1. EU-Frühjahrsgipfel
2. Klimaschutzpolitik: Erwartungen an Berlin
3. Entflechtung des europäischen Strommarktes
4. Europäisches Institut für Innovation und Technologie (EIT)
5. Termine
Liebe Freundinnen und Freunde,
als ich letzten Donnerstag aus Straßburg nach Brüssel kam, um, soweit das möglich ist, für meine Fraktion die Verhandlungen des Europäischen Rates zu verfolgen und zu bewerten, waren mir die Abschlussreden und Pressekonferenzen von vor einem Jahr sehr präsent. Gleiche Zeit, gleicher Ort, etwas andere Besetzung. Und trotzdem: Es war alles anders.
Von der Aufbruchstimmung Europas für eine gemeinsame ehrgeizige Klima- und Energiepolitik war kaum etwas zu spüren. Nicht die konsequente Umsetzung der Ziele, die 2007 auch wegen des großen Engagements von Angela Merkel recht anspruchsvoll gesetzt worden waren, sondern das Feilschen um die Ausnahmen, Abweichungen und Verzögerungen dominierte die Gespräche über das Klimapaket, in dem die Kommission ihre Gesetzgebungsvorschläge zusammengefasst vorgelegt hat. Angela Merkel, die vor einem Jahr als "Klimakanzlerin" nach Berlin zurückkehrte, hat bei diesem Gipfel da entschleunigt, wo sie vor einem Jahr mehr Tempo und Konsequenz eingefordert hat. Ähnlich wie die Deutschen im Rat schon vor dem Gipfel Stimmung gegen die Vorschläge der Kommission zur CO2-Reduzierung von Autos und zur Entflechtung im Strom- und Gassektor gemacht hatten, arbeitete die Kanzlerin am Donnerstag und Freitag in Brüssel gegen den Vorschlag für den Emissionshandel. Die Einbeziehung der enrgieintensiven Industrie soll aufgeschoben werden.
Die Vorschläge zur zeitlich gestaffelten, aber konsequenten Einbeziehung der Industrie in die Versteigerung der Emissionszertifikate gilt als erneuter Anschlag auf die Wettbewerbsfähigkeit Europas. Und das von der Kommission vorgeschlagenen Bezugsjahr will Angela Merkel gemeinsam mit den Zentraleuropäischen Staaten zurückdatieren.
Diese Bremsung beim Emissionshandel wird damit begründet, dass die Abwanderung der Europäischen Industrie verhindert werden soll.
Offensichtlich geht man in Berlin und anderen Europäischen Hauptstädten nicht mehr davon aus, dass es in den UNO-Klimagipfeln bis 2009 gelingen wird, ein starkes Kyoto-Nachfolgeabkommen zu erreichen. Ich befürchte eher, dass die neue Kleinmütigkeit der Europäer ein entmutigendes Signal für all jene Staaten ist, die sich in und nach Bali bereit gezeigt haben, ihre Klimaschutzpolitik stärker und konsequenter und auf vertraglicher Grundlage zu machen. Gerade wenn man bedenkt, dass die nächsten beiden UN-Klimagipfel in Posen und in Kopenhagen stattfinden werden, müssten die Europäer alles daran setzen, zuhause vorbildliche Regelungen vorweisen zu können. Versprochen hat die EU das oft genug. Aber anstatt die Versprechen zu erfüllen übt sich der Rat in Brüssel in negativer self-fulfilling prophecy.
Dabei hatten die kleinmütigen Staatschefs der EU ein ziemlich hartes Papier von Xavier Solana auf dem Tisch. Der hatte rechtzeitig vor dem Gipfel seine Einschätzung zu kommenden Bedrohungen durch die Erderwärmung veröffentlicht. Das Dokument zeichnet ähnlich einer Studie des US-Außenministeriums vor einigen Jahren ein Szenario von Konflikten oder auch Kriegen um Land-, Wasser-, Nahrungs- und Fischereirechten. Beim Lesen kommt durchaus ein Gefühl von Apokalypse auf. Aber anders als Nicholas Stern mit seinem Bericht über die Kosten oder Al Gore mit seinem Film über seine eigene Klimakampagne konnte Solana den Europäischen Rat nicht beeindrucken.
Das Gefühl, dass die EU derzeit schwächelt, hatte man nicht nur beim Klimakapitel. Ein Tagesordnungspunkt, der ursprünglich gar nicht vorgesehen war, war die Mittelmeerunion. Die heißt nach den Gesprächen nun Union des Mittelmeeres – oder ist es andersrum? Naja, egal... – und soll jetzt nicht mehr allein die Import-Export-Agentur Sarkozys für Atomtechnik, Waffen und Rohstoffe aller Art sein. Alle anderen Europäer wollen da auch mithandeln dürfen. Ob Sarkozy das auch morgen noch so sehen wird? Zweifel sind berechtigt. Besonders wenn man die konsequenten Bemühungen Deutschlands oder Ungarns oder Italiens betrachtet, ihre Gasgeschäfte mit Russland so zu organisieren, dass ihre neuen Pipelines einen großen Bogen um andere EU Staaten und erst Recht um die Ukraine machen. 2007, als Angela Merkel die EU-Ratspräsidentin war, sollten die Weichen nicht nur für eine gemeinsame Klima- sondern auch für eine gemeinsame Energieversorgungspolitik gestellt werden. Aber das ist ja alles schon ein Jahr her. Und wer weiß heute schon noch wer vor einem Jahr die Dinge durchgesetzt hat, die heute von der Bundesregierung nicht mehr gewollt werden. Glaubwürdigkeit und Konsequenz – als Messlatte für Kurt Beck oder Andrea Ypsilanti gut – warum misst eigentlich bei der ehemaligen Ratspräsidentin da keiner so genau? Und auch die Frage, was die Kanzlerin in Brüssel in den letzten Tagen eigentlich für wen erreicht hat, sollte gestellt werden. Sie hat blockiert mit dem Erfolg, dass alles offen geblieben ist. Weder hat die Kommission neuen Rückenwind für ihre Vorschläge, noch hat die deutsche Industrie Planungssicherheit. Misserfolg auf der ganzen Linie...
