Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#eukommission    04 | 06 | 2014

Interview in der Nordwest-Zeitung: Großbritannien kann sich Austritt aus EU nicht leisten

von Claus Gorgs

Das Thema: Streit um die Zukunft der EU Im Interview: Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende Zur Person: Rebecca Harms (57) ist Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament in Straßburg.


Frage: Geht es beim Streit um den künftigen EU-Präsidenten nur ums Prinzip?

Harms: Die EU-Regierungschefs wollen kein Stück ihrer Macht aus der Hand geben. Wir Parlamentarier setzen uns für einen Präsidenten ein, der sich auch den Bürgern verpflichtet fühlt. Erstmals seit Jahren haben wir eine Chance auf mehr Demokratie in der EU.

Frage: Wen werden Sie unterstützen?

Harms: Alle Fraktionsvorsitzenden haben vor der Wahl verabredet, dass der Kandidat der stärksten Fraktion den ersten Versuch haben soll, eine Mehrheit zu bilden. Das ist Juncker. Das heißt aber nicht, dass unsere Fraktion am Ende für ihn stimmen wird. Das wird davon abhängen, was er zu unseren inhaltlichen Prioritäten sagt, zum Beispiel zum Stopp der Freihandelsverhandlungen mit den USA, zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.

Frage: Die Briten wollen weniger Europa, nicht mehr. Sie lehnen Juncker ab.

Harms: Premierminister David Cameron glaubt, mit seinem soften Nationalismus die Euroskeptiker im Land zu überzeugen, in Wirklichkeit hat er nur die europafeindliche UKIP gestärkt. Ich glaube, dass es Großbritannien mit der EU besser geht als ohne, aber wenn die Briten das anders sehen, wird es Zeit für eine Entscheidung.

Frage: Was wären die Konsequenzen, wenn Großbritannien die EU verließe?

Harms: Ein Austritt wäre kurzsichtig und politisch unklug. Ich glaube auch nicht, dass es dazu kommt. Die britische Wirtschaft hat größte Probleme. Das Land kann sich einen Austritt nicht leisten.

Frage: Wäre nicht ein Kompromisskandidat denkbar? Etwa die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt?

Harms: Frau Thorning-Schmidt hat die Europawahl in ihrem Land deutlich verloren. Ich sehe nicht, warum sie so viel besser sein sollte als Juncker, dass man dafür eine institutionelle Krise der EU riskiert. Es wäre die Missachtung des Wählerwillens.

Frage: Gibt es einen Ausweg?

Harms: Wir brauchen ein einheitliches europäisches Wahlrecht, bei dem die Spitzen der Listen direkt vom Volk gewählt werden. Es kann nicht sein, dass jedes EU-Land andere Regeln und Hürden hat.

Frage: Geben Sie eine Prognose ab, wer der nächste Kommissionspräsident wird?

Harms: Jean-Claude Juncker – wahrscheinlich. Wenn er scheitert, dann an seinen eigenen Leuten.


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