Anfrage vom 17.Juni 2008:
Am 4. Juni 2008 ging beim Notfallreaktionssystem ECURIE der Kommission (Europäisches Notfallsystem zum Informationsaustausch bei radioaktiven Vorfällen) um 15.38 Uhr UTC (17.38 Uhr Ortszeit) ein Alarm aus Slowenien ein, da im Atomkraftwerk Krsko Kühlwasser entwichen war. Einer ersten Erklärung der Kommission am frühen Abend zufolge, „wurden diese Informationen sofort an alle Mitgliedstaaten weitergeleitet. Das Notfallteam der GD Energie und Verkehr bleibt im Einsatz, bis Informationen darüber eingehen, dass die Situation vollständig unter Kontrolle ist. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Pressemitteilung arbeitet der Reaktor mit 22 % seiner Kapazität. Das Kraftwerk wird derzeit in einen sicheren abgeschalteten Zustand gebracht.“
In einer zweiten Erklärung der Kommission vom selben Abend hieß es, dass „der Reaktor des Atomkraftwerks Krsko den jüngsten Informationen der slowenischen Behörden zufolge um 19.30 Uhr (21.30 Uhr Ortszeit) komplett abgeschaltet wurde“ und das „relativ kleine Leck sich nur innerhalb des Containment befindet. Die slowenischen Behörden haben bestätigt, dass die Umwelt keinen Schaden genommen habe und die Situation vollständig unter Kontrolle sei.“
Es ist nach wie vor unklar, warum der ECURIE-Alarm ausgelöst wurde. Folgende Fragen sind noch nicht geklärt:
1.Worin bestanden die besonderen Merkmale des Zwischenfalls, die die Kommission zum EU-weiten Alarm veranlassten?
2.Welche konkreten Informationen haben die slowenischen Behörden der Kommission und den übrigen Sicherheitsbehörden übermittelt?
3.Warum waren die Informationen, die Frankreich der Öffentlichkeit übermittelte (beispielsweise die Leckrate als wichtigen Indikator), detaillierter und genauer als die Informationen der Kommission?
4.Liegen der Kommission Informationen über die Gesamtmenge des ausgetretenen Kühlwassers sowie darüber vor, wann das Leck wirklich abgedichtet wurde?
5.Wie oft wurde die Kommission seit Einrichtung des ECURIE-Systems über entsprechende Zwischenfälle informiert?
6.Wie oft hat die Kommission einen ECURIE-Alarm ausgelöst?
7.Kann die Kommission erläutern, warum die Strahlungsmessstation in der Nähe des Atomkraftwerks Krsko mehrere Stunden vor dem Alarm ein deutliches Maximum der äußeren Strahlung aufzeichnete, wie auf der Website http://eurdep.jrc.it dokumentiert ist?
Antwort von Herrn Piebalgs im Namen der Kommission:
1. Gemäß der Entscheidung 87/600/Euratom des Rates muss die Kommission bei jeder aus einem Mitgliedstaat eingehenden Warnmeldung im Rahmen des ECURIE-Systems (European Community Urgent Radiological Information Exchange) deren Authentizität prüfen und sie unverzüglich an alle Mitgliedstaaten weiterleiten. Dies geschah umgehend nach Eingang der ersten Warnmeldung aus Slowenien.
2. Mit der ersten ECURIE-Warnmeldung aus Slowenien wurden ein Kühlmittelverluststörfall (LOCA) im Primärsystem des Kernkraftwerks Krško mit einer Leckrate von 2,4 m3 pro Stunde sowie die bereits laufende Abschaltung der Anlage gemeldet. In der zweiten Warnmeldung wurde bestätigt, dass das Leck sich innerhalb des Containments befinde und es keine radioaktiven Ableitungen in die Umwelt gebe.
3. Die ECURIE-Meldung, die an die Behörden der Mitgliedstaaten (einschließlich der französischen Behörden) weitergeleitet wurde, enthielt sämtliche in den ECURIE-Warnmeldungen enthaltenen Informationen (einschließlich der Leckrate).
4. Der Kommission liegen keine genauen Informationen über die Gesamtmenge des ausgetretenen Wassers vor. Entsprechend den von der slowenischen Behörde für nukleare Sicherheit (SNSA) übermittelten Informationen trat das Leck an der Schaftabdichtung eines Absperrventils des Verteilers des Widerstandstemperaturmelders auf, der sich am heißen Strang des Primärkreislaufs (Schleife 2) befindet. Das Leck wurde am Abend des 4. Juni 2008 genau lokalisiert. Die Reparaturarbeiten konnten am
5. Juni 2008 beginnen. Das Ventil und eine Dichtungspackung wurden ersetzt. Die Anlage war am Nachmittag des 8. Juni 2008 zur Wiederaufnahme des Betriebs bereit. Eine Sonderinspektion der Aufsichtsbehörde SNSA ergab, dass keine Gründe für eine Verzögerung des Wiederanfahrens des Kraftwerks vorlagen. Das Kraftwerk ging am 9. Juni 2008 erneut ans Netz.
5. Im ECURIE-System gibt es zwei Arten von Meldungen: eine ECURIE-Warnmeldung, die eine Notfallmeldung gemäß der Entscheidung 87/600/Euratom des Rates beinhaltet, und eine ECURIE-Informationsmeldung, bei der es sich um eine freiwillige Mitteilung geringfügiger Vorkommnisse und Störfälle handelt. Die Möglichkeit der Übermittlung von Informationsmeldungen wurde von der Kommission 2001 eingeführt. Seitdem gingen über 20 Informationsmeldungen ein.
6. Die Warnmeldung des Kernkraftwerks Krško am 4. Juni 2008 war die erste Warnmeldung überhaupt, die über das ECURIE-System versandt wurde. Im Nachhinein stellte man fest, dass der Vorfall zu denen gehörte, für die die Regelung der ECURIE-Informationsmeldungen gilt.
7. Die insgesamt über 4 000 Detektoren, die Daten für das System EURDEP (European Radiological Data Exchange Platform) sammeln, messen nicht nur die Hintergrundstrahlung im jeweiligen Gebiet, sondern werden auch von elektronischen, kosmischen und meteorologischen Phänomenen wie dem Radon-Washout (vorübergehender Anstieg der Werte bei Regen) beeinflusst. Der von der Messstation in der Nähe von Krško in der Nacht vor dem Störfall gemessene Spitzenwert ist charakteristisch für derartige Bedingungen. Im Übrigen lag der an diesem Ort gemessene Wert zu keinem Zeitpunkt über der von den Behörden festgesetzten niedrigsten Alarmschwelle.