Irgendwie war auf der Abschlusspressekonferenz der deutschen Delegation gleich klar, dass nichts Vernünftiges zu verkünden war. Wie sonst hätte das Thema Bürokratieabbau und der Bürokratieabbausonderbeauftragte Edmund Stoiber es schaffen können, in dieser Pressekonferenz prominent Erwähnung zu finden? Vielleicht war das aber auch der oft berichteten feinsinnigen Ironie Angela Merkels zuzuschreiben. Jedenfalls haben die meisten anwesenden Journalisten, wahrscheinlich alle deutschen, bei diesem Tagesordnungspunkt geschmunzelt. Offensichtlich braucht es ein Wort der Kanzlerin, damit wir daran denken, dass es diesen Bayern in Brüssel tatsächlich gibt.
Ich reise vor Ostern mit der Delegation des Europäischen Parlamentes zu einem ersten Treffen mit Abgeordneten der russischen Duma. Darüber und über Treffen mit Bürgerrechtsgruppen in Moskau berichte ich dann nach Ostern im nächsten Newsletter.
Grüße aus Brüssel.
Eure Rebecca
1. EU-Frühjahrsgipfel
Von der europäischen Aufbruchstimmung für Klimaschutz des Frühjahrsgipfels 2007 war bei diesem Ratstreffen kaum mehr etwas zu spüren. Nicht die konsequente Weiterverfolgung der Klimaschutzziele von 2007, sondern das Feilschen um die Ausnahmen dominierte die Gespräche. Rebecca verfolgte die Verhandlungen des EU-Gipfels als Sprecherin der Europagruppe DIE GRÜNEN vor Ort und stand für Medienanfragen im Pressezentrum zur Verfügung.
Videos EN und DE
2. Klimaschutzpolitik: Erwartungen an Berlin
Zwei große Gesetzespakete zu Energiepolitik werden derzeit im Europäischen Parlament beraten. Das eine ist das so genannte „Marktpaket“, das die vollständige Liberalisierung des europäischen Energiemarktes zum Ziel hat. Das zweite Paket ist das „Klima- und Energiepaket“, kurz „Klimapaket“. Es umfasst Richtlinien für Erneuerbare Energien und den europäischen Emissionshandel (ETS), sowie Vorgaben zu CO2-Abscheidung und Speicherung (CCS) und dem ‚effort sharing’ zur CO2-Reduktion außerhalb des Emissionshandels (Verkehr, Gebäude etc.). Außerdem werden weiter Vorschläge zu CO2-Grenzwerten für Neuwagen in Rat, Europäischem Parlament und Kommission diskutiert. Die Forderungen der Fraktionsvorsitzenden von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aus Europaparlament, Bundestag und Landtagen an die Bundesregierung für die anstehenden Klima- und Energiebeschlüsse sind in der Brüsseler Erklärung zusammengefasst.
Brüsseler Erklärung
3. Entflechtung des euopäischen Strommarktes
Die Grünen/EFA begrüßen die Bereitschaft der deutschen Stromkonzerne sich von ihren Übertragungsnetzen zu trennen. Maßstab für ein Entflechtungsmodell können jedoch nicht die Interessen der Stromkonzerne sein. Das gewählte Eigentumsmodell muss einen diskriminierungsfreien Marktzugang für neue Anbieter, faire Preise und ausreichende Investitionen in die Netzinfrastruktur zur Sicherung der Energieversorgung und zur Integration erneuerbarer Energien in den Energiemix gewährleisten.
4. Europäisches Institut für Innovation und Technologie (EIT)
Das Europäische Parlament hat am 11. März einen Vorschlag zur Schaffung eines EIT beschlossen. Der Antrag der Grünen zur Ablehnung des Vorschlags wegen mangelnder Finanzierung und falscher Konzipierung wurde vom Plenum zurückgewiesen.
5. Termine
17.-19. März: Parlamentarischer Koperations-Ausschuss EU-Russland, Moskau
28.-29. März: “From Global Warning To Global Politics”, World Political Forum und Club of Rome, Turin
11.-13. April: Parteitag der Europäischen Grünen und Erweiterte Vorstandssitzung, Ljubljana
1.-4. Mai: “Global Greens 2008”, Sao Paulo, Brasilien
15. Mai: „Das blaue Gold - Recht auf Wasser oder Kampf um Wasser?!“, Hannover
28.-31. August: Sommeruniversität der Europäischen Grünen, Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder und Slubice