Rebecca Harms' persönliche Bilanz nach 40 Jahren Gorleben in der aktuellen Gorleben Rundschau.
Als im Jahr 1977 in der Niedersächsischen Landesregierung entschieden wurde, in der Nähe des kleinen Ortes Gorleben im Landkreis Lüchow-Dannenberg das Nukleare Entsorgungszentrum der Bundesrepublik zu errichten, war ich 20 Jahre alt. Wenn ich heute darüber nachdenke, was in den ersten Tagen und Monaten nach der Standortentscheidung passiert ist, wie es war, als wir uns in der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V. zusammengefunden haben, dann ist das für mich keine einfache Aufgabe. Ich bin vor einiger Zeit 60 Jahre alt geworden. Wenn ich an unseren Aufbruch vor 40 Jahren zurückdenke, wenn ich das Erreichte und das Nicht-Erreichte bilanziere, dann ist das eine Bilanz, die nicht unpersönlich sein kann. Als Mitbegründerin der Bürgerinitiative bin ich befangen, als gewählte Politikerin aus dem Wendland auch. Ich weiß, dass Weichzeichner, Unschärfen und Übertreibungen genau wie Auslassungen oder Fälschungen Teil des Gedächtnisses sind. Wer wissen will, wie es wirklich war, der darf vielleicht keine Politikerin fragen sondern muss ins Gorleben-Archiv gehen. Zu diesem Archiv will ich später kommen. Denn nach 40 Jahren politischer Auseinandersetzung ist unser Archiv nicht nur eine Sammlung von Dokumenten und Bildern unserer Vergangenheit. Es sehe das Archiv als Ermutigung für die Zukunft und als Fundament um den Streit um Gorleben in der nächsten Generation zu gewinnen.
Schom im Vorfeld des 40. Jahrestages der Gorleben-Entscheidung bin ich oft gefragt worden, wie ich unseren Erfolg im Wendland beschreiben und bewerten würde. Geantwortet habe ich darauf: Bis heute ist im Salz unter der Erde bei Gorleben kein hochradioaktiver Müll vergraben worden. Viele Kolleginnen und Kollegen in der deutschen Politik schließen die zukünftige Nutzung des Salzstockes Gorleben als Endlager für Atommüll aus. Sie verweisen auf die Ergebnisse der Endlagerkommission und die Änderungen des Endlagersuchgesetzes. Ich wage das heute noch nicht. Die Chance, dass die Endlagerung im ungeeigneten Salzstock von Gorleben verhindert werden kann, halte ich aber für größer als je zuvor. Im Blick zurück denke ich, dass wir 1977 mit so einem Erfolg nicht wirklich rechnen konnten.
Das Nachdenken über das Jahr 1977 , die Standortentscheidung Gorleben und unsere Erfolge führt mich in eine Zeit, in der Deutschland noch ein anderes Land war. Das Land und auch das Wendland endeten zwei Kilometer östlich von dem Gelände, das für die Errichtung eines Nuklearen Entsorgungszentrums ausgewählt wurde. Am anderen Ufer der Elbe gegenüber dem Dorf Gorleben lag zuerst das Niemandsland und dann kam die DDR. Niemand rechnete 1977 ernsthaft mit dem Fall des Eisernen Vorhangs. Niemand hatte die Absicht oder gar den Plan mitten in Deutschland eine atomare Wiederaufarbeitungsanlage mit Anlagen zur Behandlung und zur Zwischen – und Endlagerung von radioaktivem Müll zu errichten. Die Lage Gorlebens im Zonenrandgebiet war eine wichtiger Grund für die Auswahl.
Und das Wendland war nicht nur Zonenrandgebiet sondern extremes Zonenrandgebiet. Es lag am äußersten Rand des Westens, war dünn besiedelt, arm und politisch mehr als konservativ. Die geografische und die politische Lage prädestinierten den Standort Gorleben.
