Die schrillen Töne aus der CSU und die Idee des CDU-Europa-Abgeordneten Elmar Brok zur Arbeitsmigration aus Osteuropa sorgen für Unmut. Die Europaabgeordnete Rebecca Harms sieht den Europa-Wahlkampf heraufziehen.
Die CSU warnt vor Betrügern, die „rausfliegen“ müssen, der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok fordert Fingerabdrücke von „Sozialbetrügern“ aus Osteuropa. Wie bewerten Sie diese Aussagen?
Die Formulierungen vor allem der CSU halte ich für üble Demagogie. Und die Zuspitzung durch Elmar Brok halte ich für eine politische Verirrung, weil sie von einem langjährigen, gestandenen Europaabgeordneten kam.
Worum geht es?
Wenn populistisch so dermaßen auf ein Thema eingedroschen wird, geht es wie fast immer um Wahlen. Das Schlimme ist, dass durch diese völlig unzulässige Überzeichnung ein Problem für unlösbar erklärt wird, an das man konstruktiv herangehen muss. Es wird vornherein eine negative Tonart gegenüber sogenannten Fremden angeschlagen, besonders in Bayern.
Warum macht Brok das, mit dem Sie im Europaparlament auch zusammenarbeiten?
Eine Interpretation sagt, dass man der rechtspopulistischen AfD im Europawahlkampf das Wasser abgraben will. Aber mit bestimmten Tönen bestärkt man die nationalistischen und fremdenfeindlichen Strömungen erst. Ich arbeite immer wieder mit Elmar Brok zusammen, gerade beim Thema Ukraine sind wir beide sehr engagiert. Ukrainische Studenten gehen für europäische Werte auf die Straße. Soll man hier nun auch nach Fingerabdrücken für Einreisende rufen, statt Visa-Erleichterungen für sie zu schaffen?
Was sagen die Bulgaren und Rumänen im Europaparlament zu der deutschen Debatte?
Die fühlen sich als Nation an den Pranger gestellt und bereits zum zweiten Mal verunglimpft. Denn diese Debatte ist leider nicht neu, die gleichen Töne gab es wegen der Grenzöffnungen im Zuge des Schengener Abkommens, jetzt wiederholt sich das.
SPD-Chef Sigmar Gabriel und Kanzlerin Angela Merkel kündigen einen Ausschuss gegen Sozialmissbrauch an. Ist das Wasser auf die Mühlen von CSU und Brok?
Wozu braucht man einen Ausschuss? Es ist kein neues Problem und keines, das man nur mit Zuwanderern aus EU-Ländern hat. Da sollte die SPD lieber auf die Schwesterparteien in den betroffenen Ländern einwirken, dass dort auch endlich etwas für die Menschen am unteren Rand getan wird. Jetzt wird außerdem so getan, als käme die Arbeitnehmerfreizügigkeit überraschend und wäre quasi seit Neujahr vom Himmel gefallen. Bund, Länder und Kommunen hätten sich längst darauf vorbereiten können. Einige Kommunen, etwa Duisburg und Bochum, haben das durchaus getan.
Die hatten reale Probleme mit Armutsflüchtlingen. Hat die Arbeitnehmerfreizügigkeit tatsächlich etwas damit zu tun?
Die neuesten Zahlen über die Arbeitsmigration aus Rumänien und Bulgarien fallen durchweg positiv aus. Positiver als für Einwanderer mit einem anderen Hintergrund. Aber Armutswanderung spielt natürlich eine Rolle, es sind schon immer Menschen aus ärmeren Ländern in wohlhabendere eingewandert. Es gehört auch zu den Prinzipien der EU, durch Öffnung von Grenzen die Chancen für alle Europäer zu verbessern.
Brauchen wir eigentlich Arbeitsmigration?
Ganz offensichtlich brauchen wir Arbeitskräfte, sonst gäbe es die positiven Integrationsszahlen nicht. Im Pflegebereich sind Arbeitskräfte aus Osteuropa in Deutschland bereits seit langem unverzichtbar.