Am 10. Januar präsentierte die Grüne/EFA-Fraktion im Europaparlament ihre erste Studie zu den Rissen, die in den belgischen Reaktoren Doel 3 und Tihange 2 entdeckt wurden. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass ein erneutes Anfahren der Reaktoren unverantwortlich sei, da der Ursprung der Fehler im Material nicht geklärt war. Ende Januar forderte die belgische Atomaufsichtsbehörde (FANC) den Betreiber Electrabel auf, weitere Tests durchzuführen, bevor über das Wiederanfahren der Reaktoren entschieden werden kann. Die Materialexpertin Dr. Ilse Tweer bewertete nun in einer zweiten Studie die mögliche Aussagekraft der zusätzlichen Tests. Diese Arbeit wurde heute im Europäischen Parlament vorgestellt (1).
Rebecca Harms , Vorsitzende der Grüne/EFA Fraktion und Atomexpertin erklärt dazu:
"Auch nach einer weiteren Runde von Tests bleibt es dabei: Das Wiederanfahren der beiden Reaktoren, in denen Tausende von Rissen entdeckt wurden wäre unverantwortlich.
Die Studie deckt auf, dass bereits während der Bauzeit Materialmängel in einem der Stahlringe des Reaktordruckbehälters gefunden wurden. Dieser Ring musste aus Sicherheitsgründen ausgetauscht werden. Wenn das Ziel auch heute ist, bestmögliche Sicherheit zu garantieren, müssen ähnliche Konsequenzen gezogen werden: tausende von Defekten ungeklärten Ursprungs lassen ein Wiederanfahren der beiden Reaktoren nicht zu.
Des Weiteren kommt die Studie zu dem klaren Ergebnis, dass auch nach den neuen Tests keine Aussage darüber getroffen werden kann, wie und wann die Risse im Reaktordruckbehälter entstanden sind und ob sie sich während des Betriebs des Reaktors verändert haben oder in Zukunft verändern werden. Für die Behauptung des Betreibers Electrabel, dass es sich um Wasserstoffeinschlüsse handele, die bei der Herstellung des Stahls entstanden seien und sich seitdem nicht verändert hätten, gibt es keinerlei Beweis.
Die einzige Möglichkeit dies zu testen würde die Zerstörung des Druckbehälters erfordern. Zu der Einsicht ist auch der neue Vorsitzende der belgischen Atomaufsichtsbehörde gekommen. Nun muss er auch die Konsequenz aus dieser Einsicht ziehen und den weiteren Betrieb der Reaktoren verhindern. Wenn die Sicherheit der Druckbehälter nicht gewährleistet werden kann, dürfen die Reaktoren nicht wieder ans Netz gehen. Ein plötzliches Bersten eines Druckbehälters könnte sonst in der dicht besiedelten Region um die Reaktoren katastrophale Folgen haben.
Nicht zuletzt zeigt der Fall aber auch, wie gefährlich die Einschränkung der europäischen Stresstests allein auf äußere Einflüsse durch Naturkatastrophen ist. Die Gefahren, die wie in den belgischen Reaktoren durch Materialmängel oder -alterung drohen blieben unberücksichtigt (2). Die Fehler in den Reaktordruckbehältern konnten deshalb im Rahmen der Stresstests nicht entdeckt werden und finden auch in den Aktionsplänen keine Erwähnung."
1) Die Studie von Dr. Ilse Tweer finden Sie >hier.
2) Die Grüne/EFA-Fraktion lanciert heute eine neue Seite zur Bewertung der EU Stresstests für Atomkraftwerke. Mehr dazu finden Sie auf http://www.nuclear-stress-tests.eu