Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#ukraine    23 | 04 | 2014

Ukraine: Die wichtigsten Fragen und Antworten

Was hat die Vereinbarung von Genf zur Deeskalation in der Ostukraine gebracht?

Die Verhandlungen in Genf waren ein Fortschritt. Es ist gut, dass der Außenminister Russlands mit dem Außenminister der Ukraine direkt geredet hat und beide Seiten die finale Vereinbarung unterschrieben haben. Jeder Versuch der Diplomatie muss unterstützt werden, weil ein militärisches Eingreifen auf keinen Fall in Frage kommt!

Allerdings zeigte sich über die Ostertage, dass die Umsetzung der Genfer Erklärung nicht wirklich vorankommt. Alle bewaffneten Gruppen - ob Separatisten oder Ukrainischer rechter Sektor - müssen ihre Waffen sofort abgeben! Die OSZE muss in voller Stärke, d.h. mit mindestens 500 Beobachtern vor Ort sein. Sie darf sich nicht auf neutrale Beobachtung beschränken. Sie muss Prozesse einleiten, Vertrauen schaffen.

Es fehlt auch eine politische Offensive zur Verständigung zwischen Politikern, Aktivisten und Bürgern, zwischen West und Ost, Kiew, Donetsk und Lugansk.

Das kann nur gelingen, wenn nicht weiterhin Paramilitärs die Städte des Ostens der Ukraine kontrollieren. Bisherige Anti-Terror-Maßnahmen durch die Ukrainische Armee sind nicht der richtige Weg. Klar muss eine Kiewer Regierung Präsenz zeigen. Aber man kann mit Armeeeinsätzen nicht politisch überzeugen und im Osten Vertrauen gewinnen. Auch die NATO sollte sich in Osteuropa nicht immer mehr aufbauen, wenn doch EU und USA einig sind, dass eine militärische Lösung überhaupt nicht in Frage kommt. Zudem spielt die NATO damit Putins Propaganda in die Hände.

Auch Wladimir Putin muss seinen Beitrag leisten: Er muss unmissverständlich erklären, dass es in Moskau keine Unterstützung für die schwerbewaffneten Besetzer in den Ukrainischen Städten gibt. Und die russische Armee muss von der Westgrenze Russlands abgezogen werden. Solange das nicht passiert, wird man Wladimir Putin nicht glauben, dass er hinter der Genfer Erklärung steht.

Warum und wie muss die EU die Ukraine unterstützen?

Die Europäische Union muss die Ukraine auf ihrem Weg in die Demokratie und zu einem Rechtsstaat konsequent unterstützen. Wir geben unsere europäischen Werte auf, wenn wir die Demokraten in der Ukraine nicht unterstützen. Eine destabilisierte Ukraine würde auch den Rest des Kontinentes gefährden.

Von Seiten der EU muss alles - nicht militärische! - getan werden, um den Bürgern der Ukraine zu ermöglichen, selber zu entscheiden, in was für einem Staat sie leben und von welchen Politikern sie regiert werden wollen.

Die anstehenden Wahlen müssen zu einem Erfolg für die Demokratie werden. Wir brauchen Wahlbeobachter im ganzen Land. Mediation und Versöhnungsprozesse müssen organisiert werden. Die EU muss die Regierung in Kiew systematisch unterstützen. Die Abwendung des Staatsbankrotts, das Assoziierungsabkommen, das sind wichtige Schritte.

Finanzhilfe allein reicht nicht. Die Regierung in Kiew und viele Behörden müssen intensiv beraten werden bei vielen wichtigen Reformen: Die Reform der Justiz, die Korruptionsbekämpfung, die Garantie von Minderheitenrechten, ein Sprachengesetz, das die Zweisprachigkeit verwirklicht. Das alles darf nicht vernachlässigt werden. Aber seit der Besetzung der Krim, nur wenige Tage nach Amtsantritt der Regierung Jazenjuk, wird das alles vom Konflikt mit Russland überlagert.

