Parlamentarische Anfrage vom 10. August 2009
In einer Anfang Juni 2009 gesendeten Nachrichtenagenturmeldung von dpa wird über in Italien aus Litauen eingeführte radioaktive Holzpellets berichtet. Hierzu frage ich die Kommission:
1. Wann, von wem und wodurch wurde festgestellt, dass die Holzpellets radioaktiv sind?
2. Sind die Pellets äußerlich kontaminiert, oder enthalten sie die Radioaktivität?
3. Welches Aktivitätsinventar enthalten die einzelnen Pellets, und welche Aktivitätskonzentration in Bq/g enthalten die Aschen der einzelnen Pellets von jeweils welchen Radionukliden?
4. Welche Werte sind in Italien für die vorstehend genannten Radionuklide als Freigrenzen (exemption) und für die Freigabe (clearance) verbindlich festgelegt?
5. Ist der EU-Kommission bekannt, welchen Ursprungs die Pellets sind und wie deren Radioaktivität verursacht wurde?
6. Wurden die Pellets nur für bestimmte Verbraucher oder für den freien Verkauf in Italien eingeführt?
7. Welche ähnlichen Fälle sind der EU-Kommission in anderen Mitgliedstaaten bekannt, und wie will sie sicherstellen, dass keine neuen Fälle auftreten können?
Antwort von Herrn Piebalgs vom 17. September 2009 im Namen der Kommission
1. Die Kommission wurde unverzüglich über verschiedene Kanäle über die Kontamination von Holzpellets mit Cäsium 137 informiert, etwa am 17. Juni 2009 durch das Notfallsystem ECURIE (European Community Urgent Radiological Information Exchange), am 18. Juni 2009 über das Informationssystem (NEWS) der Internationalen Atomenergie-Organisation sowie am 19. Juni 2009 durch das gemeinschaftliche System zum raschen Informationsaustausch für Verbrauchsgüter im Nicht-Lebensmittel-Bereich (RAPEX), übermittelt durch die italienischen Marktaufsichtsbehörden (siehe RAPEX Mitteilung 0857/09, Veröffentlichung auf folgender Webseite: http://ec.europa.eu/consumers/dyna/rapex/create_rapex.cfm?rx_id=241).
Diesen Bekanntmachungen folgten flächendeckende Maßnahmen, die von der Staatsanwaltschaft in Aosta am 13. Juni 2009 beschlossen wurden. Eine Analyse der Gammaspektren des radioaktiven Gehalts der Holzpellets und ihrer Verbrennungsrückstände wurde vom Area operative radioattatività ambientale dell' Agenzia Regionale per la Protezione dell' Ambiente (ARPA) regione autonoma Valle d' Aosta durchgeführt. Die Holzpellets wurden von der Feuerwehr in Valdostano (Corpo Valdostano dei Vigili del Fuoco) am 13. und 15. Juni 2009 sichergestellt.
2. Angesichts der vorliegenden Nachweise kann die Kommission bestätigen, dass die Pellets nicht äußerlich kontaminiert sind.
3. Der Cs-137-Gehalt der Pellets liegt ungefähr zwischen 10 und 320 Becquerel je Kilogramm (Bq/kg). Eine Aschenprobe zeigte eine Konzentration von etwa 46 000 Bq/kg.
