Anfrage vom 21.Februar 2008:
Die Europäische Investitionsbank (EIB) gab am 17. Juli 2007 ihre Entscheidung bekannt, der Urenco-Gruppe einen Kredit von bis zu 200 Millionen Euro zu gewähren. Der Kredit soll genutzt werden, um die Urananreicherung auszubauen. Das Unternehmen war zuvor in Kritik geraten, da es seit 1996 etwa 80 000 t abgereichertes Uran nach Russland transportiert hat, wo es als Atommüll zum Teil unter freiem Himmel lagert.
Eine positive Bewertung durch die Europäische Kommission ist die Voraussetzung für die Vergabe von Krediten durch die EIB.
Diesbezüglich stellen sich folgende Fragen:
1. Welche Prüfschritte wurden von der Kommission zur Bewertung des Urenco-Vorhabens unternommen?
2. Welche Rolle spielte das Problem der Entsorgung des abgereicherten Urans bei der Bewertung?
3. Wie bewertet die Kommission die Praxis der Urantransporte nach Russland und die dortigen Lagerungsbedingungen?
4. In welcher Form wurde die Kritik russischer und anderer internationaler Umweltorganisationen bezüglich der Atomtransporte nach Russland in die Bewertung miteinbezogen?
Antwort von Herrn Piebalgs im Namen der Kommission:
1. und 2.
In Bezug auf dieses Projekt wurde die Kommission in zwei unterschiedlichen Verfahren konsultiert:
Zunächst hat Urenco gemäß Artikel 41 des Euratom Vertrags der Kommission ein Investitionsvorhaben für den Ausbau der Kapazitäten zur Urananreicherung angezeigt.
Mit Hilfe einer kommissionsinternen Arbeitsgruppe sowie in den in Artikel 43 des Euratom-Vertrags vorgesehenen Gesprächen mit dem Investor wurden alle Gesichtspunkte des Investitionsvorhabens erörtert, die mit den Zielen des Euratom-Vertrags in Zusammenhang stehen. Die Kommission teilte daraufhin dem betreffenden Mitgliedstaat ihre Stellungnahme mit.
Die Kommission stellte fest, dass Urenco sich um die Entsorgung des gesamten in dieser Anlage entstehenden radioaktiven Abfall kümmert.
Zweitens wurde die Kommission auch wegen des Darlehens der Europäischen Investitionsbank (EIB) nach dem Verfahren, das in Artikel 21 der Satzung der EIB festgelegt ist, konsultiert. Nachdem die EIB bestätigt hatte, dass die Bestimmungen der Richtlinie 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten eingehalten und die erforderlichen Prüfungen durchgeführt worden sind, hat die Kommission dieses Projekt befürwortet.
3. und 4.
Am 6. Juni 2001 verabschiedete die Duma ein Gesetz, nach dem die Einfuhr radioaktiven Abfalls und Materials nach Russland zur dortigen Lagerung oder Entsorgung verboten ist. Der Transport abgebrannter nuklearer Brennstoffe nach Russland zur dortigen Wiederaufbereitung ist jedoch erlaubt.
In Bezug auf Verbringungen radioaktiver Abfälle aus der Gemeinschaft in ein Drittland ist die Richtlinie 92/3/Euratom des Rates maßgebend. Die Ausfuhr radioaktiven Abfalls aus der Gemeinschaft in ein Drittland muss von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Einzelfall genehmigt werden.
Ab dem 25. Dezember 2008 gelten neue Bestimmungen gemäß Richtlinie 2006/117/Euratom des Rates vom 20. November 2006 über die Überwachung und Kontrolle der Verbringungen radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente. In Anwendung dieser Richtlinie wird die Kommission Kriterien vorschlagen, mit denen Mitgliedstaaten bewerten können, ob die Anforderungen für die Ausfuhr radioaktiven Abfalls erfüllt sind. Diese Kriterien werden derzeit erörtert.
Abgereichertes Uran sollte jedoch nicht als radioaktiver Abfall angesehen werden, da es in Russland wieder angereichert und als Brennstoff für Atomkraftwerke in der EU genutzt werden kann. Diese Versorgungsquelle hat nach Angaben der Euratom-Versorgungsagentur in den letzten Jahren 3-6 % der gesamten Uranlieferungen der EU abgedeckt.
Der Transport nuklearer Materialien nach Russland war bei der Bewertung kein zentraler Punkt, da sich diese vielmehr auf die Kapazitätssteigerung der bereits vorhandenen Anlage konzentrierte.