Anfrage vom 11.Juli 2008:
In den Atomanlagen von Tricastin, Frankreich, hat es einen Störfall gegeben, bei dem Wasser mit einem Urananteil von ca. 12g/l ausgetreten ist. Zunächst war von 30 m3 die Rede. Später wurde die Menge vom Betreiber Socatri auf 6,25 m3, also etwa 75 kg Uran, korrigiert. Socatri ist zu 100 % ein Tochterunternehmen der Eurodif, die in Tricastin eine große Urananreicherungsanlage betreibt.
Bekannt wurde dieser Störfall am Nachmittag des 8. Juli 2008. Laut Atomaufsichtsbehörde ASN ist das Wasser bereits in der Nacht vom 7. auf den 8. Juli ausgetreten. In der Folge dieses Zwischenfalls wurde die Wasserentnahme aus den Flüssen, die Bewässerung von Feldern mit Wasser aus den Flüssen sowie das Baden und Fischen in den Flüssen in der Umgebung untersagt. Außerdem wurde in 3 Gemeinden die zentrale Trinkwasserversorgung eingestellt. Der Unfall wurde auf der INES-Skala bei 1 eingestuft.
Ich frage dazu die Kommission:
1. Hat es eine Benachrichtigung der Kommission durch die französischen Betreiber oder die Aufsicht gegeben?
2. Ist die Kommission darüber unterrichtet, seit wann die Kontamination der Flüsse den Beteiligten und den Behörden bekannt war?
3. Wie viel Zeit ist zwischen der Entdeckung der Kontamination, der Information der Öffentlichkeit und der Verhängung der Schutzmaßnahmen und Verbote vergangen?
4. Aus welchen Anlagen stammen diese stark uranhaltigen flüssigen Abfälle?
5. Bei welcher Tätigkeit sind diese Abfälle entstanden?
6. Wie konnte in Frankreich eine Klassifizierung des Störfalls geschehen, ohne dass die Ursache oder die Quelle bekannt war?
7. Socatri verzeichnete bereits 2007 eine Überschreitung der zulässigen Jahresemission von radioaktivem Kohlenstoff. Gedenkt die Kommission die Verpflichtungen Frankreichs nach Artikel 35 des Euratom-Vertrages am Standort des genannten Unternehmens zu prüfen?
Antwort von Herrn Piebalgs im Namen der Kommission:
1. Die Kommission wurde zum Zeitpunkt des Störfalls nicht informiert. Seit dem 9. Juli 2008 steht die Kommission in engem Kontakt mit den französischen Behörden, um die weiteren Entwicklungen zu verfolgen.
2. Nach den der Kommission übermittelten Informationen ist am 7. Juli 2008 nachts ein Lagertank mit Abwässern in der Uranbehandlungsanlage von Socatri (ein Tochterunternehmen von Eurodif SA) undicht geworden und in das Rückhaltebecken ausgelaufen. Wie mitgeteilt wurde, wurde das Becken zu dem Zeitpunkt instand gesetzt und war nicht mehr abgedichtet, so dass es zu einer Einleitung uranhaltiger Abwässer in die Umwelt kam.
Der Betreiber übermittelte der zuständigen französischen Regulierungsbehörde (Autorité de Sureté Nucléaire, ASN) nach der radioaktiven Freisetzung in einen oder mehrere benachbarte Flüsse in den frühen Morgenstunden des 8. Juli 2008 umfassende Informationen.
3. Die ASN alarmierte umgehend die Präfekturen Drôme und Vaucluse, um die Öffentlichkeit zu informieren und die notwendigen Schutzmaßnahmen einzuleiten.
Die ASN und das IRSN (Institut de Radioprotection et de Sûreté Nucléaire) haben ferner ab dem 8. Juli 2008, auf ihren jeweiligen Internetseiten Informationen mit regelmäßigen Aktualisierungen zur Lage veröffentlicht.
Außerdem haben der Betreiber und das Aufsichtsgremium eine Reihe von Schutzmaßnahmen und Beschränkungen eingeführt, die am 22. Juli 2008 aufgehoben wurden.
Gleichzeitig erstellte Socatri einen Plan zur Messung der Umweltradioaktivität, nahm Messungen zur Dekontaminierung der kontaminierten Zone am Standort Tricastin vor und leitete zusammen mit dem IRSN eine Reihe von Studien ein. Eine Inspektion der ASN vor Ort wurde am 10. Juli 2008 vorgenommen.
4./5. Laut der ASN stammte die Flüssigkeit mit einem Urangehalt von 12 g/l von Eurodif SA und trat zum Zeitpunkt der Umfüllung von einem Tank in einen anderen während der Abwasserbehandlung bei Socatri aus.
6. Die INES-Einstufung (in diesem Fall Kategorie 1 auf einer Skala bis 7) wird allein in nationaler Zuständigkeit festgelegt. In Frankreich schlägt der Genehmigungsinhaber eine INES-Einstufung vor, der die ASN zustimmen muss, wobei die Behörde die volle Verantwortung für die endgültige Entscheidung in dieser Sache trägt.
7. Die Kommission hat vom 26. bis 30. Mai 2008 in Tricastin eine Überprüfung nach Artikel 35 Euratom-Vertrag durchgeführt, einschließlich der Umweltüberwachung radioaktiver Ableitungen aus der Eurodif-Anlage [Ableitungen von Eurodif werden (sofern nötig) einer Behandlung durch Socatri unterzogen, bevor sie freigesetzt werden]. Ein technischer Bericht zu dieser Überprüfung ist in Vorbereitung.