Wichtig ist auch die Aufklärung aller Ereignisse des letzten Winters, gerade auch der tödlichen Scharfschützenangriffe auf den Majdan, in Kiew. Von den Ärzten im Sankt Michaels-Dom, in dem ein Hospital eingerichtet worden war, erfuhr ich, wie gezielt viele der Opfer erschossen worden waren. Einer der Chirurgen erklärte mir, dass die Scharfschützen in der Art zu töten ihre eigene Signatur zurückließen: einer habe die Menschen immer durch einen Schuss ins linke Auge, ein anderer durch Schuss ins Herz ermordet. Er wollte mir damit erklären, dass nach Meinung der Ärzte die Schützen sicher als Scharfschützen ausgebildet waren. In europäischen Staaten gibt es Erfahrung aus ähnlichen Situationen, die jetzt in Kiew nützen kann.

Soll die EU weitere Sanktionen verhängen?

Nach der Besetzung der Krim haben die Staats- und Regierungschefs der EU bei ihrem Gipfel im März einen Stufen-Katalog von möglichen Sanktionen beschlossen, die alle nicht militärisch sind. Reisebeschränkungen und das Einfrieren von Konten sind als gezielte Maßnahmen bereits verhängt worden und richten sich gegen Personen, die mitverantwortlich sind für Korruption in der Ukraine oder die für Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Bruch des Völkerrechts Verantwortung tragen. Auf den bisherigen Listen stehen sowohl russische als auch ukrainische Bürger. Solche gezielten Sanktionen sind neben dem Ausschluss Russlands aus der Runde der bisherigen G8 der einzige Weg für ein nicht-militärisches Vorgehen in dem Konflikt.

Überfällig ist der Stopp aller Waffenlieferungen aus der EU an Russland. Auch die Ukraine sollte keine Waffen bekommen.

Die EU will nicht zur militärischen Eskalation beitragen. Deshalb brauchen wir die Bereitschaft zu Wirtschaftssanktionen. Die gibt es natürlich nicht zum Nulltarif. Aber kostenlos ist Außen- und Krisenpolitik nie. Es ist absurd gerade jetzt Gasinfrastruktur, sogar den größten Gasspeicher in Deutschland an Gazprom zu verkaufen oder die Erdgaspipeline SouthStream weiter zu verfolgen, als wenn nichts geschehen wäre. Bis zum vergangenen Sommer hat niemand ernsthaft wirtschaftliche und politische Beziehungen mit Russland in Frage gestellt. Kritik gab es allerdings schon lange an einer zu toleranten Haltung der EU-Staaten gegenüber Menschenrechtsverletzungen durch die russische Regierung. Niemand will eine Rückkehr der Stimmung des Kalten Krieges. Aber die Ukraine braucht die Europäische Unterstützung gegen die weitere Destabilisierung und für einen demokratischen Neuanfang. Am Beispiel der Krisen in und um die Ukraine zeigt sich einmal mehr, dass Energiepolitik Sicherheits- oder gar Friedenspolitik sein kann. Wir müssen weg von Öl und Gas und hin zu Erneuerbaren, um eine kohärentere Außenpolitik machen zu können. Russland ist mindestens genauso stark von uns abhängig wie umgekehrt. Etwa 70 Prozent der russischen Energieexporte gehen in die EU. Sie finanzieren etwa die Hälfte des russischen Staatshaushaltes. Die Handlungsfähigkeit der russischen Regierung, auch die militärische, hängt also stark davon ab, ob wir Russland Gas und Öl abkaufen. Sollte Russland weiter eskalieriernd handeln, wäre ein Importstopp ein sehr starkes Mittel, um die Kosten der russischen Militärstrategie enorm in die Höhe zu treiben.

In der Übergangsregierung in Kiew sitzen drei Vertreter der rechten Swoboda-Partei. Warum distanzieren sich die Grünen nicht eindeutig von diesen Rechten?

Ich habe seit 2004 alle Wahlen in der Ukraine beobachtet. Bei der letzten Parlamentswahl war ich als Mitglied der Wahlbeobachtergruppe des Europa-Parlamentes in Lemberg und Umgebung. Ich war also in vielen Wahllokalen, in denen Swoboda damals viele Stimmen bekommen hat. Ich war erschrocken und entsetzt. Schon zwei Tage nach der Wahl haben wir mit der Böll-Stiftung in Kiew die erste kritische Debatte über diesen Erfolg einer rechts-nationalistischen Partei gemacht. Es war eine harte Diskussion, weil wir feststellen mussten, dass aus Protest Swoboda gewählt worden war und sogar von Leuten, die wir bis dahin im demokratischen Spektrum verortet hatten. Seitdem haben wir uns immer wieder mit diesem Thema kritisch auseinander gesetzt. Mit Hilfe der Böll-Stiftung aber auch über andere Kontakte bemühe ich mich seit langem, die demokratischen Gruppen der ukrainischen Zivilgesellschaft, gerade auch die außerparlamentarischen Initiativen zu stärken.