4. Italien hat die Richtlinie 96/29/Euratom des Rates(1) zur Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlungen umgesetzt, einschließlich Werten, bei deren Unterschreitung eine Tätigkeit von der Anmeldepflicht gemäß der Richtlinie ausgenommen werden kann. Während die Aktivitätskonzentration in der Richtlinie für Cs-134 und Cs-137 bei 10 000 Bq/kg liegt, ist in den italienischen Rechtsvorschriften ein geringerer Wert für alle Radionuklide von einem 1 Bq/g (bzw. 1 000 Bq/kg) festgelegt (siehe Gazzetta Ufficiale Nr. 203 vom 31.8.2000). Es wird darauf hingewiesen, dass die Aktivitätskonzentrationen, die von den italienischen Behörden in den Holzpellets festgestellt wurden, weit unter dem nationalen Richtwert liegen. Allerdings übersteigt die Aktivitätsonzentration in den Vebrennungsrückständen diesen Wert. Es sollte berücksichtigt werden, dass die zugelassene Konzentration für Materialmengen (in der Größenordnung von einer Tonne) festgelegt wurden. Es obliegt den italienischen Behörden, die Expositionspfade zu bewerten, die sich aus höheren Konzentrationen in Verbrennungsrückständen ergeben und adäquaten Umgang damit festzulegen sowie zu entscheiden, ob der zukünftige Gebrauch solcher Holzpellets erlaubt wird — entweder gänzlich ohne Einschränkungen oder nur unter bestimmten Bedingungen.
5. Der Ursprung der Radioaktivität war zunächst nicht näher bestimmt, allerdings stellte sich später heraus, dass die Holzpellets aufgrund des Tschernobyl-Unfalls radioaktiv verseucht sind. Der Tschernobyl-Reaktor-Unfall verursachte Kontaminationen mit Cäsium 134/137 in verschiedenen Ländern Europas. Wenn Waldgebiete mit Cäsium kontaminiert ist, wird radioaktives Cäsium von der Vegetation, einschließlich Bäumen, absorbiert. Normalerweise ist die Menge an Cäsium in Holzerzeugnissen unter dem Gesichtspunkt des Strahlenschutzes nicht bedeutsam, wenn allerdings solche Produkte verbrannt werden, reichert sich Cäsium in den Verbrennungsrückständen an, was zu ordnungspolitischen Bedenken führen könnte.
Die RAPEX-Meldungen beziehen sich auf die Marke „Naturkraft Premium“-Holzpellets, die auf dem italienischen Markt vertrieben worden sind. Der Name des litauischen Herstellers und des italienischen Importeurs und seiner Händler sind bekannt. Es ist noch nicht klar, ob das Holz, das zur Herstellung der Pellets verwendet wurde, tatsächlich aus Litauen stammt oder von Gebieten aus Nicht-EU-Ländern mit einer höheren Cäsium-Kontamination.
6. RAPEX zufolge wurden die Pellets zum freien Verkauf angeboten.
7. Um ein Beispiel anzuführen, wie ein anderes Land mit dem Problem von cäsiumverseuchten Holzerzeugnissen umgeht, möchte die Kommission auf Schweden hinweisen, das — wenn auch auch in geringerem Maße — ebenso Holzpellets aus baltischen Staaten importiert. Nach derzeitiger Einschätzung der Swedish Radiation Safety Authority rechtfertigt die Menge von radioaktivem Cäsium-Niederschlag nach Tschernobyl in den baltischen Staaten keine speziellen Einschränkungen der Einfuhr von Holzpellets aus diesen Ländern. Dennoch gibt es allgemeine Empfehlungen zum Umgang mit Verbrennungsrückständen für Privathaushalte, die Holzpellets zum Heizen benutzen. Für Anlagen, die zur Energieerzeugung in großem Maßstab genutzt werden, gelten ungeachtet des Ursprungs des Holzes einzelstaatliche Vorschriften.
Zur weiteren Verfolgung müssen die nationalen Marktaufsichtsbehörden gemäß den Regeln des RAPEX-Systems prüfen, ob das notifizierte Erzeugnis auf ihrem Markt verkauft wurde und — falls dies der Fall ist — die Kommission darüber informieren, welche Maßnahmen sie getroffen haben, um den Verkauf an die Verbraucher zu verhindern. Bisher wurde die Kommission weder über den Vertrieb dieser radioaktiven Holzpellets in andere Mitgliedstaaten unterrichtet, noch gibt es frühere Meldungen über ähnliche Fälle.
(1) ABl. L 159 vom 29.6.1996.