Das Händeschütteln im Stadion vor Publikum soll Putins autoritäre und
aggressive Politik groß aussehen lassen. Westliche Regierungschefs
sollten dabei nicht mitmachen fordert Rebecca Harms.
Wenn ich mit Kolleginnen und Kollegen des Europäischen Parlaments Staatschefs und Regierungen auffordere, Putin bei der Fußballweltmeisterschaft in russischen Stadien nicht die Ehre zu erweisen, dann wollen wir damit keinem Spieler und keinem Fan den Fußball verderben. Der FIFA und Wladimir Putin allerdings schon. Die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 nach Russland war von Anfang an genauso strittig wie die an Katar.
Die FIFA verteidigt sich bis heute mit guten Absichten. Sie sagt,
dass die Weltmeisterschaft der Völkerverständigung und dem Frieden
diene, gerade angesichts der Spannungen zwischen Russland und dem
Westen. So billig wie bei der FIFA wird selten über Profitinteressen
gelogen. Der russische Präsident hat drei Tage nach dem Ende der
Olympischen Winterspiele in Sotschi die Invasion der Krim beginnen
lassen.
Er hat die Ukraine wegen ihrer Entscheidung für die Assoziierung mit der EU in einen inzwischen vier Jahre andauernden schrecklichen Krieg gezogen mit Tausenden von Opfern und Millionen Flüchtlingen. In Syrien stützt Wladimir Putin den Diktator und Folterer Assad und schreckt dabei auch vor grauenhaften Kriegsverbrechen nicht zurück.
Mit viel Geld unterstützt der Kreml antieuropäische Propagandamedien und in vielen EU-Staaten auch extremistische Parteien, die liberale Demokratien zugunsten autoritärer Systeme untergraben. Nirgends wird so viel gelogen wie im russischen Staatsfernsehen über Giftgas in Syrien, den Fall Skripal, die Flüchtlingskrise, den Syrienkrieg, die Ukraine und westliche Reaktionen auf russische Politik.
Kritiker und Oppositionelle, gerade auf der besetzten Krim, werden regelmäßig vor Gericht gestellt, verschwinden hinter Lagermauern. Sogar der Stalinkult wird wieder zum Blühen gebracht. Das Händeschütteln im Stadion vor Publikum soll Putins autoritäre und aggressive Politik groß aussehen lassen. Westliche Regierungschefs sollten dabei nicht mitmachen.
Verhandlungstische stehen bereit
Müssen wir versuchen, den Kriegen in Syrien und der Ukraine ein Ende zu machen? Unbedingt. 2014 kam es zu einem kurzen Auftritt von Angela Merkel und Wladimir Putin auf einer brasilianischen Tribüne. Hat es uns damals der Lösung im Osten der Ukraine näher gebracht? Nein. Auch vier Jahre später werden uns Auftritte der EU-Staats- und Regierungschefs mit Putin im Stadion dem Frieden in Syrien und der Ukraine nicht näher bringen. Wir brauchen keine Inszenierung, mit der der russische Präsident belohnt wird, sondern einen neuen Anlauf in der diplomatischen Auseinandersetzung mit Wladimir Putin. Dafür stehen Verhandlungstische in Genf und Minsk bereit.
Dieser Gastkommentar erschien am 27.04.2018 im Weser-Kurier: https://www.weser-kurier.de/deutschland-welt/deutschland-welt-politik_artikel,-politiker-sollten-zu-hause-bleiben-_arid,1724658.html