Auch wenn man nie weiß, ob man Meinungsumfragen vertrauen kann: Bei den letzten Wahlen hatte Swoboda 10 Prozent, heute liegen sie bei fünf Prozent in den Umfragen. Und der rechte Sektor, der nach dem Euromajdan auch eine Partei gegründet hat, kommt gerade mal auf ein Prozent.

Ich habe in der Ukraine noch nie, auch nicht auf dem Majdan, Nationalisten in ihren Anliegen unterstützt. Auf dem Majdan waren auch die Anhänger von Swoboda. Sie waren nie die Mehrheit. Und es gab viele Ukrainer, Aktivisten in der Euromajdanbewegung, die ihre Ablehnung der rechten Ideen immer wieder deutlich machen. In den Wochen, in denen der Druck und die Gewalt gegen die Menschen auf dem Majdan immer brutaler wurden und die Barrikaden rund um den Platz gewachsen sind, wurde eine Selbstverteidigung gegen die Schlägertruppen und Berkut aufgebaut. An dieser Selbstverteidigung waren auch die Rechten beteiligt. Aber nicht nur. Diese Selbstverteidigung wurde erst deshalb wichtig, weil die Gewaltfreiheit des Euromajdan an der Eskalation der Gewalt durch die Regierung Janukowitsch scheiterte.

Ich unterstütze die demokratische Bürgerbewegung des Euromajdan auch deshalb, weil ich nicht will, dass nationalistische Ideen die ukrainische Politik bestimmen. Das traurigste an der Entwicklung seit der Annektierung der Krim ist, dass es tatsächlich den Versuch gibt, 100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg zwei Nationen, Russen und Ukrainer, neu gegeneinander aufzuhetzen. Mich leitet weiter die Idee, die mir auf einem Transparent in Kiew begegnete: „Wir lieben die Ukraine, wir lieben Russland. Aber wir haben die Schnauze voll von Janukowitsch. Und wir wollen nicht von Putin regiert werden.“

Aber wie kannst du eine Regierung unterstützen, die illegal ins Amt gekommen ist und an der Leute von den Rechten beteiligt sind?

Die Regierung von Ministerpräsident Jazenjuk ist nicht illegal ins Amt gekommen. Ich war in Kiew, als das Parlament am Ende der Woche der tödlichen Schüsse die Grundlagen für den Neuanfang geschaffen hat. Was ich dort beobachten konnte, war bestimmt kein faschistischer Putsch, wie ich es immer wieder höre oder lese. Ich kam in Kiew an, als noch die europäischen Außenminister Steinmeier, Sikorski und Fabius mit Präsident Janukowitsch und der Opposition den Kompromiss aushandelten. Mit den Verhandlungen hatten die Minister Frieden nach Kiew gebracht. Und so konnte auf dem Majdan die große Trauerfeier für die vielen Toten dieser furchtbaren Woche stattfinden.

Nach dem Ende der Trauerfeier wurde auf der Bühne des Majdan der Kompromiss zwischen Opposition und Janukowitsch vorgestellt. Ich war in diesem Winter sehr oft in Kiew gewesen. Ich hatte erlebt, wie Redner ausgebuht worden sind. Aber einen so entsetzten und empörten Protest wie gegen diesen Kompromiss hatte ich noch nicht gehört. Keiner hatte eine Chance - nicht Klitschko, nicht die Sprecher des Majdanrates - den Menschen klar zu machen, warum Janukowitsch noch bis zum Ende des Jahres Präsident bleiben sollte. Als ich nachts durch ein völlig ruhiges Kiew ins Hotel lief war unklar, was der nächste Tag bringen würde.