Nicht nur die Außengrenzen der Bundesrepublik verliefen vor 40 Jahren nicht wie heute. Die Gesellschaft und ihre politische Kultur waren anders. Die Standortentscheidung für Gorleben und die Gründung der Bürgerinitiative fielen in die Zeit, die die bleierne Zeit genannt wurde. Es war die Zeit der Konfrontation und gesellschaftlicher Polarisierung befeuert vom Terrorismus der RAF und den Berufsverboten für angebliche Verfassungsfeinde. Es war also keine selbstverständliche Sache eine Bürgerbewegung anzuschieben, die zu den Mitteln des zivilen Ungehorsams greifen wollte.
Heute, 40 Jahre später, stehen im Wald bei Gorleben die Zwischenlager für schwach-, mittel- und hochaktiven Müll. Eine Konditionierungsanlage für abgebrannte Brennelemente wurde gebaut aber nie in Betrieb genommen. Die Wiederaufarbeitungsanlage wurde dagegen nie errichtet. Im Salzstock Gorleben-Rambow wurde ein 1000 m tiefes Bergwerk ausgebaut. Radioaktiver Müll wurde bis heute nicht unter die Erde gebracht. Wer die Wiederaufarbeitungsanlagen von La Hague in Frankreich oder Windscale/Sellafield betrachtet, der erkennt sofort, wie die Pläne der deutschen Atomwirtschaft in Gorleben ausgebremst worden sind. Wenn ich das aus der Zeit der Standortentscheidung heraus betrachte, dann gehören unsere Erfolge in die Kategorie der Wunder. Und dass ein Wunder möglich war, das hat damit zu tun, dass wir nicht nur gegen die Atomindustrie erfolgreich waren. Ein Erfolg, den es auch zu verteidigen gilt, das ist der wendländische Beitrag zur Veränderung der deutschen Gesellschaft.
Die Geschichte unseres Erfolges ist eine Geschichte von Irrtum und Glück, von Liebe, Freundschaft, Verrat und Versöhnung. Es ist eine Geschichte von mutigen und neugierigen BürgerInnen und Bürgern, von demokratischem Geist und großer Bereitschaft zu bürgerlichem Engagement.
DER GRÖSSTE IRRTUM
Am Anfang stand ein Irrtum. Als 1977 in Hannover und Bonn die Würfel auf Gorleben fielen, da hatten Ministerpräsident Albrecht und alle anderen ein festes Bild von Lüchow-Dannenberg und seinen Leuten. Der abgehängte Landstrich an der Elbe war so arm und so konservativ, dass Politik und Industrie fest davon ausgingen, dass man mit dem Versprechen auf Ansiedlung moderner Industrie, Schaffung von Arbeitsplätzen und zusätzlicher großzügiger Standortförderung die Katze fest im Sack hätte. So kann man sich täuschen. Zwar hielten die pro Gorleben-Mehrheiten auch im Wendland noch eine Weile zusammen. Aber mit der Standortentscheidung im Februar 1977 taten sich über Nacht Leute gegen die atomaren Pläne zusammen, die bis dahin kaum etwas miteinander zu tun gehabt hatten. Als hätte Ernst Albrecht den Pfropfen aus der Flasche gezogen und die Geister befreit, die ihn nur 2 Jahre später sogar dazu brachten, den Bau der Wiederaufarbeitungsanlage in Gorleben aufzugeben. Diese Anlage sei politisch nicht durchsetzbar, erklärte der Ministerpräsident, angesichts einer tagelang andauernden Blockade in Lüchow, wo mit Traktoren und Menschen Bohrfahrzeuge an der Fahrt nach Gorleben gehindert wurden. In der Zeit von Kanzler Helmut Schmidt einer Aktion nachzugeben, die als „Nötigung“ später vor Gericht hart bestraft wurde, war der beste Ansporn, den wir zwei Jahre nach der Standortentscheidung für unsere Strategien des zivilen Ungehorsams bekommen konnten.
