Wir hören viel in diesen Tagen, dass wir es mit den schlimmen Folgen einer Krise des Finanzsystems in den USA zu tun hätten, die zu uns herüberschwappte. Ich glaube das ist eine völlig falsche Einschätzung. Der Auslöser mag von dort gekommen sein, aber diese Krise ist nicht fremdverursacht, sie ist von uns mit gemacht und zu verantworten. Die Deregulierungspolitik der letzten Jahre, für die EU-Ebene festgehalten in Teilen der so genannten "Lissabonstrategie für Wachstum und Beschäftigung", hat uns direkt in diese Krise geführt. Die Europäische Kommission hat keine Maßnahmen ergriffen, um die Transparenz und Regulierung der europäischen Banken und Finanzinstitutionen zu verbessern, auch noch als bereits 2007 die Mehrheit im europäischen Parlament zu entsprechendem Handeln aufrief. Und eine kritische Reflexion ihrer Haltung fehlt bis heute.
Diese Krise ist nicht nur eine Finanzkrise
Diese Krise ist eine dreifache Krise, eine wirtschaftliche Krise angestoßen durch den Zusammenbruch des verselbständigten Finanzsystems, eine soziale Krise durch die Spaltung der Gesellschaften durch ungerechte Reichtumsverteilung und eine ökologische Krise, die aus der systematisch angelegten Ignoranz gegenüber den ökologischen Folgen unserer Produktions- und Lebensweise entstanden ist.
Wir brauchen einen Green New Deal
Es wäre verheerend, würden wir in dieser Krise unser Heil einfach darin suchen, die Banken wieder flott zu machen und unseren großen Industrien wieder auf die Beine zu helfen. Die Aufgabe, die vor uns liegt, ist weit komplexer. Die Hunderte von Milliarden, die jetzt von den Mitgliedstaaten und der EU zur Überwindung der Wirtschaftskrise ausgegeben werden - und die vielen Milliarden, die vermutlich noch folgen werden - müssen so ausgegeben und investiert werden, dass der Umbau zu einem ökologisch und sozial nachhaltigen Wirtschaftssystem befördert wird. Der Green New Deal ist Konjunktur- und Umbauprogramm in einem, er ist ein öffentliches Investitionsprogramm, das Arbeitsplatzschaffung mit Bekämpfung der Ressourcen- und Klimakrise verknüpft.
Wir müssen gemeinsam und entschlossen handeln
Die EU ist durch den Binnenmarkt wirtschaftlich so eng verbunden, dass nur eine europäische Politik die allgemeine Krise angemessen zu bekämpfen vermag. Mit der europäischen Investitionsbank (EIB) haben wir eine Organisation, über die ein riesiges und solidarisches europaweites Grünes Investitionsprogramm abgewickelt werden kann, und das, ohne die nationalen Haushalte einzelner Länder zu gefährden. Investitionen in die Energie-Infrastruktur können über die nächsten Jahrzehnte durch Durchleitungsgebühren abbezahlt werden, langfristige Darlehen für Isolationsmaßnahmen im öffentlichen und privaten Gebäudebestand sowie für Ressourceneinsparung in anderen Bereichen werden durch einen Teil der eingesparten Kosten zurückbezahlt, mit hohen und verlässlichen Einspeisevergütungen für Strom aus erneuerbarer Energien können Darlehen für solche Anlagen zurückbezahlt werden.
Nur wenn wir die Wurzeln dieser Krise erkennen und entschlossen bekämpfen, werden wir gestärkt aus ihr hervorgehen können. Im Denken und Handeln brauchen wir einen Paradigmenwechsel, keine marginalen Korrekturen. Und genau das ist es, was ich bei dem Recovery Plan der Kommission und ihrem Verordnungsentwurf, aber auch bei dem Entwurf der Berichterstatter zur Lissabon-Strategie vermisse. Was fehlt, ist der Mut zur Einsicht, dass wir heute Strategien für wirtschaftliche Entwicklung von der Lebensqualität heutiger und zukünftiger Generationen her entwickeln müssen, nicht mehr von den Wachstumszwängen der Industrie her. Die Herausforderung ist gewaltig, und ich hoffe, dass wir uns ihr gewachsen zeigen.
Video von Rebeccas Rede am 16.2.2009
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