Im Morgengrauen erfuhr ich, dass Präsident Janukowitsch seine Residenz außerhalb Kiews verlassen hatte. Außerdem wurde gemeldet, dass die Truppen des Innenministeriums in ihre Kasernen zurückgekehrt seien und nicht mehr gegen Bürger vorgehen wollten. Am frühen morgen luden mich Abgeordnete in die Verkhovna Rada ein, um als Gast einer außerordentlichen Plenarsitzung beizuwohnen. Rund um die Rada gab es Posten der Selbstverteidigung des Majdan. Schwer bewaffnet waren die Posten nicht. Eine Erstürmung oder Besetzung der Rada hatte nicht stattgefunden, sooft das auch behauptet wird. Rund um die Rada war aber eine große Menschenmenge zusammen gekommen, die auf die Entscheidungen der Abgeordneten wartete.

Präsident Janukowitsch hatte nachts Kiew verlassen und sich zuvor nach Aussagen aus seinem ehemaligen Kabinett geweigert, die Dokumente zu unterschreiben, mit denen der Kompromiss umgesetzt werden musste. Am frühen Morgen trat dann auch der Parlamentssprecher zurück und verließ Kiew. Der Sprecher vertritt qua Amt den Präsidenten der Ukraine, wenn der seine Amtsgeschäfte nicht führen kann. Die Rada war also an diesem Morgen die einzige verbleibende demokratisch legitimierte Institution. Und anders als ich es erwartete, erlebte ich an diesem Morgen eine Sternstunde des ukrainischen Parlamentes. Mit großer Mehrheit und erkennbarer Geschlossenheit wurde Parlamentspräsident Turchninow gewählt, der damit geschäftsführender Präsident der Ukraine wurde. Die Neuwahlen für das Präsidentenamt wurden für den 25. Mai beschlossen. Man einigte sich auf sofortige Freilassung Timoschenkos und darauf, eine geschäftsführende Regierung einzusetzen. Alle Entscheidungen wurden mit der Mehrheit des Parlaments und mit vielen Abgeordneten der Fraktion von Viktor Janukowitsch getroffen.

Ministerpräsident Jazenjuk hat nach seiner Wahl alle Fraktionen und den Rat des Euromajdan aufgefordert, sich an der Übergangsregierung zu beteiligen. Angenommen haben aber nur Swoboda und einige der Mitglieder des Euromajdanrates. Klitschkos Partei, die Partei der Regionen und auch einige prominente NGO-Leute haben abgelehnt. Ein Grund dafür ist sicher gewesen, dass sie ihre Kandidaten für die Präsidentschaftswahl nicht mit einer schwierigen Regierungsarbeit belasten wollten. Dass jetzt Mitglieder von Swoboda und andere Rechte in der Regierung sind, finde ich nicht gut. Und wenn Mitglieder der Rechten gesetzeswidrig handeln, dann muss das sanktioniert werden.

Das wichtigste sind auch deshalb die Präsidentschaftswahlen am 25. Mai und spätere Neuwahlen zum Parlament. Ich hoffe, dass die Wahl am 25. Mai frei und demokratisch durchgeführt werden kann. Leider sieht das wegen der andauernden Unruhen im Osten des Landes gerade nicht so aus.

In einem Referendum haben sich die Bewohner der Krim mit großer Mehrheit für den Anschluss an Russland entschieden. Warum ist dieses Referendum dann illegal?

Russland hat mit dem Vorgehen auf der Krim systematisch Völkerrecht gebrochen. Der Bruch des Völkerrechtes darf niemals einfach hingenommen werden - egal ob nun Russland, die USA oder andere Staaten internationales Recht brechen.

Die Krim ist seit 1954 Teil der Ukraine, hatte aber einen weitreichenden Autonomiestatus. Die wichtigste Frage bei meinen Besuchen dort lange vor der aktuellen Krise betraf immer die Verträge zwischen der Ukraine und Russland zur Stationierung der russischen Schwarzmeerflotte. Die Flotte hat für die Menschen vor allem wirtschaftliche Bedeutung, ist der größte Arbeitgeber. Aber in den Meinungsumfragen gab es bis zur Besetzung nie eine Mehrheit für die Rückkehr nach Russland. Der neue Regierungschef bekam bei der letzten Wahl auf der Krim gerade einmal drei Prozent der Stimmen.

