Die Grünen im Europäischen Parlament stellten heute in Brüssel den World Nuclear Industry Status Report 2007 vor. Es handelt sich dabei um eine komplett aktualisierte Neuauflage des Berichtes zum Stand der Atomindustrie in der Welt, den die Grünen im Europaparlament erstmals 2004 veröffentlicht hatten.
Der Bericht stellt fest, dass der Anteil der Atomenergie an der Stromerzeugung in 21 der 31 Länder, die auf Atomkraft setzen, in den letzten Jahren gesunken ist. Heute laufen fünf Atomkraftwerke weniger in der Welt als noch vor fünf Jahren und mit 32 stehen 20 Meilern weniger in der Baustatistik als Ende der 90er Jahre. Gleichzeitig nimmt das Durchschnittsalter der Atomkraftwerke stetig zu und liegt heute bei 23 Jahren.
Mycle Schneider, Autor des Berichts, erklärt dazu:
„Im krassen Gegenteil zu der allerorts propagierten „Renaissance“ verliert die Atomkraft weltweit an Bedeutung. Besonders markant ist der schleichende Ausstieg in Europa. Allein seit der letzten Bestandsaufnahme 2004 sind zehn Anlagen in der EU - jenseits aller Medienaufmerksamkeit - definitiv vom Netz gegangen. Diverse Szenarien, die der Atomenergie einen weltweiten grandiosen Ausbau vorhersagen, entbehren jeder industriellen Grundlage und unterschätzen die Anzahl der alternden Anlagen, die das Betriebsende erreichen werden.“
Aus dem vorgelegten Bericht lassen sich klare Warnungen vor den Konsequenzen der Atomlobby-Kampagnen ableiten:
- Die falschen Versprechungen führen zu steigenden öffentlichen Ausgaben für Atomkraft. Jeder Euro, der in ein atomares Neubauprojekt fließt, führt zu einer Verzögerung oder gar Verhinderung kurzfristig durchführbarer intelligenter Energiepolitik.
- Die Industrie ist unfähig, die eigenen Vorgaben zu erfüllen. Bei knappen Fertigungskapazitäten konkurrieren Neubaupläne und Instandhaltungsinvestitionen.
- Der gravierende Fachkräftemangel in der Atombranche führt zu einem Wettbewerb um die besten Kandidaten zwischen Neubauprojekten, Betrieb und vor allem Überwachung und Kontrolle. Mit möglicherweise katastrophalen Folgen: alternde Atomanlagen werden von weniger und/oder schlecht ausgebildetem Personal betrieben und überwacht.
Rebecca Harms, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, erklärt hierzu:
„Die Atomindustrie hat immer wieder ihre Unfähigkeit demonstriert, auch nur den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Das erste Neubauprojekt in Europa seit 15 Jahren, in Finnland, erweist sich als eine Katastrophe. Bereits nach zwei Jahren gibt es ein Drittel Bauzeitverzögerung, bei 50% Kostensteigerung mindestens 1,5 Milliarden Euro Verluste und eine erschreckende Missachtung technischer Spezifikationen. Das Gerede über eine Wiederauferstehung dieser Hochrisikotechnologie lenkt von den eigentlichen Problemen ab. Ein alternder Kraftwerkspark führt bei mangelnden Fachkräften zu immer höheren Gefahren. Die Politik ist gefordert, endlich auf den Boden der Tatsachen zurückzukehren. Energetisch ist die Atomenergie eine Randerscheinung, gesellschaftlich ist sie eine Last.“
Die Grünen im Europäischen Parlament wollen mit der aktualisierten Fassung des Nuclear Status Report keinesfalls Entwarnung geben. Dazu Rebecca Harms:
"Eine offensive Auseinandersetzung mit den Plänen zu Laufzeitverlängerungen und Neubauten ist unbedingt nötig. Die Nutzung der Atomenergie ist verbunden mit größten Risiken, die auch angesichts des Klimawandels nichts von ihrem Schrecken verlieren. Für den politischen Kampf gegen die Atomenergie ist es aber gut zu wissen, dass diejenigen, die die zivile Atomaufrüstung weltweit propagieren, bisher nicht so erfolgreich sind, wie sie es suggerieren."
Eine Zusammenfassung der Studie (auf Deutsch) finden Sie hier
Die vollständige Studie (auf Englisch) finden Sie hier
Kontakte:
Rebecca Harms Mycle Schneider
Telefon: +32-2-284 56 95 (Büro) Telefon: +33-1 69 83 23 79
E-mail: Rebecca.Harms@europarl.europa.eu E-mail: mycle@orange.fr
Mycle Schneider, Antony Froggatt, „World Nuclear Industry Status Report 2007“, Paris, London, November 2007. Der komplette Bericht (36 Seiten, englisch) kann gratis unter folgender Adresse heruntergeladen werden: http://www.greens-efa.org/cms/default/rubrik/10/10286.key_documents.htm