Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#newsletter    18 | 03 | 2008
Blog

Frühjahrsgipfel


Von der Aufbruchstimmung Europas für eine gemeinsame ehrgeizige Klima- und Energiepolitik war kaum etwas zu spüren. Nicht die konsequente Umsetzung der Ziele, die 2007 auch wegen des großen Engagements von Angela Merkel recht anspruchsvoll gesetzt worden waren, sondern das Feilschen um die Ausnahmen, Abweichungen und Verzögerungen dominierte die Gespräche über das Klimapaket, in dem die Kommission ihre Gesetzgebungsvorschläge zusammengefasst vorgelegt hat. Angela Merkel, die vor einem Jahr als "Klimakanzlerin" nach Berlin zurückkehrte, hat bei diesem Gipfel da entschleunigt, wo sie vor einem Jahr mehr Tempo und Konsequenz eingefordert hat. Ähnlich wie die Deutschen im Rat schon vor dem Gipfel Stimmung gegen die Vorschläge der Kommission zur CO2-Reduzierung von Autos und zur Entflechtung im Strom- und Gassektor gemacht hatten, arbeitete die Kanzlerin am Donnerstag und Freitag in Brüssel gegen den Vorschlag für den Emissionshandel. Die Einbeziehung der enrgieintensiven Industrie soll aufgeschoben werden.
Die Vorschläge zur zeitlich gestaffelten, aber konsequenten Einbeziehung der Industrie in die Versteigerung der Emissionszertifikate gilt als erneuter Anschlag auf die Wettbewerbsfähigkeit Europas. Und das von der Kommission vorgeschlagenen Bezugsjahr will Angela Merkel gemeinsam mit den Zentraleuropäischen Staaten zurückdatieren.

Diese Bremsung beim Emissionshandel wird damit begründet, dass die Abwanderung der Europäischen Industrie verhindert werden soll.
Offensichtlich geht man in Berlin und anderen Europäischen Hauptstädten nicht mehr davon aus, dass es in den UNO-Klimagipfeln bis 2009 gelingen wird, ein starkes Kyoto-Nachfolgeabkommen zu erreichen. Ich befürchte eher, dass die neue Kleinmütigkeit der Europäer ein entmutigendes Signal für all jene Staaten ist, die sich in und nach Bali bereit gezeigt haben, ihre Klimaschutzpolitik stärker und konsequenter und auf vertraglicher Grundlage zu machen. Gerade wenn man bedenkt, dass die nächsten beiden UN-Klimagipfel in Posen und in Kopenhagen stattfinden werden, müssten die Europäer alles daran setzen, zuhause vorbildliche Regelungen vorweisen zu können. Versprochen hat die EU das oft genug. Aber anstatt die Versprechen zu erfüllen übt sich der Rat in Brüssel in negativer self-fulfilling prophecy.
 
Dabei hatten die kleinmütigen Staatschefs der EU ein ziemlich hartes Papier von Xavier Solana auf dem Tisch. Der hatte rechtzeitig vor dem Gipfel seine Einschätzung zu kommenden Bedrohungen durch die Erderwärmung veröffentlicht. Das Dokument zeichnet ähnlich einer Studie des US-Außenministeriums vor einigen Jahren ein Szenario von Konflikten oder auch Kriegen um Land-, Wasser-, Nahrungs- und Fischereirechten. Beim Lesen kommt durchaus ein Gefühl von Apokalypse auf. Aber anders als Nicholas Stern mit seinem Bericht über die Kosten oder Al Gore mit seinem Film über seine eigene Klimakampagne konnte Solana den Europäischen Rat nicht beeindrucken.
 
Das Gefühl, dass die EU derzeit schwächelt, hatte man nicht nur beim Klimakapitel. Ein Tagesordnungspunkt, der ursprünglich gar nicht vorgesehen war, war die Mittelmeerunion. Die heißt nach den Gesprächen nun Union des Mittelmeeres – oder ist es andersrum? Naja, egal... – und soll jetzt nicht mehr allein die Import-Export-Agentur Sarkozys für Atomtechnik, Waffen und Rohstoffe aller Art sein. Alle anderen Europäer wollen da auch mithandeln dürfen. Ob Sarkozy das auch morgen noch so sehen wird? Zweifel sind berechtigt. Besonders wenn man die konsequenten Bemühungen Deutschlands oder Ungarns oder Italiens betrachtet, ihre Gasgeschäfte mit Russland so zu organisieren, dass ihre neuen Pipelines einen großen Bogen um andere EU Staaten und erst Recht um die Ukraine machen. 2007, als Angela Merkel die EU-Ratspräsidentin war, sollten die Weichen nicht nur für eine gemeinsame Klima- sondern auch für eine gemeinsame Energieversorgungspolitik gestellt werden. Aber das ist ja alles schon ein Jahr her. Und wer weiß heute schon noch wer vor einem Jahr die Dinge durchgesetzt hat, die heute von der Bundesregierung nicht mehr gewollt werden. Glaubwürdigkeit und Konsequenz – als Messlatte für Kurt Beck oder Andrea Ypsilanti gut – warum misst eigentlich bei der ehemaligen Ratspräsidentin da keiner so genau? Und auch die Frage, was die Kanzlerin in Brüssel in den letzten Tagen eigentlich für wen erreicht hat, sollte gestellt werden. Sie hat blockiert mit dem Erfolg, dass alles offen geblieben ist. Weder hat die Kommission neuen Rückenwind für ihre Vorschläge, noch hat die deutsche Industrie Planungssicherheit. Misserfolg auf der ganzen Linie...
 
Irgendwie war auf der Abschlusspressekonferenz der deutschen Delegation gleich klar, dass nichts Vernünftiges zu verkünden war. Wie sonst hätte das Thema Bürokratieabbau und der Bürokratieabbausonderbeauftragte Edmund Stoiber es schaffen können, in dieser Pressekonferenz prominent Erwähnung zu finden? Vielleicht war das aber auch der oft berichteten feinsinnigen Ironie Angela Merkels zuzuschreiben. Jedenfalls haben die meisten anwesenden Journalisten, wahrscheinlich alle deutschen, bei diesem Tagesordnungspunkt geschmunzelt. Offensichtlich braucht es ein Wort der Kanzlerin, damit wir daran denken, dass es diesen Bayern in Brüssel tatsächlich gibt.

 

Foto: Simone Mottura, Turin, Club of Rome Meeting


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