Das Referendum, das jetzt eine Mehrheit für einen Anschluss an Russland ergeben hat, fand statt, nachdem russische Soldaten die gesamte Insel besetzt hatten. Die Abstimmung genügte keinen internationalen Anforderungen. OSZE-Beobachter hatten und haben keinen Zugang zur Krim. Der UN-Vertreter, der es kurz auf die Krim geschafft hatte, wurde unter Androhung von Gewalt verjagt. Stattdessen hatte die russische Regierung rechte, rechtsextreme, anti-europäische und ausdrücklich pro-russische Beobachter eingeladen. Es ist ein schlechtes Zeichen, dass gegen den Sprecher der Tartaren auf der Krim ein Aufenthaltsverbot bis 2019 erteilt worden ist.

Dass die Übernahme der Krim durch Russland im Vergleich zu ähnlichen Konflikt-Situationen so wenig Opfer gefordert hat, ist der Besonnenheit insbesondere der ukrainischen Soldaten zu verdanken. Um den Irrsinn der Lage wirklich zu verstehen, muss man daran denken, dass viele der Offiziere der beiden plötzlich verfeindeten Armeen noch zusammen ausgebildet worden sind. Es gibt enge Freundschaften auch zwischen Soldaten und ihren Familien. Was davon bleiben wird, kann zurzeit niemand sagen.

Aber es ist doch auch verständlich, dass sich Putin durch die neue Westorientierung der Ukraine bedroht fühlt!

Russische Propagandisten werden nicht müde von einem faschistischen Umsturz in Kiew zu berichten, der bezahlt und gefördert wurde durch Washington und die EU. Damit wird das russische Vorgehen auf der Krim gerechtfertigt genauso wie der größte Truppenaufmarsch an den russischen Grenzen seit dem Ende der Sowjetunion. Die Erzählung ist einfach: Russland musste den Menschen zur Hilfe eilen gegen Faschisten.

Für diese irrealen Argumente habe ich nichts übrig. Der Euromajdan ist eine Bewegung für Bürgerrechte und Rechtsstaatlichkeit. Die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen, die sich engagiert haben, wenden sich gegen Korruption und gegen das Oligarchensystem. Viktor Janukowitsch war dafür zum Symbol geworden. Das Assoziierungsabkommen mit der EU stand in der Ukraine für die Aussicht auf einen Staat, in dem das Recht und die globalen Werte gelten und jeder die Chance auf ein gelingendes Leben hat.

Wenn die Bürgerbewegung der Ukraine es schafft, das Land tatsächlich zu einem demokratischen Rechtsstaat zu entwickeln, dann könnte das die Fundamente auch des russischen Oligarchensystems erschüttern. Auch deshalb geht der russische Präsident gegen die Assoziierung der Ukraine mit der EU an. Nach allem, was ich seit 1992 über die Ukraine und in der Ukraine erfahren habe, lässt sich die Bürgerbewegung dort auch nicht mehr anhalten.

Die Kritik aus Moskau an der Ausdehnung der NATO im Osten habe ich selber lange geteilt. Aber das Vorgehen auf der Krim gibt jetzt gerade denen in Polen und anderswo Recht, die die NATO-Mitgliedschaft zu ihrem Schutz wollten. Die Besetzung und Annektierung der Krim ist ein eindeutiger Bruch des Budapester Abkommens, mit dem sich Russland gemeinsam mit den USA und dem Vereinten Königreich verpflichtet hatte, die Ukraine nach der atomarer Abrüstung zu schützen. Die Folgen für die atomare Abrüstung sind nicht absehbar. Und auch dies ist Teil einer Eskalation, auf die die EU reagieren muss. Und diese Antworten sollen nicht militärisch sein. Sie sollen die des 21. Jahrhunderts und der Softpower Europäische Union sein.

Soll die Ukraine Mitglied in der NATO oder der EU werden?

Ein Beitritt der Ukraine zur NATO ist ausgeschlossen. In der Ukraine gab es starke Unterstützung für das Assoziierungsabkommen mit der EU, nicht jedoch für die NATO. Die EU-Perspektive gibt es. Aber das wird Zeit und viele Veränderungen in der Ukraine brauchen.


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