Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#mh17    25 | 05 | 2018
Blog

Zum Abschuss von MH17 und zum Umgang mit Putins Verantwortung

Im Juli jährt sich zum vierten Mal der Tag, an dem der Flug #MH17 von Malaysian Airlines über dem Osten der Ukraine abgeschossen wurde. Gestern hat die von Niederländern geleitete Internationale Kommission zur Untersuchung dieses Verbrechens sehr weitgehende Ergebnisse vorgelegt.   Nicht nur wissen wir, dass eine Buk Rakete, die in Moskau hergestellt wurde, für den Abschuss eingesetzt wurde. Es wird dank sehr präziser forensischer Untersuchungen von Teilen der Buk gezeigt, dass diese Rakete von der 53. Brigade der russischen Armee stammt und vom Stationierungsort Kursk in das Kampfgebiet transportiert worden ist. Wir haben also mit folgendem zu tun:  Eine hochentwickelte Waffe der russischen Armee, wurde auf dem Territorium eines Nachbarstaates eingesetzt und es wurde mit dieser russischen Waffe ein ziviles Flugzeug mit 298 Menschen an Bord vom Himmel geholt. Es ist eines der monströsen Verbrechen dieses Krieges, den Russland zwar nie erklärt hat aber doch gegen die Ukraine führt.

Es erschüttert mich, wie wenig Entsetzen, wie wenig Mitgefühl viele Europäer angesichts des gewaltsamen Todes der Menschen im Flug MH17 und anderer Verbrechen dieses Krieges im Donbas oder der Besetzung der Krim zeigen. Die Relativierung der russischen Verantwortung und der Verantwortung des russischen Präsidenten Putin hat ein Ausmaß angenommen, dass mich oft nur noch ratlos macht. Gerade in den letzten Wochen zeigt sich das in der Diskussion um die Fußballweltmeisterschaft. Wladimir Putin holte sich dieses und andere internationale Sportereignisse ins Land, um vor den Augen der Russen und der Welt Größe zu zeigen. Seht her, die Welt kommt zu uns, weil wir stark sind. Ich erinnere mich zu gut an die Olympischen Winterspiele in Sotschi. Nur Tage nach der Abschlussfeier begann die militärische Besetzung der Krim. Seither sind in der Ukraine mehr als 10.000 Menschen umgekommen, 2 Millionen Menschen sind von der Krim und aus den Regionen Donetsk und Lugansk geflohen. Der Krieg in Syrien eskalierte auch weil Putin den Diktator Assad stützte. Jetzt gute Miene zu Putins Spielen zu machen auf den Tribünen seiner Stadien? Für mich ist das schlicht eine Frage von Anstand und Ehre, die die isländische und die englische Regierung sauber entschieden haben. Sportfunktionäre beantworten das anders. Klar. Aber die sollten mit ihren Verbänden endlich mal klären, wie weit die Unanständigkeit bei der Vergabe von Internationalen Meisterschaften noch gehen soll.

Die dänische Nationalmannschaft hat sich von Amnesty International über die Menschenrechtslage in Russland unterrichten lassen. Chapeau. Davon können andere eine Scheibe abschneiden. Sicher gilt das auch für das Team von Jogi Löw und gerade nach der Aufregung über den Besuch deutscher Nationalspieler bei Erdogan.

Da ich in den letzten Tagen wieder mit viel Gift und Galle auf allen Kanälen übergossen wurde wegen meiner Meinung, dass Staats- und Regierungschefs nicht mit Putin in seinen Stadien auftreten sollten, hier noch mal eine Klarstellung: Ja. Russlands Krieg gegen die Ukraine hat mich verändert. Es wäre ja auch irre, wenn meine Erfahrungen zuerst mit der mörderischen Gewalt gegen zivilen Ungehorsam und friedlichen Protest auch meiner Freunde auf dem Maidan und dann die Erlebnisse im Kriegsgebiet mich nicht beeinflussen würden. Irre finde ich, dass andauernd und unermüdlich versucht wird, diejenigen, die wie ich versuchen, Bewusstsein und Wissen um diesen Krieg zu schaffen und gleichzeitig für Waffenstillstand und Lösungen streiten, Kriegstreiberei zu unterstellen. Als MH17 vom Himmel geschossen wurde, war ich unterwegs nach Kiew, um weiter über Charkiw ins Kriegsgebiet zu reisen. Ich hänge den Link zu meinen Reisenotizen hier an das Ende dieses Blogs. Denn während der gestrigen Pressekonferenz zu MH17 fiel mir wieder ein, wie wir Blumen zur Niederländischen Botschaft in Kiew trugen. Wie trostlos der Gedanke war, dass in Kiew an immer mehr Orten für immer mehr Tote ganze Berge von Blumen niedergelegt wurden (siehe Foto). Gestern fiel mir ein, wie am Abend des Abschusses die EU Diplomaten in Kiew immer vom Absturz sprachen und das böse Wort vom Abschuss vermieden wurde. Der „Absturz von MH17“ hält sich übrigens bis heute - 4 Jahre später - in den Nachrichten. Während der Pressekonferenz war mir, als wäre es gestern gewesen, dass mir die Katastrophenschutz-Behörden in Charkiw erklärten, dass die Behörden in Donetsk nach ersten konstruktiven Telefonaten nach dem Abschuss jede Zusammenarbeit und jeden Zugang zum Ort des Unglücks verweigerten. Fast zwei Jahre später traf ich einen deutschen Polizeibeamten, der mit dem OSZE Team erst Tage später zu dem Ort gelassen wurde, an dem das Flugzeug und das, was on seinen Insassen übrig war, niedergegangen war. Die absichtliche Verzögerung der Bergung in der brüllenden Hitze des Hochsommers machte diese Aufgabe für die Helfer und diejenigen, die die Ursachen untersuchen sollten, noch schlimmer als es ohnehin war. Ja. Dieser Krieg hat mich und viele andere verändert. Die Kriegstreiber sind andere, wie es die niederländischen Ermittler jetzt auch mit ihrem Bericht zu MH17 zeigen.




AUSFÜHRLICHER REISEBERICHT: VIER TAGE UKRAINE

ENGLISH VERSION: FOUR DAYS IN UKRAINE
 


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