Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#emissionshandel    11 | 09 | 2013

Was ist backloading?

Was ist beim Emissionshandel schiefgegangen?

Durch die Wirtschaftskrise sind die Emissionen stärker zurückgegangen als ursprünglich erwartet. Damit hat auch die Nachfrage nach Emissionszertifikaten stark nachgelassen. Aktuell sind etwa 1,5 Milliarden überflüssige Zertifikate auf dem Markt. Diese Zahl wird bis 2020 voraussichtlich auf zwei Milliarden ansteigen (1).

Dadurch ist auch der CO2-Preis seit langem deutlich zu niedrig, um einen Anreiz zur Minderung der Emissionen zu schaffen. Statt der in der Folgenabschätzung der Kommission anvisierten 20-30 Euro beträgt der Preis aktuell zwischen vier und fünf Euro pro Tonne CO2. Das führt nicht nur zu mangelnden Anreizen zur Weiterentwicklung CO2-armer Technologien. Der Preisverfall hat auch dazu geführt, dass in einigen EU-Mitgliedsstaaten, u.a. auch in Deutschland wieder mehr Strom aus Kohle produziert wird. Eines der wichtigsten Klimaschutzinstrumente der EU steht vor dem Zusammenbruch.

Was ist backloading?

Die Europäische Kommission schlägt vor, die Versteigerung von 900 Millionen CO2-Zertifikaten zu verschieben. Als Folge dieser kurzfristigen Verknappung würde der CO2-Preis ansteigen. Die Kommission schlägt aber ebenfalls vor, diese Verschmutzungsrechte in den Jahren 2019 und 2020 wieder auf den Markt zu bringen - mit der möglichen Folge eines erneut fallenden CO2-Preises.

Wird "backloading" das Problem lösen?

Die Grünen haben immer darauf hingewiesen, dass das Backloading nicht ausreicht. Erstens sind 900 Millionen Zertifikate nicht genug, um einen wirksamen Preisanstieg zu erzielen und zweitens wird das Ausgeben der Zertifikate am Ende der Handelsperiode schädlich sein, da auch dann noch zu viele Zertifikate auf dem Markt sein werden. Dennoch unterstützen wir diesen ersten Schritt als Notmaßnahme zur vorübergehenden Stabilisierung des Marktes.

Weitere strukturelle Maßnahmen sind notwendig, um den Emissionshandel langfristig zu stabilisieren. Die einfachste Lösung wäre ein ehrgeizigeres Klimaziel. Andere strukturelle Maßnahmen wären ebenfalls denkbar und wurden von der Kommission in ihrem Carbon Market Bericht angesprochen: z.B. die endgültige Streichung von Zertifikaten aus dem Markt, eine stärkere jährliche Absenkung der CO2-Emissionen, Aufnahme anderer Sektoren in den Emissionshandel oder eine Preisuntergrenze für CO2-Zertifikate.

Europaparlament verabschiedete das backloading bereits

Das Europäische Parlament hat im Juli den Vorschlag, die Versteigerung von 900 Millionen Zertifikaten zu verschieben, angenommen. Die Grünen/EFA stimmten dem Backloading zu, die Schlussabstimmung über den Bericht wurde verschoben, um Verhandlungen zwischen Parlament und Rat für eine Einigung in erster Lesung zu ermöglichen.

Welche Rolle spielt Deutschland in der Debatte?

Bisher schwieg Berlin beharrlich zu dem Thema. Die schwarz-gelbe Koalition hat sich darauf nie verständigen können - Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) war dafür, Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) dagegen. Und die einst selbsternannte "Klimakanzlerin" Angela Merkel hielt sich zurück.

Deshalb hatte Deutschland auch im Rat noch immer keine offizielle Position zum Backloading bezogen und überließ bremsenden Staaten das Feld (Polen, Griechenland, Zypern). Dabei gibt es mittlerweile eine ganze Reihe Staaten, die den Vorschlag unterstützen (UK, Spanien, Italien, Niederlande, Österreich, Finnland, Slowenien, Rumänien, Belgien, Slowakei).

Nachdem sich CDU/CSU und SPD im Rahmen der Koalitionsverhandlungen darauf geeinigt haben dem Wunsch der EU-Kommission nach einer Verschärfung des Handels mit Kohlendioxydemissionszertifikaten nachzugeben, ist nun der Weg für zaghafte Reformen frei.

Wer sind die Gegner des Backloadings?

Im Europaparlament sind die konservativen Fraktionen (EPP und ECR) und die deutschen Liberalen die lautstärksten Gegner der Maßnahme. Dabei argumentieren sie im Sinne der energieintensiven Industrie, die das Backloading ablehnt.

Viele dieser Unternehmen haben aber bislang massiv vom Emissionshandel profitiert, ohne Anstrengungen zur Emissionsminderung vornehmen zu müssen (2).

Auf der anderen Seite haben sich bereits auch zahlreiche Unternehmen und Unternehmensverbände für das Backloading und weitere stabilisierende Maßnahmen für den Emissionshandel ausgesprochen (Unilever, Shell, E.On, VKU, BDEW).

(1) Siehe Bericht des britischen think tanks Sandbag http://www.sandbag.org.uk/blog/2012/jun/19/more-years-worth-2-bn-tonnes-emissions-allowances-/

(2) Sandbags interaktive „Carbon Fat Cats-Karte“ kann hier heruntergeladen werden: http://www.sandbag.org.uk/maps/companymap/

 

Weitere Informationen zum Emissionshandel sind in der > Broschüre der Grüne/EFA-Fraktion zu finden, ebenso wie in dem > Video der Fraktion "Die arktische Eisschmelze ist ein Weckruf - und keine Geschäftsgrundlage!".


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