1. Entflechtung von Stromnetz und -erzeugung
2. EU-Atomabkommen mit der IAEA
3. Mochovce 3 und 4
4. Moratorium für Agrartreibstoffe
5. Europawahl-Kampagne
6. TREC – Solarstrom aus der Wüste
7. Termine
Liebe Freundinnen und Freunde,
Die guten Nachrichten zuerst: Wir sind im Europäischen Parlament am 6. Mai der Entflechtung der Energiewirtschaft – also der Trennung von Erzeugung und Netz – ein gutes Stück näher gekommen. In einer Abstimmung im Industrieausschuss haben die Gegner der Kommissionsvorschläge – aus Deutschland eine ganz große Koalition aus CDU, SPD und FDP – verloren. Die Niederlage war nicht haushoch aber doch so deutlich, dass wir die Verhandlungen, die jetzt anstehen, gut führen können.
In der Auseinandersetzung um eine europäische Energie- und Klimapolitik ist das aber die einzige gute aktuelle Entwicklung. Einen Tiefpunkt markiert der 7. Mai. In einem Treffen zwischen der IAEA (Internationale Atomenergieagentur) und der Kommission wurde eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen EURATOM und der IAEA vereinbart, um die Verbreitung der Atomenergie in der Welt zu forcieren. Ausdrücklich geht es darum, Ländern zu helfen, die bisher über keinerlei Infrastruktur für den Aufbau eines Atomprogramms verfügen. Am Tag der Unterzeichnung der Vereinbarung meldete die Süddeutsche Zeitung, dass Frankreich zur nuklearen Aufrüstung von Ländern in Nordafrika und dem Nahen und Mittleren Osten eigens eine "Agence France Nucleaire Internationale" gründen wird. Und – eigentlich ein Wink mit dem Zaunpfahl – dass Indien zum zweiten Mal eine atomwaffenfähige Mittelstreckenrakete erfolgreich getestet hat. Es ist beängstigend, dass weder die Erfahrung des atomaren Wettrüstens zwischen Pakistan und Indien, noch der Atomtest in Nordkorea und auch nicht die andauernde Krise mit dem Iran den Verfechtern der Atomkraft Zweifel kommen lassen. "Atoms for Peace" steht nach wie vor als Motto unter dem Logo der IAEA und über der gemeinsamen Erklärung mit der Kommission.
Meine Reisen nach Washington und Sao Paolo Ende April und Anfang Mai haben meine Zweifel an der Richtung der internationalen Klimapolitik bestärkt. Einerseits gibt es in den USA durchaus so etwas wie eine Aufbruchstimmung in der Klimapolitik. Aktuelle Gesetzesentwürfe zeigen, dass es im Land mit den größten Pro-Kopf-Emissionen nach der Präsidentschaftswahl einen klimapolitischen Neuanfang geben wird. Aber die derzeit wichtigsten Instrumente zur Erreichung der keineswegs ehrgeizigen Ziele sind Atomkraft, CO2-Abscheidung und Lagerung (CCS) und Agrofuels. Zur Förderung der Atomkraft werden allein in diesem Jahr 18 Milliarden Dollar in Form von staatlichen Bürgschaften verfügbar sein. Und in einem waren sich alle unsere Gesprächspartner einig: An der Kohle wird in den USA kein Weg vorbei führen, denn kein Demokrat könne Präsident werden, ohne die "Stimmen aus den Kohlestaaten". Die Welternährungskrise hat in den USA keinerlei Zweifel an der Agrospritstrategie und den hohen Subventionen für Sprit aus Mais und Weizen aufkommen lassen. Es gibt natürlich auch Programme für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Die werden aber als Zusatz verstanden und führen keineswegs zu einer neuen strategischen Ausrichtung der Energiepolitik.
Die brasilianische unterscheidet sich in den Schwerpunkten kaum von der nordamerikanischen Klimapolitik. Präsident Bush und Präsident Lula stehen Seit an Seit für Atomenergie und Agrofuels. Brasilia will nun endlich den vor Jahrzehnten eingestellten Bau weiterer Reaktoren in Angra fortsetzen. Und so wie es aussieht, werden sich in USA, Frankreich oder Deutschland bestimmt Partner finden. Ansonsten setzt man in Brasilien weiter ungebrochen auf Ethanol. Dass es Nachhaltigkeitszertifikate für Futtermittel oder Ethanol aus Brasilien geben werde, mag glauben wer will. Mir wurde von vielen Seiten bestätigt, dass es in Amazonien weder Staat noch Recht gebe. Lula selbst will konsequenter gegen die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen am Amazonas vorgehen. Und selbst Repräsentanten der deutschen Wirtschaft beschreiben einen "Krieg um Land" in Amazonien. Schon heute ist die flächenmäßige Ausdehnung von Soja- und Zuckerrohrmonokulturen gigantisch. Mir erscheint die Zertifizierung beim Stand der Dinge in Brasilien als eine naive Idee, die mehr der Gewissensberuhigung in den Importländern dient als Amazonien oder den Bauern und Landarbeitern in Brasilien.
