Bei einer Pressekonferenz in Straßburg haben heute Grüne Europaabgeordnete die EU-Kommission aufgefordert, die kürzlich von der EU beschlossenen Beimischungsziele für Agrartreibstoffe aufzugeben und ein Moratorium für die Verwendung von Pflanzentreibstoffen zu erklären.
Rebecca Harms, Vizepräsidentin der Fraktion Die Grünen/EFA im Europäischen Parlament, sagte bei der Pressekonferenz.:
"Die hohen Lebensmittelpreise können nicht allein auf die gestiegene Nachfrage nach Agrartreibstoffen zurückgeführt werden, doch sie verschärft die aktuelle Ernährungskrise. Es war von Anfang an falsch auf die Verwendung von Getreide für die Treibstofferzeugung zu setzen. Die Grünen fordern ein Moratorium für die Verwendung von Treibstoffen auf Getreidebasis. Durch den Boom ineffizienter Agrofuelproduktion ist mit gleichzeitig steigender weltweiter Nachfrage nach Getreide für die Fleischerzeugung eine Konkurrenz um Land und Wasser zwischen Lebensmittel- und Energieerzeugung entstanden.
Verschärft wird die Lebensmittelkrise zudem durch unsichere Ernten als eine Folge des Klimawandels. Die EU muss jetzt gegensteuern und der Ernährungssicherung klaren Vorrang geben. Wir brauchen eine neue nachhaltige Agrarpolitik, die in erster Linie auf weltweite Ernährungssicherung setzt.
Wir unterstützen eine Biomassestrategie, die auf konsequente Reststoffnutzung und Effizienz basiert. Das 10%-Ziel für Agrarsprit, an dem die EU-Kommission noch immer festhält, muss allerdings verworfen werden."
Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, sagte:
"Der sich zuspitzende Konflikt zwischen der Erzeugung von Lebensmitteln und Treibstofferzeugung kann nur durch eine radikale Umstellung auf eine nachhaltige Landwirtschafts- und Ernährungspolitik gelöst werden. Wir brauchen ein neues Gleichgewicht zwischen pflanzlichen Nahrungsmitteln und der steigenden Fleischproduktion einerseits, aber auch zwischen der gesamten Nahrungsmittel- und der Energieproduktion andererseits.
Die Stabilisierung der Ernährungssicherung in den ärmsten Ländern der Welt kann langfristig weder durch Nahrungsmittelhilfe noch durch künstlich niedrig gehaltene Lebensmittelpreise gewährleistet werden. Die Entwicklungsländer brauchen eine Stärkung der Eigenversorgung, wie es der kürzlich veröffentliche Weltagrarbericht der Vereinten Nationen empfiehlt, und zwar durch ländliche Entwicklungsprogramme statt verstärkte Exportorientierung. Die EU sollte daher einen Fonds für die ländliche Entwicklung in den ärmeren Ländern auflegen, wie er bereits innerhalb der EU existiert. "
Claude Turmes, Vizepräsident der Fraktion Die Grünen/EFA im Europäischen Parlament und Berichterstatter für die Richtlinie für erneuerbare Energien, sagte:
Mehrere wissenschaftliche Beratergremien der EU-Kommission haben Bedenken gegen das Agrosprit-Ziel angemeldet. Die EU-Kommission schaltet jedoch auf stur und verweist auf den Rat der EU-Staats- und Regierungschefs, der im März 2007 entschieden hat, bis zum Jahre 2020 zehn Prozent der erneuerbaren Energien aus Agro-Treibstoffen zu gewinnen.
Dieses Ziel war eindeutig unter dem großen Druck der Automobilindustrie zustande gekommen, die sich dadurch vor den dringend notwendigen Effizienzmaßnahmen an den Autos selbst drücken wollte.
Wir brauchen eine Reform der europäischen Agrar-, Handels- und Energiepolitik, die die Nahrungsmittelsicherheit in den Vordergrund stellt und Nachhaltigkeitskriterien bei der Nahrungsmittelproduktion einführt. Ich werde in meinem Bericht zur Förderung der erneuerbaren Energien konkrete Vorschläge unterbreiten, wie Energie nachhaltig aus Biomasse gewonnen werden kann.
Wir fordern die Kommission auf nicht länger Etikettenschwindel zu betreiben. Die so genannten 'Biotreibstoffe' sind eigentlich 'Agro-Treibstoffe' und haben nichts mit Umweltschutz zu tun. Sie stellen ein hohes Risiko für die Nahrungsmittelproduktion und die Umwelt dar. Das sollte die Kommission auch in ihrem Sprachgebrauch klarstellen."
Positionspapier der Grünen/EFA über Ernährungssicherheit und Pflanzenkraftstoffe