DAS GRÖSSTE GLÜCK
Am Anfang hatten wir auch Glück. Der Aufbruch gegen die Pläne der Atomindustrie, die Gründung der Bürgerinitiative und der Bäuerlichen Notgemeinschaft fanden statt in der noch bleiernen Zeit der Bundesrepublik. Aber andererseits war gerade auch an Orten wie Gorleben zu spüren, dass die Zeit, dass die Gesellschaft auch reif war für Veränderung. Unser Glück war, dass sich unter denen, die den Anfang im Wendland prägten, aufrührerische Talente, politische Erfahrung und bürgerliche Gesinnung auf außergewöhnliche Weise ergänzten. Die unbeugsame republikanische Marianne Fritzen, französische Citoyenne mit taiwanesischer Erfahrung, und der undogmatische linke Martin Mombaur, von 1968 und Göttingen geprägt, waren eine Art erste Doppelspitze der Bürgerinitiative. Um sie herum arbeitete im erweiterten Vorstand der Bürgerinitiative eine Gruppe von Frauen und Männern aus dem Landkreis Lüchow-Dannenberg, die alles mitbrachten, was es an politischen Überzeugungen gab. Konservative, liberale, linke, bürgerliche und anarchistische Gesinnung floss in die spannungsvollen Debatten und Entscheidungen ein. Die Gründung der Bürgerinitiative als „eingetragener Verein“ war eine frühe Wegmarke. Nach heftigem Streit setzten sich die durch, die den Streit um Gorleben keinesfalls zu einem Kampf gegen „das System“ machen wollten. Das war die Voraussetzung dafür, dass die breite Koalition aus Bürgern und Bauern, Landadel und Aussteigern, Künstlern und Lebenskünstlern halten konnte. Wir waren nicht nur mutig genug um uns an die Barrikaden zu stellen. Wir wagten auch gesellschaftliche Gruppen und ideologische Grenzen hinter uns zu lassen. Bevor der Begriff der Bürgergesellschaft erdacht wurde, waren wir schon weit auf dem Weg dahin.
FREUNDSCHAFT UND VERTRAUEN
Die Geschichte des Gorlebenprotestes ist auch eine Geschichte von außergewöhnlicher Freundschaft. Wir konnten sehr offen und hart streiten. Über die Gewaltfrage und ob das Zerschneiden eines Zaunes Gewalt ist, über die Übertretung von Gesetzen und die Anmeldung von Demonstrationen beim Ordnungsamt, über das Verhältnis zu politischen Parteien, über Hierarchien, über das Verhältnis von Einheimischen und Auswärtigen, über die Systemfrage. Wir mussten darüber streiten, denn wir waren ein so gemischter Haufen, politisch und gesellschaftlich, dass es ohne die Austragung solcher Fragen mit uns nie weiter gegangen wäre. Sitzungen des erweiterten Vorstandes dauerten ganze Nächte, die „Trebeler Treffen“ zwischen Wendländern und Auswärtigen tagelang. Es gab nicht nur Ärger sondern Zorn. Es war laut und es flossen Tränen. Es gab politische Trennungen. In dem Streit der frühen Jahre reifte ein eigenes politisches Selbstbewusstsein unter denen, die in Lüchow-Dannenberg die große Verantwortung im Widerstand gegen Gorleben übernahmen. Wenn einige von uns wagten Verantwortung für Aktionen wie die Freie Republik Wendland zu tragen, dann konnten sie sich untereinander vertrauen. Als wir am Morgen der Räumung der Republik Freies Wendland einer wie für einen Bürgerkrieg gerüsteten regelrechten Polizei- und Bundesgrenzschutzarmee gegenüber standen, da konnten wir nur standhalten, weil wir uns unter einer Gruppe von Freunden im wahrsten Sinne des Wortes blind vertrauten. In den politischen Verständigungs- und Vergewisserungsdebatten waren ungewöhnliche sogar politische Freundschaften gewachsen. Freundschaft und Vertrauen ermöglichten uns im verhärteten gesellschaftlichen Klima neue politische Wege zu probieren. Es brauchte auch viel Freundschaft und Selbstbewusstsein um der gesellschaftlichen und politischen Verunglimpfung und juristischen Verfolgung zu begegnen. Denn eines darf von heute aus betrachtet nicht vergessen werden: Ende der siebziger und Anfang der Achtziger waren wir nicht die, die die Mehrheitsmeinung vertreten haben. Wir waren die, denen zugerufen wurde: Geht doch rüber! Wir waren Langhaarige, Ökospinner, Terroristen und anderes unappetitliches Pack. Wir waren auch die, die als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung vom Verfassungsschutz beobachtet und deren Häuser regelmäßig durchsucht wurden.
