahren hinsichtlich der Agentur für die Stillegung kerntechnischer Anlagen: Rechtsache C 39/2004 über staatliche Beihilfen, die das Vereinigte Königreich für die Einrichtung einer Agentur für die Stillegung kerntechnischer Anlagen zu gewähren plant. ABl. L 268, 27.9.2006. Deutsche Fassung unter:
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2006:268:0037:0057:DE:PDF und bezüglich British Energy:  Rechtssache C 52/2003 über die staatliche Beihilfe des Vereinigten Königreiches zugunsten von British Energy plc. ABl. L 142 vom 6.6.2005. Deutsche Fassung unter:
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2005:142:0026:0080:DE:PDF.


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