Vor fünf Jahren geschah in
Fukushima das für Japaner Unvorstellbare. Nach Erdbeben und Tsunami, die
mehr als 15.000 Menschen das Leben kosteten, zwang die Reaktorkatastrophe von
Fukushima Tausende Menschen in die Flucht aus ihrer
Heimat.
Eine Technologie, die über Jahrzehnte in Japan unumstritten als sicher, friedlich und alternativlos galt, riss die Menschen in der Region in Angst, Unglück und Heimatlosigkeit.
Ein knappes Jahr nach der Katastrophe reiste ich nach Japan und besuchte auch die Gegend von Fukushima (Rebeccas Reisenotizen als Download). Die Menschen berichteten von ihren Ängsten und davon, dass sie sich von der Regierung im Stich gelassen und von der Atomindustrie betrogen fühlten. Der Glaube der Japaner an die Atomkraft zerbrach als ihnen nach der Katastrophe nicht geholfen wurde und als sie verstanden, dass die Beteuerungen, dass die japanischen Atomkraftwerke sicher seien - auch in dieser erdbebenreichen Region der Welt - eine Lüge war. Verbittert waren sie über diese Lüge und die eigene Gutgläubigkeit.
Zum 5. Jahrestag der Katastrophe hatten wir Grüne im Europaparlament den japanischen Senator Taro Yamamoto eingeladen. Leider wurde ihm die Reise kurzfristig vom japanischen Parlament untersagt. In seinem Videogruß appelliert er an uns Europäer, den Menschen von Fukushima zu helfen. Er hofft, dass unsere europäische Erfahrung mit der Atomkatastrophe von Tschernobyl den Menschen in Japan helfen kann. Er beschreibt, dass die japanische Regierung beginnt die Menschen in die kontaminierten Gebiete zurück zu schicken. Dabei ist die radioaktive Belastung noch immer sehr hoch und liegt an vielen Punkten weit über dem, was beispielsweise nach der Tschernobylkatastrophe als akzeptabel galt. Es ist die Weigerung der Regierung die Menschen zu schützen , an der Taro Yamamoto verzweifelt und die ihn dazu bringt für eine andere Gesellschaft zu kämpfen.
Tschernobyl hat uns viel gelehrt. So wissen wir nach 30 Jahren, dass die Folgen einer derartigen Katastrophe anhalten. Dieses Jahr gab die Stadt Wien zusammen mit Global2000 eine Neuauflage des "Anderen Berichts zu Tschernobyl" (The Other Report on Chernobyl - TORCH) in Auftrag. Die erste Fassung von TORCH hatte ich zum 20. Jahrestag von Tschernobyl erarbeiten lassen. Die Ergebnisse bleiben erschütternd. Tausende von Menschen werden als Folge der Katastrophe erkranken und frühzeitig sterben. Radioaktive Belastung der Nahrung ist eine große Ursache. Doch bis heute werden die Folgen des Super-GAUs von der internationalen Atombehörde und der Weltgesundheitsorganisation heruntergespielt. In Japan wiederholen sich die Verantwortungslosigkeit und Fehler. Es scheint als seien die Menschen nicht bereit, nicht offen für die Erfahrung und das Wissen von Tschernobyl.
Ich denke immer wieder an das, was
die Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch zu Tschernobyl schreibt: es gibt kein danach. Es gibt nur ein davor und ein seit, denn die
Katastrophe ist nicht vorbei und wird nicht vorbei
sein. Und das gleiche gilt für Fukushima. Es wird keinen Tag geben an
dem man sagen kann: es ist vorbei. Die atomare Katastrophe greift nach
der Zukunft.