LIEBE UND HEIMAT
Die vielen Liebesgeschichten, die im Wendland spielen oder hier angefangen haben, sind sicher einer der Gründe für unseren Erfolg. Diese zu erzählen überlasse ich anderen. Unter denen, die von außen als unsere Gäste schon 1977 nach Gorleben gekommen sind, waren Heinz Brand, Robert Jung und Walter Mossmann. Diese drei sehr verschiedenen Männer hat verbunden, dass sie sich Hals über Kopf in das Wendland und die Widerspenstigkeit seiner Bürger verliebt haben. In einer Tagung im Jagdschloss Göhrde berieten wir mit unseren prominenten Gästen Strategien des zivilen Ungehorsams und des Widerstandes gegen Gorleben. Heinz Brand, der Gewerkschafter, der wegen seiner Überzeugungen von den Nazis und in der DDR verfolgt und eingesperrt worden war, insistierte als erster, wir bräuchten eine positive Orientierung. Im „Atomkraft Nein Danke“ Slogan sei das Nein zwar sehr gut begründet. Mit Ablehnung allein könnten wir aber nicht die Zustimmung gewinnen, die wir bräuchten. Die Entscheidung „Gorleben soll leben“ zu unserer Parole und den Baum zu unserem Symbol zu machen, ist das Ergebnis der Runde in der Göhrde, in deren Wälder Heinz Brand sich so verliebt hatte. In den schlichten und irgendwie altmodischen Worten zeigt sich aber auch, dass hinter dem politischen Ziel die Atomanlagen in Gorleben zu verhindern, die Liebe zur Welt steht. Viele Jahre nach meinen ersten Gesprächen mit Heinz Brandt habe ich die Schriften der Philosophin Hannah Ahrendt entdeckt. Zu der Frage, was Politik ist, sagte sie, Politik sei angewandte Liebe zur Welt. Heinz Brandt hat uns dieses Denken nahe gebracht. Mit ihm und anderen haben wir gelernt, uns der eskalierten politischen Stimmung der Siebziger Jahre nicht anzupassen und auch nicht zu beugen. Wir haben uns nicht auseinanderdividieren lassen. Wir haben uns aber auch nicht falschen Parolen unterworfen. Die Gewaltlosigkeit entsprach und entspricht dieser Idee von der angewandten Liebe zur Welt genauso wie die Gesprächsbereitschaft ob mit der Atomindustrie, der atomfreundlichen Politik oder auch der Polizei. Bei der Räumung der Republik Freies Wendland mit dem bis dahin größten Polizeieinsatz der Bundesrepublik wurde diese Haltung hart auf die Probe gestellt. Diese Probe ging später dann Jahr für Jahr während der Castorblockaden weiter, wenn Zehntausende von Polizisten das Wendland besetzten und im juristischen Ausnahmezustand und mit Wasserwerfern, Schlagstock und Hundestaffeln die Atomtransporte ins Zwischenlager Gorleben gegen gewaltfreie Aktionen durchsetzte, an denen sich oft Zehntausende beteiligten.
