Anfrage vom 27. Oktober:
Laut einem Bericht, der am 22. August 2008 auf der Website der in Norwegen ansässigen Umweltorganisation Bellona veröffentlicht wurde (http://www.bellona.org/articles/articles_2008/thorp_extended), teilten die Beamten der British Nuclear Fuels (BNFL) Bellona mit, dass die Thermaloxid-Wiederaufbereitungsanlage (Thorp) im englischen Sellafield bis 2020 — und somit mehr als zehn Jahre länger als geplant — in Betrieb bleiben könnte.
Die Mitteilung der BNFL, dass diese Anlage weiterhin in Betrieb bleiben könnte, stellte den zweiten Rückschlag für die Umwelt und all jene dar, die im gesamten Vereinigten Königreich Gewässer zu Erholungs- oder wirtschaftlichen Zwecken nutzen, nachdem die britische Agentur für die Stilllegung kerntechnischer Anlagen (NDA) im März 2008 angekündigt hatte, dass die andere Wiederaufbereitungsanlage Sellafield, in der Magnox-Brennelemente wiederaufbereitet werden, über ihren geplanten Stilllegungszeitpunkt (2012) hinaus bis 2016 weiter in Betrieb bleiben werde.
Die Thermaloxid-Wiederaufbereitungsanlage wurde im April 2005 geschlossen, nachdem festgestellt worden war, dass rund 20 Tonnen bzw. 83 000 Liter radioaktiver Flüssigkeit, die Plutonium, Uran und Salpetersäure enthielten, in einen Betontank der Anlage geflossen waren, der neun Monate lang nicht überprüft worden war, ohne dass die britischen Sicherheitsbehörden, die Inspektion für kerntechnische Anlagen oder die Sicherheitsüberwachung der Euratom eingeschritten wären, obwohl das Leck in einem Messbecken für Plutonium aufgetreten war, das genutzt wurde, um aus Sicherheitsgründen die Ein- und Ausgangsdaten der Materialbilanz zu prüfen. Wird die Kommission in Anbetracht dessen, dass die Anlage trotz der von der irischen Regierung im März 2008 geäußerten Bedenken wieder in Betrieb genommen wurde,
1. vom Vereinigten Königreich gemäß Artikel 34 und 37 des Euratom-Vertrags verlangen, dass es die Sicherheit des Betriebs und der Emissionen der erneut in Betrieb genommenen Wiederaufbereitungsanlagen garantiert, in denen vermeidbare radioaktive Emissionen freigesetzt werden und die als besonders gefährliche Experimente zu werten sind?
2. vom Vereinigten Königreich Unterlagen und Nachweise darüber anfordern, wie es seinen aus den im portugiesischen Sintra geschlossenen OSPAR-Übereinkommen erwachsenden Verpflichtungen zur Überwachung der radioaktiven Emissionen nachzukommen gedenkt, wenn es diese atomaren Wiederaufbereitungsanlagen auch nach dem geplanten Schließungszeitpunkt weiterhin betreibt?
Antwort von Herrn Piebalgs im Namen der Europäischen Kommission:
1. Die Entscheidung über die Wiederaufarbeitung bzw. die Nichtwiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente obliegt den Mitgliedstaaten. Hinsichtlich der Anwendung von Artikel 34 Euratom-Vertrag ist die Kommission der Ansicht, dass der Betrieb der Thermaloxid-Wiederaufarbeitungsanlage (Thermaloxid-WAA) in Sellafield auf einer Technologie beruht, die nicht nur seit vielen Jahren in Sellafield, sondern auch an anderen Standorten in Europa und weltweit verwendet wird. Daher sollte sie nicht als Experiment gewertet werden. Was die Anwendung von Artikel 37 Euratom-Vertrag betrifft, so hat die Kommission am 7. Oktober 1991 von der Regierung des Vereinigten Königreichs allgemeine Angaben über den Plan für die Entsorgung radioaktiver Abfälle, die beim Betrieb der Thermaloxid-WAA anfallen, erhalten. Die Kommission hat ihre Stellungnahme vom 30. April 1992(1) auf der Grundlage dieser Angaben und nach Anhörung der Sachverständigen, auf die in Artikel 31 Euratom-Vertrag Bezug genommen wird, verabschiedet. Die Wiederaufnahme der Wiederaufarbeitung in der Thermaloxid-WAA nach einer Zeit der Stilllegung unterliegt dem Grundsatz nach keiner neuen Übermittlung allgemeiner Angaben nach Artikel 37 Euratom-Vertrag.
Was den Störfall vom April 2005 anbelangt, sei darauf hingewiesen, dass die Kommission gegen den Betreiber von Sellafield eine Verwarnung nach Artikel 83 Euratom-Vertrag ausgesprochen hat. Zu diesem Zweck wurde eine Durchführungsvereinbarung mit klaren Meilensteinen und Tabellen für die erforderlichen Verbesserungen bei den Überwachungsmaßnahmen ausgearbeitet.
2. Die radioaktiven Ableitungen am Standort Sellafield sind gegenüber den früher relativ hohen Werten zurückgegangen. Bei der Kommission sind keine Hinweise dafür eingegangen, dass die geplante Verlängerung des Betriebs der Thermaloxid- und der Magnox-Anlage zu einer erheblichen Zunahme der Ableitungen in die Meeresumwelt führen würde. Nach Artikel 35 Euratom-Vertrag kann die Kommission nachprüfen, ob die ständige Überwachung der Ableitungen ordnungsgemäß erfolgt. Die letzte Nachprüfung dieser Art fand 2004 statt und ergab, dass das Vereinigte Königreich seine Verpflichtungen nach Artikel 35 Euratom-Vertrag erfüllt.