Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#anfrage    16 | 09 | 2010

Ölförderung: "Vergessener" Blowout in der Nordsee?

Parlamentarische Anfrage an die EU-Kommission von Rebecca Harms vom 16. September 2010

 

Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko hat dazu geführt, dass die Kommission derzeit die bestehenden EU-Regulierungen überprüft, um das Risiko eines derartigen Unfalls zu minimieren. Bei missglückten Ölbohrungen kann jedoch nicht nur Öl austreten, sondern auch Gas.

 

Laut Presseberichten ist dies vor 20 Jahren in der Nordsee geschehen. Dort tritt seit dem Jahr 1990, als auf der Suche nach Öl eine unter Druck stehende Gasblase angestochen wurde, Methangas aus (1). Laut Berechnungen des Instituts für Meereswissenschaften der Uni Kiel sollen aus dem Bohrloch allein zwischen 1990 und 2007 etwa 25 % der gesamten europäischen Methangas-Emissionen entwichen sein. Bis heute soll das Bohrloch eine der größten Methanquellen Europas sein. Methan ist als Klimagas weitaus wirksamer als Kohlendioxid.

 

1. Im Gegensatz zu einer Ölkatastrophe verursacht ein Methan-Blow-out keine unmittelbar sichtbaren Umweltschäden. Die negativen Auswirkungen auf das Klima sind jedoch erheblich. Wie können die Umweltauswirkungen eines Methan-Blow-outs erfasst und quantifiziert werden?

 

2. Welche Haftungsregeln gelten laut europäischem Recht oder internationalen Vereinbarungen im Nordseeraum im Fall von Ölbohrunglücken?

 

3. Welche rechtlichen Möglichkeiten gibt es, Öl fördernde Unternehmen außerhalb der nationalen Hoheitsgebiete im Nordseeraum zu verpflichten, Schäden zu beseitigen, Blow-outs zu verschließen oder andere Maßnahmen zum Schutz von Umwelt und Natur vorzunehmen?

 

4. Als Antwort auf die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko überprüft die Kommission derzeit die bestehenden EU-Regulierungen, um das Risiko eines derartigen Unfalls zu minimieren. Wird das Szenario eines Gas-Blow-outs bei dieser Überprüfung berücksichtigt?

 

5. Welche Änderungen bzw. Ergänzungen bestehender EU-Regulierungen hält die Kommission für notwendig, um maximale Sicherheit bei Öl- und Gasbohrungen zu garantieren, um klare Haftungsregeln bei Bohrunfällen zu definieren und um die Eindämmung und Beseitigung von Umwelt- und Klimaschäden sicherzustellen?

 

(1) Siehe z. B. http://www.welt.de/wissenschaft/article871371/Gefaehrliches_Gas_stroemt_aus_der_Nordsee.html

 

 

Antwort von Herrn Potočnik im Namen der Kommission

 

Ein Methan-Blow-out im Sinne der Anfrage der Frau Abgeordneten kann potenziell Folgen für die Umwelt haben, wenn das Methan in die Atmosphäre gelangt. Der Artikel, auf den die Frau Abgeordnete verweist, spricht von 25 % der Nordsee-Emissionen, was deutlich weniger ist als 25 % aller europäischen Emissionen. Das Vereinigte Königreich wird diese Angelegenheit weiter prüfen und auf der kommenden Sitzung des Offshore Oil and Gas Committee (OIC) des OSPAR im März 2011 Bericht erstatten.

 

Nach EU-Recht ist die Verantwortlichkeit für Unfälle bei Ölbohrungen in der Nordsee durch strenge Haftungsvorschriften gemäß der Richtlinie 2008/98/EG(1) über Abfälle und der Richtlinie 2004/35/EG(2) über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden geregelt. In internationalen Übereinkommen gibt es keine Haftungs­regelung für Unfälle bei Ölbohrungen in der Nordsee.

 

In Gewässern, in denen EU-Recht Anwendung findet, d. h. die der Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten unterliegen (die möglicherweise auch auf die ausschließlichen Wirtschaftszonen und den Festlandsockel ausgedehnt werden kann), sind haftende Betreiber gemäß der Abfall-Richtlinie 2008/98/EG und der EU-Umwelthaftungsrichtlinie 2004/35/EG verpflichtet, die Ölverschmutzung zu beseitigen bzw. Schäden an geschützten Arten und natürlichen Lebensräumen sowie eine Verschlechterung des Wasserzustands zu vermeiden und zu beheben (mindern, eindämmen, wiederherstellen) und die vollen Kosten für solche Maßnahmen zu übernehmen. Strenge Haftungsvorschriften für Gewässerschäden gelten derzeit jedoch nur für die Hoheitsgewässer.

 

Die Kommission überprüft zurzeit den Regelungsrahmen für die Offshore-Öl- und Gasgewinnung, der mit Blick auf eine größere Sicherheit der Arbeiten und zur Förderung höchster Normen für Sicherheit und Prävention in der EU geändert werden soll. Das diesbezügliche Konzept der Kommission wurde von dem für Energie zuständigen EU-Kommissar und der für maritime Angelegenheiten zuständigen EU-Kommissarin auf der Plenartagung des Europäischen Parlaments vom 7. Juli 2010 dargelegt und wird in der Mitteilung der Kommission zu diesem Thema weiter erläutert. Die empfohlenen Initiativen betreffen sowohl die Öl- als auch die Gasgewinnung.

 

(1) ABl. L 312 vom 22.11.2008.

 

(2) ABl. L 143 vom 30.4.2004.

 

 


#anfrage   #öl   #nordsee   #ölfoerderung