VERRAT UND VERSÖHNUNG
Ich will niemandem etwas vormachen darüber, wie oft ich und andere mit der Faust in der Tasche dastanden und die eigene Friedfertigkeit kaum noch aushalten konnten. Nach der Räumung der Republik Freies Wendland entschieden einige von uns neue Wege zu versuchen. Sie meinten, dass allein mit außerparlamentarischer Arbeit mit klugen Argumenten, mit Demonstrationen und Gerichtsverfahren der mächtigen Atomwirtschaft und ihren Vettern in der Politik nicht beizukommen wäre. Es wurde die Unabhängige Wählergemeinschaft gegründet. Etliche der Spitzenleute der Bürgerinitiative wie Marianne Fritzen, Martin Mombaur und Undine von Blottnitz beteiligten sich 1980 an der Gründung der Partei der Grünen. Ich gehörte damals nicht dazu. Ich zählte zu denen, die dachten, dass der zivile Ungehorsam schneller zum Atomausstieg und zumindest zum Ende von Gorleben führen würde als der Weg über eine neue Partei. Ich habe mich damit so geirrt wie Ernst Albrecht mit der Standortentscheidung. Kein Irrtum war, dass der Weg zur Erreichung des Atomausstiegs und einer Abkehr von Gorleben durch Regierungsentscheidungen und parlamentarische Mehrheiten auch sehr mühsam sein würde. Die Auseinandersetzung zwischen Bürgerbewegung und Parteien oder Regierungen hatte von Anfang an Höhen und Tiefen. Verrat ist ein Wort, das immer wieder gefallen ist. Es ist ein schwerwiegendes Wort und bestimmt nicht immer zutreffend. Das Scheitern und die Kompromisse gehören zur demokratischen Politik. Wie wir damit umgehen, muss auch auf der Seite der Politik immer wieder gelernt werden. Der erste rot-grüne Konsens zum Ausstieg aus der Atomenergie wurde von der Industrie nach wenigen Jahren wieder aufgekündigt. Das Misstrauen gegenüber dem zweiten Konsens nach Fukushima war damit vorprogrammiert. Am Ende zählen aber Ergebnisse. Ohne die Bewegung gegen Gorleben, ohne die Anti-Atombewegung wären die Grünen nicht so in Gang gekommen. Ohne die offensive Arbeit der Grünen zum Atomausstieg und zur Energiewende wäre Deutschland heute nicht auf dem Weg zur Abschaltung der letzten Atomkraftwerke. Die Katastrophen in Tschernobyl und in Fukushima haben uns Atomkraftgegnern auf furchtbare Art Recht gegeben. Das nach Fukushima in Deutschland auf weit entwickelte Technologien der Erneuerbaren Energien und Erfahrungen mit der Energiewende zugegriffen werden konnte, das hat auch damit zu tun, dass die Anti-Atom-Bewegung gerade auch in Gorleben schon früh nicht nur Nein gesagt hat.
NEUGIER UND ZUKUNFT
Vor einiger Zeit hörte ich im Radio von einem Archäologen, der die Republik Freies Wendland ausgraben will. Geschichte und das Graben danach haben mich immer fasziniert. Etwas unheimlich ist nur, dass es in diesem Fall auch um meine, um unsere Geschichte geht, dass wir also schon Geschichte sein sollen. In Deutschland soll nach den Empfehlungen der Endlagerkommission in Zukunft ein neuer Vergleich von möglichen Standorten für ein Endlager für radioaktivem Müll begonnen werden. Wie zuverlässig dieses Vorhaben verfolgt werden wird, ob der Salzstock Gorleben in einem Vergleich aufgegeben werden wird, das kann keiner sicher sagen. Kann es gelingen, die Zustimmung der Bürger und einen geeigneten Standort in einem verantwortlichen Verfahren zu finden? Gibt es einen Weg von der Ablehnung zur Zustimmung für die Endlagerung von Atommüll? In diesen Fragen spiegelt sich für uns Lüchow-Dannenberger einerseits unser großer Erfolg und andererseits die andauernde Herausforderung. Für Politik und Gesellschaft ist der Umgang mit den Altlasten der so kurzen Zeit der Atomkraft mindestens eine Jahrhundertaufgabe. Es ist gut, dass ein junger Archäologe aus der Generation, die vielleicht die Entscheidung über das Endlager verantworten muss, mit seinem Graben nach unserer Geschichte Licht in die politischen Verhältnisse von 1980 bringen will. Die Fundstücke aus dem wunderbaren Frühling der Utopie auf der Bohrstelle 1004, auf die er stoßen wird, werden ihm viel Spaß machen. Die Neugier des Archäologen verweist im 40. Jahr nach der Gorleben-Entscheidung auf eines unserer wichtigsten Projekte, auf das Gorleben-Archiv. Unsere Erfahrungen und unser Wissen zu sammeln, unsere Erfolge und Misserfolge zu dokumentieren ist wichtig. Sie so zugänglich zu machen, dass sie neugierig machen, wird helfen, Schaden von der Generation abzuwenden, die den Streit um die Atomkraft nicht erlebt hat, die aber deren Ewigkeitslasten übernehmen muss. Gorleben ist noch nicht Geschichte. Und das Ende ist nach 40 Jahren offen.