Um es vorwegzunehmen: Auch wir Grüne bekennen uns zu der Notwendigkeit, die öffentlichen Haushalte in Ordnung zu bringen. Schuldenabbau oder durchhaltbare, generationengerechte Politik wollen auch wir für die öffentlichen Finanzen.
Wir müssen aber entgegen der öffentlichen Mehrheitsmeinung der Deutschen auch feststellen, dass allein der Abbau der Schulden die Krisenentwicklung nicht bremst, sondern verschärft. Und wir kommen angesichts der Entwicklung nicht allein in Griechenland, sondern auch in großen EU-Ländern wie Spanien und Italien zu dem Schluss, dass vernünftige und rasche Investitionen in nachhaltige Entwicklung und gegen die Arbeitslosigkeit gerade auch der Jugend gebraucht werden. Wir haben uns vorgenommen, bei den Investitionsprogrammen, die auf dem informellen Gipfel ein wichtiges Thema waren, darauf zu achten, dass es tatsächlich um ökologisch und sozial nachhaltige Projekte geht. Das Label Nachhaltigkeit, das die EU-Kommission und auch Frau Merkel und Herr Schäuble gern verwenden, hat hier in Brüssel schon zu oft mehr versprochen, als dann mit den Förderentscheidungen gehalten wurde.
Am Beispiel Griechenland lässt sich einfach zeigen, dass die Abhängigkeit von teurem Importöl gerade in der Krise danach schreit, dass endlich ein ehrgeiziges Programm zum Ausbau der Erneuerbaren Energien gestartet wird. In Griechenland zeigt sich auch, dass die Sparmaßnahmen im Öffentlichen Sektor und die damit verbundenen Entlassungen katastrophale Folgen für den sozialen Sektor haben. In beiden Bereichen muss und kann die Europäischen Union jetzt für und mit den Griechen etwas tun.
 
 Jedes Investitionsprogramm wäre  sinnlos, wenn wir nicht darüber hinaus  weitere Ziele parallel  verfolgten. Die bisher sehr einseitig ausgelegte  Fiskalpolitik muss mit  mehr Engagement zur Verbesserung der  Einnahmesituation aufgestockt  werden. Die Finanztransaktionssteuer ist  in aller Munde, aber noch  lange nicht durchgesetzt. Die Steuerflucht ist  nicht beendet. Und die  Idee, den Faktor Arbeit zu entlasten, aber  endlich den Verbrauch von  Umwelt- und Ressourcen zu besteuern, wird  durch die Erfahrungen der  Finanz- und Wirtschaftskrise noch wichtiger  denn je.
Vergessen werden darf auch nicht, dass die Mängel des Euro auch seine Konstruktionsmängel sind. Um diese Mängel in der Krise abzufangen, haben wir Krisenfonds beschlossen. Wir Grünen sind aber auch weiter unbedingt dafür, dass dem Rat der deutschen Wirtschaftsweisen gefolgt wird und wir, eingebettet in die Schuldenabbaustrategie, auch einen Schuldentilgungsfond schaffen. Anlässlich des informellen Gipfeltreffens haben wir ein Übersichtspapier zu den wichtigsten Schritten zur Bekämpfung der Krise beschlossen, die von unserer Fraktion im EP gefordert werden.
 Unsere Währung zu stabilisieren ist nicht  allein ein politisches Projekt  europa- und wirtschaftsversessener  Eliten. Wir halten es für ein  populistisches Märchen, dass die Rückkehr  zu den alten Währungen die  Europäischen Länder krisenfest macht. Da  nutzen auch Anti-Europäer die  Gunst der Stunde und die Verunsicherung  der Bürger. Sie scheuen vor  keiner Allianz zurück.
Es zeigt sich aber am Stimmungswandel in Deutschland, dass es auch uns Grünen in der Krise bis jetzt nicht geglückt ist, die Politik, die wir für die EU und den Euro für richtig halten, für Mehrheiten wahrnehmbar und zustimmungsfähig darzustellen. Wir dringen nicht durch.
Der neue Erfolg schon allein der Ankündigung des Europabuches von Sarrazin zeigt: Die Auseinandersetzung mit Thilo Sarrazin und anderen muss gesucht und prominent organisiert werden. Nicht der Fiskalpakt, sondern die Frage, in welchem Europa und in welchem Deutschland in Europa wir leben wollen, ist die Frage, die in den Mittelpunkt der deutschen Debatte gehört.Seit zwei Wochen vertreten etliche grüne Europaabgeordnete mit deutschengrünen KollegInnen aus Bund und Ländern, dass die Partei einen Sonderparteitag braucht um der Lage in der EU und daheim in Deutschland gerecht zu werden. Ich hoffe, dass wir Grünen einen starken und mutigen Beitrag für einen erneuten Stimmungswechsel in Sachen Europa schaffen. Manches, was man leichtfertig für stabil und immerwährend genommen hat, ist in kurzer Zeit eingerissen. Selbst wenn es so groß ist wie die EU, selbst wenn es als Selbstverständlichkeit genommen wurde, selbst wenn Generationen daran gearbeitet haben.