Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#anfrage    28 | 09 | 2010

Evaluierung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung

Parlamentarische Anfrage an die EU-Kommission von Rebecca Harms vom 28. September 2010


Bereits 2008 berief die Kommission eine Expertengruppe zur Evaluierung der Vorratsdatenspeicherung ein. Im September 2010 soll die Kommission dem Europäischen Parlament eine Bewertung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung (2006/24/EG(1)) vorlegen.

 

1. Ist der Kommission bekannt, dass Bürgerrechts-, Datenschutz- und Menschenrechtsorganisationen ebenso wie Telefonseelsorge- und Notrufvereine, Berufsverbände etwa von Journalisten, Juristen und Ärzten, Gewerkschaften, Verbraucherzentralen und auch Wirtschaftsverbände die Vorratsdatenspeicherung ablehnen?

 

2. Liegen der Kommission Erkenntnisse vor, inwiefern sich die Kriminalitäts- oder Aufklärungsrate in Staaten ohne Vorratsdatenspeicherung statistisch signifikant von der Kriminalitäts- oder Aufklärungsrate in Staaten unterscheidet, welche die Richtlinie 2006/24/EG umgesetzt haben?

 

3. Ist die Kommission der Auffassung, dass die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung mit dem Marper-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 4.12.2008 vereinbar ist (http://cmiskp.echr.coe.int/tkp197/view.asp?action=html&documentId=843941&portal=hbkm&source=externalbydocnumber&table=F69A27FD8FB86142BF01C1166DEA398649)?

 

4. Der rumänische Verfassungsgerichtshof entschied 2009, dass eine allgemeine Vorratsdatenspeicherung verfassungswidrig ist (http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/342/1/lang,de/#Urteil). Welche Schlüsse zieht die Kommission aus diesem Urteil?

 

5. Wird die Kommission vorschlagen, die Richtlinie 2006/24/EG als freiwillige Maßnahme auszugestalten, so dass sich Mitgliedstaaten gegen eine Vorratsdatenspeicherung entscheiden („Opt-out-Recht“) und sie die Kommunikationsfreiheit ihrer Bürger wieder voll garantieren können? Wenn nein, warum nicht?

 

(1) ABl. L 105 vom 13.4.2006, S. 54.

 

 

Antwort von Frau Malmström im Namen der Kommission

 

Der Kommission ist bekannt, welchen Standpunkt die Zivilgesellschaft und die Datenschutzbehörden vertreten, die neben anderen Beteiligten im Zuge der Bewertung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung konsultiert wurden. Die entsprechenden Antworten auf den Fragebogen sind zusammen mit den übrigen Antworten veröffentlicht worden(1).

 

Gebührende Berücksichtigung fand auch der Bericht der Artikel-29-Datenschutzgruppe, der in der Sitzung vom 13. Juli 2010 angenommen wurde und in dem untersucht wird, inwieweit die Telekommunikations- und Internetunternehmen die Verpflichtungen einhalten, die ihnen aus den einzelstaatlichen Umsetzungsvorschriften zur Richtlinie 2002/58/EG über Datenschutz in der elektronischen Kommunikation(2) und zur Richtlinie über Vorratsdatenspeicherung erwachsen.

 

Die Kommission teilt die Auffassung, dass umfassend zu bewerten ist, welchen Beitrag die Richtlinie über Vorratsdatenspeicherung zur Strafverfolgung leisten kann und ob sich eine Verbindung zwischen den anhand der Richtlinie erlangten Daten und den Erfolgen bei der Strafverfolgung herstellen lässt. Am 27. Juli 2010 wandte sich die Kommission schriftlich an alle Mitgliedstaaten mit der Bitte um Angaben zur Zahl der Verurteilungen, Freisprüche, eingestellten oder ausgesetzten Verfahren, bei denen auf Vorrat gespeicherte Daten abgerufen wurden, sowie zur Zahl der Straftaten, die in den vergangenen sechs Monaten durch einen derartigen Abruf verhindert werden konnten.

 

In dem Urteil in der Rechtssache Marper(3) kam der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zu dem Schluss, dass die unbefristete Speicherung bestimmter sensibler personenbezogener Daten „einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens, der nicht als in einer demokratischen Gesellschaft notwendig angesehen werden kann“ begründe.

 

Die Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung verlangt allerdings, dass Daten nur für einen bestimmten Zeitraum (6 bis 24 Monate) gespeichert und danach vernichtet werden; auch dürfen die Daten nicht den Inhalt von Kommunikationen umfassen.

 

In Erwägungsgrund 22 der Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung heißt es, dass die Grundrechte geachtet und vor allem die mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannten Grundsätze eingehalten werden, indem insbesondere die volle Wahrung der Grundrechte der Bürger auf Achtung des Privatlebens und ihrer Kommunikation sowie auf Schutz personenbezogener Daten gemäß Artikel 7 und 8 der Charta gewährleistet wird.

 

Nach Auffassung der Kommission sollte die Richtlinie von allen Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Was die Frage einer fakultativen Anwendung der Richtlinie anbelangt, so ist sich die Kommission darüber im Klaren, dass einige Beteiligte dahin gehende Vorschläge unterbreitet haben.

 

 

(1) Siehe: http://ec.europa.eu/home-affairs/policies/police/police_data_evaluation_en.htm#part_1

 

 

(2) Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation), ABl. L 201 vom 31.7.2002.

 

 

(3) EGMR, S. und Michael Marper/Vereinigtes Königreich, Randnr. 116.

 

 


#anfrage   #vorratsdatenspeicherung   #datenschutz