Einen sehr spannenden Abend verdanke ich dem neu gegründeten Ortsverband der Grünen in Washington. Ein kleiner grüner Think Tank könnte das sein. Seine Mitglieder arbeiten in den Internationalen Institutionen, bei Stiftungen oder auch bei der demokratischen Partei. Und eine Aufgabe habe ich aus unserem Diskussionsabend mitgenommen: Wir Grünen müssen härter auf die falschen Wege in der Klimapolitik reagieren. In den USA gilt es wegen der Erderwärmung als politisch unkorrekt, gegen Atomkraft zu protestieren. Man dürfe nicht unglaubwürdig werden. Für mich gilt das Umgekehrte: Wer das atomare Risiko nicht scheut, der nimmt auch die Erderwärmung nicht ernst. Es sind im Übrigen immer die gleichen Akteure, die kein atomares Abenteuer scheuen aber deren größte Angst ist, dass "die Deutschen ein Volk von Kleinwagenfahrern werden".
An Pfingsten war es bei mir im Wendland herrlich. Wer die kulturelle Landpartie versäumt hat, dem empfehle ich einen Besuch im September. Kunst und Kultur zwei Monate vor dem nächsten Castor-Transport! Der ist bereits genehmigt für November und sollte von vielen zum Anlass genommen werden, endlich einmal wieder gegen die Atomenergie zu protestieren. Wer will schon erleben, dass die Pläne für Moorburg aufgegeben werden und dafür Brunsbüttel und Krümmel nicht vom Netz gehen? Ich nicht.
Beste Grüße.
Eure Rebecca
1. Entflechtung von Stromnetz und -erzeugung
Eine Mehrheit im Industrieausschuss des Europaparlaments hat den Vorschlag der Kommission für eine vollständige eigentumsrechtliche Entflechtung von Netz und Erzeugung unterstützt. Der so genannte dritte Weg, der das Eigentum der Transportnetze bei den Energieproduzenten belässt, wurde abgelehnt. Das ist ein Schlag für die Energieoligopole in Deutschland und Frankreich, die zumindest teilweise die Kontrolle über die Transportnetze behalten wollen.
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2. EU-Atomabkommen mit der IAEA
Am 7. Mai haben Vertreter der Europäischen Kommission und der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) eine potentiell weit reichende gemeinsame Erklärung zur Kooperation der beiden Organisationen unterzeichnet. Als Ziel dieser Kooperation wird ausdrücklich die Absicht genannt, neue Mitglieder im Club der Atomstaaten zu unterstützen.
PM
IAEA Cooperation Statement
PM der Europäischen Kommission
3. Mochovce 3 und 4
22 Jahre nach der verheerenden Tschernobyl-Katastrophe erwarten wir jetzt die Stellungnahme der Europäischen Kommission zu einem Projekt, das noch vor diesem Unfall in der damaligen Tschechoslowakei begonnen wurde. Das italienisch-slowakische Energieunternehmen ENEL/SE will die Atomreaktoren Mochovce 3 und 4 auf der Basis von veralteten Plänen und sowjetischer Reaktortechnologie aus den 70er Jahren fertig stellen. Sollte Brüssel Mochovce 3 und 4 positiv bewerten, wäre das ein Skandal.
PM
Schriftliche Anfragen zum Thema
4. Moratorium für Agrartreibstoffe
Anlässlich der aktuellen Ernährungskrise haben grüne Europaabgeordnete auf einer Pressekonferenz am 22. April gefordert, das von der EU beschlossene 10%-Beimischungsziel für Agrarsprit aufzugeben und ein Moratorium für die Verwendung von Pflanzentreibstoffen zu erklären. Durch den Boom ineffizienter Agrofuelproduktion ist mit gleichzeitig steigender weltweiter Nachfrage nach Getreide für die Fleischerzeugung eine Konkurrenz um Land und Wasser zwischen Lebensmittel- und Energieerzeugung entstanden, welche die aktuelle Ernährungskrise verschärft.
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5. Europawahl-Kampagne
Vom 11.-13. April fand in Ljubljana der 8. Parteitag der Europäischen Partei statt. Die Diskussionen der 250 Delegierten aus 35 Mitgliedsstaaten widmeten sich vorwiegend der nahenden Europawahl 2009. Als Basis für die Kampagne dienen drei Strategiepapiere zu den Themen Klimawandel, Wirtschaft und Migration, die die Delegierten in Ljubljana verabschiedeten.
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6. TREC – Solarstrom aus der Wüste
TREC steht für Trans-Mediterranean Renewable Energy Cooperation. Das Netzwerk von Wissenschaftlern und Politikern verschiedener Länder wird auch von Rebecca Harms unterstützt. TREC steht für die Idee, Strom mit Solarthermie-Kraftwerken in den sonnenreichen Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens (den MENA-Staaten) zu produzieren und mit Hochspannungs-Gleichstrom-Leitungen nach Europa zu transportieren. Zusätzlich kann von den MENA-Ländern die Restwärme der Kraftwerke genutzt werden, um Meerwasser-Entsalzungsanlagen zu betreiben. Doch trotz erprobter und bewährter Solarthermie-Technologie bleiben noch viele Fragen unbeantwortet.
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7. Termine
15. Mai: „Das blaue Gold - Recht auf Wasser oder Kampf um Wasser?!“, Hannover
22.-23. Mai: „Europäisches Atomenergie-Forum“, 2. Teil, Prag
28.-30. Mai: UN Biodiversitätskonferenz, Bonn
28.-31. August: Sommeruniversität der Europäischen Grünen, Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder und Slubice
8.-12. Dezember: UN Klimakonferenz, Poznan, Polen